Barcelona bedeutet für die Formel 1 nicht nur Europa-Auftakt und damit feudale Team-Hospitalitys, in denen sich die Motorsport-Magazin.com-Redakteure ihre Bäuche vollschlagen können. Spanien bedeutet seit jeher auch immer: Große Updates an den Autos. Logistisch ist es sinnvoll, die neuen, just in time gefertigten Teile in das nur zwei Flugstunden entfernte Barcelona zu bringen. Dazu ist die Strecke aufgrund ihrer Charakteristik prädestiniert für Tests, die Teams haben außerdem Terrabytes an Daten von den Wintertestfahrten.

Doch die großen Teams bringen längst nicht mehr ein großes Paket in Barcelona und dann lange nichts. Inzwischen bringen Mercedes, Ferrari und Co. fast zu jedem Rennen kleinere Neuerungen. Doch in Barcelona sind es eben ein paar mehr Kleinigkeiten. Während die B-Spezifikation von McLaren inklusiver neuen Nase viel Aufmerksamkeit auf sich zog, blieben die Updates der Top-Teams - abgesehen von Ferrari Spiegeln - fast unbemerkt.

Weil nach dem Spanien GP auch noch Testfahrten stattfanden, haben wir mit der Analyse ein wenig gewartet. Die richtige Entscheidung, denn Mercedes zeigte neben den Heckkeuchte am Dienstag tatsächlich noch Technik-Neuerungen am Boliden.

Ferrari-Spiegel nur ein Rennen erlaubt

Von den drei Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull brachten die Italiener die offensichtlichste Änderung. Ferrari nutzte den neugeschaffenen Freiraum einer Technischen Direktive, die es den Teams erlaubt, ihre Spiegel am Halo zu befestigen. Allerdings setzte Ferrari noch einen drauf, indem man an den Spiegel auch noch ein Luftleitblech installierte. In Barcelona wurde das noch geduldet, ab dem Monaco GP ist diese Lösung verboten.

Performance-technisch spannender sind aber wohl andere Bereiche. Beispielsweise der Diffusor. Ferrari brachte hier eine neue Variante. In der Mitte ist nun unter der hinteren Crash-Struktur eine größere Ausbuchtung zu sehen. Letztes Jahr brachte Ferrari übrigens erst einen Diffusor mit Ausbuchtung und fuhr beim Ungarn-Test während der Saison erstmals mit einer flacheren Lösung - also genau umgekehrt.

Links neu, rechts alt, Foto: Sutton
Links neu, rechts alt, Foto: Sutton

Flow-viz-Farbe am Freitag zog Aufmerksamkeit auf das Bauteil. Auch an der Seite kann man eine kleine Änderung erkennen, das mittlere der drei Elemente geht nun nicht mehr eckig nach unten, sondern abgerundet.

Der Diffusor ist nicht die einzige Änderung am Ferrari-Unterboden. Im äußeren Bereich des Unterbodens toben sich die Ingenieure seit geraumer Zeit mit Schlitzen aus. Ferrari hat nun den kleinen Bereich, der bislang noch eben war, mit zwei länglichen Schlitzen getunt.

Red Bull konzentriert sich auf Bargeboards

Auch Red Bull brachte in Barcelona noch eine Ausbaustufe des RB14. Allerdings fiel die - zumindest von außen - nicht ganz so spektakulär aus. Am auffälligsten sind die Bargeboards. Die zwei bisherigen Elemente sind nun jeweils zusätzlich untergliedert, so dass nun vier Elemente entstehen. Dazu kommen weitere kleine Detail-Änderungen an Bargeboards und Seitenkastenflügel.

Oben alt, unten neu, Foto: Sutton
Oben alt, unten neu, Foto: Sutton

Die Kollegen von Auto Motor und Sport berichten zudem von einem neuen, komplett geänderten Kühlsystem. Allerdings sind äußerlich keine Änderungen im Vergleich zur Baku-Spezifikation wahrzunehmen.

Mercedes zündet Technik-Feuerwerk beim Test

Und dann gibt es natürlich noch Mercedes. Dort bekam die Vorderachse kleine Leitbleche. Direkt neben dem Uniball-Lager des oberen Querlenkers auf Radträgerseite wuchs plötzlich ein kleines Karbon-Element. Besonders gut zu erkennen ist das, weil der obere Querlenker bei Mercedes höher liegt und über einen kleinen Arm am Radträger befestigt wird.

Das Leitblech auf dem Mercedes-Querlenker, Foto: Sutton
Das Leitblech auf dem Mercedes-Querlenker, Foto: Sutton

Ob dieses Leitblech auch nach den 2019er Regeln noch erlaubt ist, ist fraglich. Der Bereich um die Bremsbelüftung herum wird in der kommenden Saison stark beschnitten. Allerdings sitzt das neue Leitblech nicht am Radträger, sondern am Querlenker.

Auf der hinteren Crash-Struktur schaute sich Mercedes einen kleinen Trick von Ferrari ab. Die Italiener haben schon länger einen kleinen Windabweiser über der Heckleuchte. Mercedes hat dieses kleine Karbonstück auch schon länger, in Barcelona wurde er aber sichtlich vergrößert und steht nun auch deutlich mehr nach oben - Stichwort Auspuffgase.

Beim Test brannten die Silberpfeile dann noch ein kleines Feuerwerk ab: Neben den Heckleuchten gab es gleich noch zwei interessante Neuerungen. Mercedes testete eine neue Motorabdeckung mit Kamin. So soll offenbar ein Hitzestau bei heißen Rennen verhindert werden. Einen solchen Kamin gab es schon 2017, allerdings sah er da aufgrund der geraden Motorabdeckung und des T-Flügels noch etwas anders aus.

Mercedes setzte beim Test einen Kamin auf die Motorabdeckung, Foto: Sutton
Mercedes setzte beim Test einen Kamin auf die Motorabdeckung, Foto: Sutton

Zur Kamin-Motorabdeckung gehört aber noch mehr. Aus der Heckansicht ist gut zu erkennen, dass auch der Auslass vor der Hinterachse geändert wurde. Das sieht man nicht nur an den Öffnungen selbst, sondern auch an den Stellen, an denen sich die Karbonabdeckungen treffen. Hier verläuft die Naht nun ganz anders.

Und noch etwas zeigte Mercedes erst beim Test: Auf den Seitenkästen wuchsen nun auch mehrere kleine Leitbleche. Eine ähnliche Lösung hat McLaren schon seit längerer Zeit im Angebot.

Mercedes dank Updates und Reifen vor Ferrari?

Und nun die Frage der Fragen: Was haben die Updates gebracht? Man könnte einfach sagen, Mercedes hat nun alle überholt. Aber das wäre nicht ganz richtig. Barcelona ist offenbar die Paradestrecke der Silberpfeile. Schon bei den Testfahrten sah es danach aus, als würde Mercedes 2018 in einer eigenen Liga fahren. Deshalb wäre es falsch, den großen Vorsprung im Rennen nur auf die Updates zu schieben.

Genauso falsch wäre es, das geänderte Kräfteverhältnis nur auf die geänderten Reifen zu schieben. Pirelli brachte erstmals in dieser Saison dünnere Laufflächen. Der Aufschrei - vor allem von Ferrari und Sebastian Vettel - war zu Beginn groß, doch beim Test realisierte Vettel, dass es nicht an den neuen Reifen lag. "Wir wären mit den anderen Reifen noch weiter weg gewesen", gestand Vettel.

Absolute und relative Qualifying-Performance

MercedesRückstandFerrariRückstandRed BullRückstand
Australien1:21,164-1:21,828+0,82%1:21,879+0,88%
Bahrain1:28,124+0,19%1:27,958-1:28,398+0,50%
China1:31,625+0,58%1:31,095-1:31,796+0,77%
Aserbaidschan1:41,677+0,18%1:41,498-1:41,911+0,41%
Spanien1:16,173-1:16,305+0,20%1:16,816+0,84%

Eine seriöse Einschätzung ist deshalb unmöglich. Bei Red Bull schon eher: Dort freute man sich über die guten Werte des Updates. Allerdings verpufften die schnell, weil alle anderen eben auch nachgelegt haben. Das übliche Entwicklungs-Problem. Mit 0,84 Prozent lag Red Bull sogar wieder weiter hinter der Pole Position als an den drei Wochenenden zuvor.

Da helfen auch die üblichen Schimpftiraden auf die Motorleistung nicht. Selbst wenn Barcelona immer mehr zur Motorenstrecke wird, weil von Kurve zwei bis Kurve vier und von Kurve sieben bis Kurve zehn alles vollgas geht: Bahrain oder Aserbaidschan gehen noch mehr auf den Motor. Und dort war Red Bull konkurrenzfähiger. Bei null Reifenabbau hilft auch eine gute Rennpace dann nicht. In der aktuellen Verfassung scheint Red Bull weiterhin nur auf speziellen Kursen wie Monaco oder unter besonderen Umständen wie in China siegfähig.