Lewis Hamilton hat sein Heimrennen in Großbritannien gewonnen. Auf dem Silverstone Circuit feierte der Mercedes-Pilot einen dominanten Start-Ziel-Sieg. Für Hamilton ist es der vierte Saisonerfolg und der vierte Silverstone-Sieg in Folge. Insgesamt hat der Brite jetzt bereits fünf Mal in Siverstone gewonnen und damit den Rekord von Landsmann Jim Clark und Alain Prost egalisiert. Noch dazu sicherte sich Hamilton den Grand Slam aus Pole, schnellste Rennrunde, Sieg und sämtlichen Führungsrunden.

Fast schon überschattet wurde der große Triumph des Briten aber von einem riesigen Drama bei Ferrari: Kurz vor Rennende flogen Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel plötzlich die linken Vorderreifen um die Ohren. Der Finne verlor so einen sicheren zweiten Platz, Vettel wurde von einem ohnehin schon nur durchwachsenen vierten Platz auf Rang sieben durchgereicht.

"Das wüsste ich auch gerne", antwortete Vettel auf die Frage nach den Gründen. "Ich hatte das Gefühl, alles sei in Ordnung. Dass der Reifen hochgeht, kann man nicht wissen. Das ganze Wochenende hat er gehalten. und die Vorhersage war, dass er sogar noch länger kann", ergänzte Vettel. "Aber heute hatte das ganze Feld Probleme mit Blasen, die die Reifen geworfen haben."

Das Podium: Hinter Lewis Hamilton überquerte Valtteri Bottas die Ziellinie nach einem blitzsauberen Rennen als Zweiter. Der nach einer Strafe nur von P9 gestartete Finne überholte mit alternativer Reifenstrategie kurz vor dem Rennende noch Sebastian Vettel und profiterte von einem Reifenschaden Räikkönens drei Runden vor Schluss, der den Iceman auf P3 zurückwarf.

Das sagen Hamilton, Bottas & Räikkönen zum Rennen

Lewis Hamilton: "Einfach war es nicht. Das Gefühl hier kann ich gar nicht beschreiben, es ist so toll die ganzen Fahnen hier zu sehen. Der Support am Wochenende war riesig. Ich bin sehr stolz, dass ich das heute für euch gewinnen konnte. Das Team hat einen außergewöhnlich guten Job gemacht, ein perfektes Wochenende für uns."

Valtteri Bottas: "Ich bin wirklich glücklich mit heute, es war nicht einfach von P9 zu starten und ich musste mich durchs Feld pflügen. Ich hatte die perfekte Strategie, ich habe mich konzentriert und den Kopf unten behalten. Ein bisschen Glück gehabt natürlich durch Pech der anderen, Lewis hat es auch großartig gemacht."

Kimi Räikkönen: "Wir haben eigentlich die meiste Zeit das Maximum aus dem Auto rausgeholt. Die anderen waren hier und da schneller, wir hatten unsere Probleme. Dann am Ende so ein Pech ... vorne links ist der Reifen hochgegangen und dann kann man nichts mehr machen. Ich konnte zum Glück schnell wieder zurück ins Rennen, leider ist Seb eine Runde später dasselbe passiert. Ich bin happy, aber es wäre mehr drin gewesen."

Lewis Hamilton schnappte sich in Silverstone einen überlegenen Sieg, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton schnappte sich in Silverstone einen überlegenen Sieg, Foto: LAT Images

Die Punkteränge: Vierter wurde Max Verstappen vor Daniel Ricciardo, Nico Hülkenberg, Sebastian Vettel (ebenfalls mit Reifenschaden kurz vor Schluss), Esteban Ocon, Sergio Perez und Felipe Massa.

Der WM-Stand: Lewis Hamilton setzte durch seinen Silvestone-Sieg einen Big Point gegen Sebastian Vettel. Aus 20 Punkten Rückstand auf den Deutschen wurde nur noch einer. Vettel liegt jetzt bei 177 Punkten, Hamilton bei 176. Dahinter folgen Bottas mit 154, Ricciardo mit 117, Räikkönen mit 98 und Verstappen mit 57. In der Teamwertung setzte sich Mercedes von Ferrari ab: 330 zu 275.

"Das ist bitter, denn heute war mehr drin und mit einem idealen Rennen wären wir Zeiter geworden", kommentierte Vettel. "So haben wir nur Glück gehabt, dass wir überhaupt noch ins Ziel gekommen sind. Das ist natürlich enttäuschend."

Das Wetter: Wie vor dem Qualifying waren die Regensorgen vor dem Start in Silverstone groß. Doch los ging der Großbritannien GP unter trockenen Bedingungen - und das bei für England warmen Temperaturen von mehr als 20 Grad Celsius Außen- und fast 30 Streckentemperatur.

Der Start: Lewis Hamilton gewann souverän den Start, Max Verstappen schoss sofort vorbei ein Sebastian Vettel, der in den ersten Kurvenkombinationen noch einen kurzen Konter setzte, sich aber letztlich geschlagen geben musste. Auch Kimi Räikkönen wurde vom Niederländer attackiert, konnte P2 aber halten. Valtteri Bottas verbesserte sich bereits in Runde eins um zwei Positionen.

Carlos Sainz geriet in Becketts mit Teamkollege Daniil Kvyat aneinander und schied aus. Auch der unbeteiligte Kevin Magnussen wurde noch getroffen. Durch die Trümmelteile und das Sainz-Wrack kam das Safety Car auf die Strecke, der Vorfall wurde von der Rennleitung untersucht - Kvyat kassierte eine Durchfahrtsstrafe. Esteban Ocon legte ebenfalls los wie eine Rakete wurde von Nico Hülkenberg durch ein beherztes Manöver aber schnell wieder eingefangen.

Lewis Hamilton behauptete am Start souverän die Führung, Foto: Sutton
Lewis Hamilton behauptete am Start souverän die Führung, Foto: Sutton

Der Re-Start: Keine absichtlichen Kollisionen oder Braketests, ein völlig regulärer, aber auch unspektakulärer Re-Start ohne Positionsverschiebungen nach Ende der vierten Rennrunde. Einziger Mini-Aufreger: Daniel Ricciardo verlor wieder einige beim ersten Start gewonnen Positionen, weil ein Haas ihn ins Kies gedrückt hatte und beschädigte sich dabei seinen RB13 leicht.

Die Zwischenfälle: In Runde 45 erst der erste Zwischenfall nach dem Start: Marcus Ericsson und Romain Grosjean gerieten sich ins Gehege. Drei Runden vor Schluss dann der Ferrari-Horror: Erst platzte Kimi Räikkönen der linke Vorderreifen, eine Runde später auch Sebastian Vettel!

Die Strategien: Pascal Wehrlein nutzte die frühe SC-Phase zum Reifenwechsel - mit Risiko. Der Sauber-Pilot holte sich den Medium, wohl ein Versuch zuende zu fahren. Oder auch nicht: Eine Runde später war Wehrlein schon wieder an der Box, wechselte zurück auf Soft. Ob er auch damit würde zuende fahren können?

An der Spitze eröffnete Ferrari das Boxenstopp-Fenster mit Sebastian Vettel, der in Runde 18 frische Softs spendiert bekam - ein Undercut-Versuch gegen den direkt vor ihm platzierten Max Verstappen. Red Bulls Konter in der nächsten Runde scheiterte - auch wegen eines kleinen Problems beim Reifenwechsel. Vettel war vorbei.

In Runde 24 dann der andere Ferrari: Räikkönen an der Box, der Finne blieb aber souverän vor Vettel. Eine Runde später schloss sich Lewis Hamitlon an, der sogar hauchdünn vor dem noch stopplosen Bottas blieb. Somit war offensichtlich: Alle Top-Fahrer setzten trotz der großen Belastung für die Reifen in Silverstone auf nur einen Stopp. Bottas kam schließlich in Runde 32 für frische Supersofts, Ricciardo in derselben Runde für Soft. Auch Wehrlein stoppte übrigens doch nochmal, holte Supersoft.

Der Rennverlauf: Lewis Hamilton setzte sich nach dem Re-Start sofort ein kleines Stück von Kimi Räikkönen ab, der sich über ein verzögert reagierendes Bremspedal beklagte. Dennoch fuhr auch der Finne mühelos Max Verstappen davon, hinter dem Sebastian Vettel festhing. Dahinter machte Valtteri Bottas kurzen Prozess mit Esteban Ocon und Nico Hülkenberg, war nach acht Runden bereits Fünfter.

An der Spitze konnte Hamilton Räikkönen kaum davonziehen, der Abstand pendelte sich bei etwas über zwei Sekunden ein während Verstappen immer weiter zurückfiel. Direkt dahiner ging es dann richtig ab: Angriff Vettel gegen Verstappen Ende Hangar-Straight, innen rein in Stowe! (R13) "Er möchte wohl Auto-Scooter spielen", funkte Verstappen nach dem haarigen Manöver. Zunächst war Vettel auch vorbei - doch Verstappen konterte bombenstark in Vale, drückte Vettel seinerseits leicht neben die Strecke. Keine Untersuchung durch die Rennleitung aber - einfach starkes Racing! In der nächsten Runde probierte es Vettel in Stowe dann außen - ebenfalls erfolglos. Bottas - lachender Dritter - schaffte es so beinahe ins DRS-Fenster Vettels.

Weiter hinten hatte sich Ricciardo indessen bis auf Platz elf nach vorne gearbeitet (R16) während Hülkenberg (P6) den Force India davonfuhr. Hamilton dagegen war es inzwischen doch gelungen, den Vorsprung auf Räikkönen zu verdoppeln, noch dazu ließ der Brite den Hammer jetzt weiter fallen. Dann der erste Stopp: Vettel hatte die Nase voll, kam in Runde 18 zum ersten Boxenstopp. Red Bull reagierte auf den Undercut, aber keine Chance. Mit einer sauschnellen Outlap war Vettel vorbeigezogen. Zwischenzeitlich fiel das Duo so hiner Hülkenberg, der war aber für beide keine Hürde.

In freier Fahrt war es jetzt Bottas, der aufdrehte und mit seinem Soft-Startreifen das schnellste Auto auf der Strecke war (R23), Boden auf Räikkönen und Vettel gutmachte. Kurz darauf stoppten allerdings erst Räikkönen, dann Hamilton. Letzterer behauptete sogar die Führung vor seinem Teamkollegen. Mit den frischen Softs holten indessen Räikkönen und Vettel zügig auf Bottas auf, Verstappen hatte keine Chance mehr. Dann ein Problem bei Räikkönen: "Irgendetwas bewegt sich an meinem Bein", funkte der Finne. Ein loses Teil im Cockpit?

Nachdem in Runde 32 auch Bottas seinen Pflichtstopp erledigt hatte, zeigte sich an der Spitze folgendes Bild: 1. HAM, 2. RAI (+14 Sek.), 3. VET (+18,5 Sek.), 4. BOT (+24 Sek.), 5. VER (+27,5 Sek.). In Sachen Reifen hatte die klar besten Karten Bottas, der für den Schlussspurt nigelnagelneue Supersofts bekommen hatte und drastisch auf die Ferrari aufholte. Ebenfalls neue Reifen, aber nur Softs: Ricciardo, der sich nach seinem Stopp von P9 wieder Stück für Stück nach vorne arbeitete.

In Runde 43 von 51 dann der erste Angriff von Bottas auf Vettel. Auf der Hangar Straight saugte sich der Finne heran und versuchte es in Stowe über die Außenbahn, geriet allerdings neben die Strecke, sodass sich Vettel in Anfahrt auf Vale mit einem stehenden Reifen knapp retten konnte. Eine Runde später war der Deutsche dann aber fällig. Diesmal fuhr Bottas mitten auf der Geraden einfach vorbei und machte nun auch noch Jagd auf Landsmann Räikkönen. Den hätte er allerdings nicht mehr bekommen wäre da kein Reifenschaden am Ferrari gekommen. Zwei Runden vor Schluss war der Pirelli vorne links plötzlich hinüber. Ganz bitter für den Iceman, der so auf P3 zurückfiel, weil auch Max Verstappen noch einen Sicherheitsstopp einlegte und auch Sebastian Vettel noch ein identer Reifenschaden ereilte, sodass der Deutsche nur mehr Siebter wurde.

Die Ausfälle: Schon in der Einführungsrunde erwischte es Jolyon Palmer, der den Renault mit einem Hydraulikproblem abstellen musste. Das hatte eine zweite Einführungsrunde zur Folge. Für Carlos Sainz war nach Kollision mit Teamkollege Daniil Kvyat in Becketts ebenfalls früh Feierabend - Runde eins. In Runde 33 folgte schließlich auch für Fernando Alonso der obligatorische Ausfall wegen technischer Probleme mit dem Benzindruck.

Die Analyse: In Sachen Lewis Hamilton eine klare Angelegenheit: Pure Dominanz, keine Chancen für alle anderen. Auch Mercedes insgesamt war in Silverstone bärenstark drauf wie die Aufholjagd von Bottas beweist. Ganz genau analysieren wird Ferrari das Rennen aber nicht nur deshalb: Zwei gleiche Reifenschaden an beiden Autos binnen einer Runde sind schon sehr seltsam. Bitter aber in jedem Fall für beide Piloten: Räikkönen verlor nach starker Vorstellung einen sicheren zweiten Platz, Vettel fast seinen gesamten WM-Vorsprung.

Die Top-Facts des Rennens

  • Hamilton gewinnt in Silverstone
  • 5. Heimsieg für den Briten
  • 4. Saisonsieg für Lewis
  • Vettel & Räikkönen fliegen Reifen um die Ohren!
  • Bottas vor Räikkönen komplettieren Podium
  • Starkes Racing zwischen Vettel/Verstappen
  • Vettel nach schwachem Start und Reifenhorror nur auf P7
  • Dicker Ärger bei Toro Rosso: Start-Kollision Sainz/Kvyat
  • Palmer schon in Formationsrunde raus
  • Alonso schafft 33 Runden bis zum nächsten Ausfall