Wie gut Sebastian Vettel gelaunt ist, lässt sich häufig an der Art seiner Kommunikation ablesen. Plappert er nach einer Session drauf los, dürfte es ein guter Tag gewesen sein. Nach dem Qualifying zum Australien Grand Prix redete der Ferrari-Pilot schon fast Wasserfall-artig. Zur Pole Position reichte es zwar nicht, doch Vettel wusste: Ferrari kann sich berechtigte Chancen auf den Sieg im ersten Rennen ausrechnen.

Für Selbstvertrauen sorgte vor allem der Umstand, dass er sich zwischen die Konkurrenz von Mercedes quetschen konnte. Und auch, dass er im Qualifying nicht die perfekte Runde zusammenbekam. Für Lewis Hamiltons Pole-Zeit hätte es vermutlich nicht gereicht, doch es hätte noch enger werden können. Am Ende fehlten Vettel 0,268 Sekunden zum ersten Startplatz. Doch der Start aus Reihe eins reichte aus, um den Samstag im Albert Park bestens gelaunt zu beenden.

Nicht viel langsamer als Mercedes

"Aus der ersten Reihe ist alles drin", sagte Vettel. "Unser Auto ist nicht viel langsamer als der Mercedes. Unser Ziel ist es, das Rennen zu gewinnen. Wenn es hier klappt, wäre das toll. In Australien gibt es immer schöne Trophäen auf dem Podium."

Nach dem bisher eher holprigen Start ins Wochenende habe Vettel zwar nicht mit der ersten Startreihe gerechnet, doch der Glaube an die eigene Stärke war grundsätzlich intakt. Vettel: "Wir konnten erahnen, dass wir ungefähr dahinkommen, wenn es gut klappt." Red Bull dürfte in Melbourne nicht zu den direkten Gegnern gehören, Ferrari kann den Fokus also komplett auf Mercedes legen.

Sebastian Vettel schon nach dem Qualifying mit dem Victory-Zeichen, Foto: Sutton
Sebastian Vettel schon nach dem Qualifying mit dem Victory-Zeichen, Foto: Sutton

Lauda hatte Recht

Die Performance der Italiener - bei den Testfahrten in Barcelona die inoffiziellen Sieger - blieb auch bei der Konkurrenz nicht unbemerkt. "Genau das, was ich erwartet habe, ist eingetreten", sagte Niki Lauda zu Motorsport-Magazin.com. "Ferrari ist schnell, Vettel überhaupt ist gut dabei." Sein Potenzial hatte er am Samstagmorgen im 3. Training mit der Bestzeit unterstrichen. Ein gutes Zeichen, nachdem ihm Hamilton am Vortag im Training locker eine halbe Sekunde aufgebrummt hatte.

Ferrari ist es gelungen, über Nacht einen deutlichen Vorsprung zu erarbeiten; mehr vielleicht noch als Mercedes. Es geht bergauf bei der Scuderia - und das Ende scheint noch nicht erreicht zu sein. "Gestern hatten wir nicht den besten Tag", räumte Vettel ein. "Aber heute war die Balance besser und das Auto hat sich gut angefühlt. Deshalb sollten wir auch im Rennen schneller sein. Heute war es schon eng, meine Runde hätte einen Ticken schneller sein können."

Vettel peilt den Sieg beim Australien GP an, Foto: Ferrari
Vettel peilt den Sieg beim Australien GP an, Foto: Ferrari

Pole in Sektor 1 verloren

Offenbar rechnete sich Vettel so gute Chancen auf die wichtige Pole aus, dass er auf seinem letzten Run ein wenig über das Limit hinausschoss. In Kurve eins bremste er etwas zu spät und auch in Kurve 9 hatte er etwas Geschwindigkeitsüberschuss. "Ich wusste natürlich, dass Lewis' Zeit aus dem ersten Run im Q3 ziemlich gut war", räumte Vettel ein.

Vettel war Hamilton in den ersten beiden Sektoren unterlegen, im letzten Abschnitt dafür der schnellste aller Fahrer. Eine mögliche Pole verzockte sich Vettel vor allem in Sektor 1, wo er auf dem letzten Run 0,295 Sekunden auf Hamilton verlor. In Sektor 2 betrug Vettels Rückstand nur 0,038 Sekunden - und im letzten Teil war er sogar 0,065 Sekunden schneller als der Silberpfeil. "Man kann sehen, dass es ziemlich eng zugeht zwischen Ferrari und uns", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Das wird ein Höllenritt in den kommenden 20 Rennen."

Gewinnt Vettel den Start, kann er sich breit machen, Foto: Sutton
Gewinnt Vettel den Start, kann er sich breit machen, Foto: Sutton

Start mit Tücken und Chancen

Mit einem Höllen-Start könnte Vettel schneller zum nächsten Sieg seit Singapur 2015 gelangen als von vielen erwartet. Wegen des neuen Prozedere ist der Fahrer nun noch mehr gefragt. Was Vettel am Start drauf hat, bewies er vor ziemlich genau einem Jahr an gleicher Stelle, als er direkt beide Mercedes überholte, den Sieg aber wegen eines strategischen Fehlers einbüßte. Wegen der neuen Reifen wird am Sonntag ein Einstopp-Rennen erwartet - das macht den Start noch wichtiger; und Ferrari weniger Gelegenheit, es in der Boxengasse zu vergeigen...

"Vielleicht öffnet sich mit der neuen Startprozedur ein kleines Türchen", sagte Vettel. "Wenn es auf ist, fahren wir rein." Dadurch erklärt sich auch, wieso Vettel nach dem Qualifying so happy war - gegen beide Mercedes vor ihm wären die Chancen auf einen Sieg massiv gesunken. Jetzt hat er 'nur' Hamilton als Hürde vor sich, der zum vierten Mal in Folge im Albert Park auf Pole steht.

Ein Ferrari-Sieg in Melbourne käme überraschend, wäre aber längst keine Sensation mehr. Vettel: "Natürlich hatte Mercedes in den letzten Jahren einen starken Lauf. Das mögen die Leute aber nicht so sehr. Die wollen Veränderungen. Hoffentlich bringt dieses Wochenende schon eine Änderung. Ich war selbst ein paar Jahre auf der anderen Seite und wollte nie, das was geändert wird. Aber so ist es eben." Vettel hat nun zumindest gute Chancen, seinen Teil zu einer neuen Hackordnung in der Formel 1 beizutragen.