Lewis Hamilton hatte vor dem Malaysia GP Angst, ein zweites Monza zu erleben. Tatsächlich kam es viel schlimmer. Während in Monza nach einem dominanten Wochenende und schlechtem Start noch Platz zwei stand, ging Hamilton in Sepang leer aus. In Führung liegend schied der WM-Zweite in Runde 40 wegen eines Motorschadens aus.

"Ich war gerade dabei, die Lücke auf die Red Bull zu vergrößern, da hatte ich plötzlich keine Leistung mehr und hörte, dass etwas hochgegangen ist", beschreibt Hamilton die rennentscheidende Szene. "Nein, nein", brüllte der Brite verzweifelt in den Funk.

Unmittelbar danach musste er sich den Fragen der Medien stellen. Für die Fahrer sind TV-Interviews nach dem Rennen verpflichtend, das ist im Sportlichen Reglement festgelegt, damit die Sendeanstalten für ihre Gebühren auch etwas erhalten. Die Medienrunden für schreibende Journalisten hingegen sind nicht verpflichtend - und die wollte Hamilton gleich absagen.

Für Mercedes war es der erste technisch bedingte Ausfall der Saison 2016, Foto: Sutton
Für Mercedes war es der erste technisch bedingte Ausfall der Saison 2016, Foto: Sutton

Die TV-Journalisten bekamen den ungefilterten Weltmeister zu Gesicht. "Lewis, wir haben Hochrechnungen für die letzten fünf Rennen gemacht", begann eine Kollegin. "Die will ich nicht hören", lautete Hamiltons knappe Antwort, bevor er sich gleich zum nächsten Kamera-Team umdrehte.

Hamilton: 43 Mercedes-Motoren - und meine gehen kaputt

Nach etwas Bedenkzeit erschien Hamilton dann aber doch zum Termin vor der schreibenden Zunft. Da war zumindest der erste Ärger verlogen. "Ich kann es nicht glauben, dass es acht Autos mit Mercedes-Motoren gibt und nur meine Motoren hochgehen. Das fühlt sich nicht richtig an, das ist auf jede Fall komisch", schimpfte Hamilton.

"Mercedes hat in diesem Jahr 40 Motoren gebaut und drei zusätzlich für mich, weil meine schon einmal kaputt gegangen sind. Von den 43 Motoren sind nur meine kaputt gegangen - das ist einfach nur komisch. Ich weiß nicht warum! Irgendjemand will nicht, dass ich in diesem Jahr gewinne", sagte der Brite noch vor den TV-Teams.

Manipulationsvorwurf? "Eine höhere Macht will es nicht. Es fühlt sich so an, als ob der Herr oben oder eine höhere Macht etwas dagegen hätten", stellte Hamilton später klar. Mercedes Motorsportchef Toto Wolff hat Verständnis für Hamiltons heftige Reaktionen: "In so einem frustrierenden Moment ist jede Antwort erlaubt. Wenn du das Rennen anführst, dabei bist, in der Weltmeisterschaft zurückzuschlagen und dann dein Motor hochgeht... Wenn er dann ein Mikro vor den Mund bekommt, dann darf er sagen, was immer er will."

Tatsächlich hatte Hamilton in der Saison 2016 schon mehrmals Technik-Pech. In China und Russland hatte Hamilton jeweils Probleme im Qualifying, musste bereits mehrfach Motor wechseln. Früh in der Saison stand fest, dass der Weltmeister nicht mit dem angestammten Motorenkontingent auskommen würde.

Mercedes bringt drei neue Motoren in Spa

In Spa, dem ersten Rennen nach der Sommerpause, war es soweit: Hamilton musste wegen diverser Motorwechsel ganz nach hinten in der Startaufstellung. Dabei sollte Hamilton zumindest für den Rest der Saison safe sein, weil Mercedes bei dieser Gelegenheit gleich drei neue Power Units in den Umlauf brachte. Besonders bitter: Der Verbrennungsmotor, der spektakulär seinen Dienst versagte, hatte vor Malaysia nur ein Rennen absolviert: Spa.

Übersicht der Mercedes Power Unit

ICETCMGU-KMGU-HESCE
Mercedes
Lewis Hamilton688644
Nico Rosberg444433
Williams
Felipe Massa333333
Valtteri Bottas333322
Force India
Nico Hülkenberg333333
Sergio Perez333333
Manor
Pascal Wehrlein333333
Esteban Ocon444433

Bleiben Hamilton für die restlichen fünf Rennen noch zwei Motoren. Einer davon ist komplett neu, der andere hat zwei Rennen auf dem Buckel. "Wer weiß schon, was mit den nächsten Motoren passieren wird?", fragt Hamilton sarkastisch.

Lewis Hamilton ist Rückschläge in dieser Saison gewohnt, Foto: Mercedes-Benz
Lewis Hamilton ist Rückschläge in dieser Saison gewohnt, Foto: Mercedes-Benz

"Ich habe hundertprozentiges Vertrauen in meine Jungs", stellt Hamilton in seiner Print-Runde fest. "Es ist mein viertes Jahr mit ihnen. Ich habe hundertprozentiges Vertrauen in die Jungs in der Garage und in den Fabriken. Ich liebe es hier. Ohne sie hätte ich die zwei WM-Titel nicht gewonnen. Es fühlt sich in diesem Jahr nicht gut an. Es ist ein Test des Willens, es ist ein Charaktertest. Das gilt nicht nur für mich, sondern für all meine Jungs. Ich weiß, dass wir alle diesen Schmerz fühlen."

Toto Wolff verspricht: "Wir werde keinen Stein auf dem anderen lassen, um diese Motoren für die nächsten Rennen zu checken. Das machen wir immer, denn es ist unsere wissenschaftliche Herangehensweise, alle Teile zu checken. Was auch immer getan werden muss, diese speziellen Fehler heute zu analysieren, wird zusätzlich gemacht."

Wolff: Alle Defekte unterschiedlich

"Die Fehler hatten aber nichts miteinander zu tun", beruhigt Toto Wolff. "Es waren unterschiedliche Defekte. Entweder lag es an der Zulieferkette, Materialproblemen, am Zusammenbau oder an Fehlern am Design. Wir konnten bei diesen Fehlern kein Schema erkennen." An einem zu aggressiven Motor-Modus soll es nicht gelegen haben. "Wir sind im selben Start-Mode geblieben", erklärt Wolff.

Hamiltons Reaktionen gegenüber dem Team soll vorbildlich gewesen sein. "Er hat mit allen Mechanikern und Ingenieuren gesprochen und hat versucht, sie aufzubauen. Das machen in diesem Moment nur die Größten", so Wolff.

In der WM liegt der Weltmeister nach dem Ausfall 23 Punkte hinter Rosberg. "In der ersten Saisonhälfte hatte ich immer das Gefühl, dass mir der Titel entgleitet und ich nichts dagegen machen konnte. Dann kamen gute Ergebnisse und jetzt wieder schwierige und ich bekomme dieses Gefühl zurück, das ich in Barcelona hatte."