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Die China-Premiere der Formel 1 war ein wirklich gelungener Auftakt auf einer fantastischen Strecke, unter fantastischen Umständen, mit tollen Zuschauern und idealen Voraussetzungen durch die Konstellation der Ferrari auf den Rängen zwanzig und eins. Der chinesische Grand Prix der neuen Dimensionen erfüllte somit selbst die allerhöchsten Erwartungshaltungen in der F1Welt.

Und auch sportlich gesehen fällt die Rennanalyse sehr gut aus. So hat Rubens Barrichello alles richtig gemacht. Seine Boxenstopps haben perfekt funktioniert und hierfür gebührt den Roten das übliche Lob. Bei Michael Schumacher wurde hingegen so ziemlich alles falsch gemacht.

Der erste Fehler den der Champion und seine roten Strategen begangen haben, war dabei aus der Boxengasse zu starten und dann auch noch zu warten bis die Ampeln ausgingen, um so einer Strafe bei einem eventuellen Startabbruch zu entgehen.

Dieses Sicherheitsdenken kostete den siebenfachen Weltmeister a) sehr viel Zeit und hat es b) viel zu lange gedauert, bis Schumacher auf die Letzten aufschließen konnte. Und dann können im Getümmel des Hinterfeldes natürlich immer solche Situationen wie mit Christian Klien oder ein Reifenschaden und ein Dreher entstehen.

Der zweite Fehler der Scuderia war unterdessen die Taktik beim Notstopp wegen des Reifenschadens auf Dreistopps umzustellen. Hier hat man für mich unverständlicher Weise den Wagen nicht voll getankt, was für die letzten gut 20 Runden locker möglich gewesen wäre. Entsprechend erschließt sich mir diese geplante Taktikänderung von Ross Brawn nicht.

Auch ohne diese Änderung hätte Schumacher nach all den vorherigen Problemen keine Chance auf WM-Punkte gehabt, doch führte dies die ohnehin schon in die Hose gegangene Zweistoppstrategie aus der Boxengasse zu starten ad absurdum.

Insgesamt erlebte der Deutsche an diesem Wochenende alles andere als eine gelungene China-Premiere: Das fing bereits am Freitag mit dem Softwareproblem im freien Training und der folgenden unwirschen Reaktion, als er unseren Kameramann recht rüde wegstieß, an, setzte sich mit dem Abflug im Qualifying und dem Motorwechsel vor dem Rennen bis hin zu diesem für seine Verhältnisse absolut verkorksten Rennen fort.

Als Fazit bleibt deswegen festzustellen: So schlecht es für Michael Schumacher bei der China-Premiere lief, so gut verlief das Rennen für Rubens Barrichello. Ferrari ist also dennoch der große Sieger von Shanghai, was allerdings nur am Brasilianer lag. Dieser scheint dabei, umso näher sein Heimspiel in Interlagos rückt, immer besser zu werden.

Deswegen würde es mich auch nicht wundern, wenn Rubens in Suzuka seinen Vorjahreserfolg wiederholen könnte, um dann ausgerechnet beim Heimrennen in Sao Paulo mit Motorschaden auszufallen. Und das obwohl der Brasilianer wahrscheinlich ohne zu zögern alle seine bis dato neun Siege gegen einen Triumph in Brasilien eintauschen würde.

Die Ferrari-Rivalen schlugen sich derweil in Shanghai wacker. Der stärkste Konkurrent hinter Rubens Barrichello war Kimi Räikkönen, der für mich an diesem Wochenende einfach stärker gefahren ist als Fernando Alonso und Jenson Button.

Die Tatsache, dass McLaren versucht hat anstatt "nur" Zweiter lieber Erster zu werden und deshalb am Ende nur Dritter wurde ist vollkommen okay. Wer nichts riskiert gewinnt auch nichts. Eine Lehre, welche auch Ferrari mit seiner Sicherheitstaktik des Boxengassenstarts an diesem Wochenende gelernt haben dürfte. Die Silbernen haben hingegen – beinahe – alles richtig gemacht. Schließlich ging die Strategie nicht ganz auf.

So gut aber Kimi Räikkönen an diesem Wochenende war, so schwach war das Rennen von David Coulthard. Bei ihm scheint mir jetzt am Ende des Jahres die Luft raus zu sein. Sein Überholmanöver gegen Michael Schumacher ging in die Hose und die Kollision mit Ralf Schumacher ging ebenfalls auf seine Kappe. Aber dies könnte durchaus damit zusammenhängen, dass seine Motivation nicht mehr die allerbeste ist.

Eine ähnliche Situation bietet sich beim weiß-blauen Gegner der Silbernen im Kampf um Rang vier in der Konstrukteursweltmeisterschaft. Denn Williams blieb erneut blass. Juan Pablo Montoya stand klar im Schatten von Ralf Schumacher, der seinerseits nach dem Unfall mit Coulthard auch nicht allzu motivationsgeladen erschien.

Denn die Tatsache, dass Ralf nachdem er in die Box gefahren war nicht mehr eingestiegen ist, kann ich mir nur so erklären, dass er am Ende des Jahres das Team verlässt und er sich deswegen sagte: "Ich habe keine Lust mehr." In einem Toyota wäre er vermutlich noch einmal eingestiegen. Sein Bruder Michael Schumacher wäre wahrscheinlich auch nach zwei verpassten Runden wieder ins Rennen gegangen.

Bei Williams kommt somit erst jetzt in den letzten Saisonläufen die ganze Misere mit den beiden abwandernden Stammfahrern Juan Pablo Montoya und Ralf Schumacher zum Vorschein. Zudem ist auch das weiß-blaue Paket nicht gut genug um zu gewinnen. Das einzige was bei BMW-Williams stimmt, ist die Motorleistung.

Vor Williams und McLaren hat Renault im Kampf um Rang zwei der Team-WM wertvollen Boden verloren, weswegen die Vizeweltmeisterschaft da wohl klar an British American Racing gehen dürfte. Aber auch dort ist nicht alles perfekt: Jenson Button fuhr mit leichterem Auto nicht schnell genug. Da hätten mindestens hohe 1:32er Zeiten kommen müssen um Rubens Barrichello gefährden zu können.

Überragend ist hingegen Takuma Sato gefahren, der im Gegensatz zu Michael Schumacher nach seinem Motorwechsel von hinten ins Rennen gegangen war und für Platz sechs noch drei Punkte bekam. Somit darf der Japaner durchaus als der stille Held dieses ersten China GP bezeichnet werden.

Entsprechend könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass in zwei Wochen bei seinem Heimspiel in Japan ein Sato-Feuerwerk gezündet wird. Ich gehe hier sogar so weit zu sagen, dass Takuma Sato in Suzuka ein ernsthafter Pole- und vielleicht sogar Sieganwärter sein könnte.

Am Ende muss nach einem mehr als nur gelungenen Premierenrennen im Reich der Mitte aber dennoch ein negativer Punkt herausgehoben werden: Nämlich der totale Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Königsklasse des Motorsports.

So setzt sich die Formel 1 einerseits für 300 Millionen Euro mit der größten und besten Streckenanlage ein Denkmal, um auf diese Art und Weise den asiatischen und chinesischen Markt zu erschließen. Und sind andererseits drei Teams pleite, die mit dem Messer zwischen den Zähnen ums nackte Überleben kämpfen müssen.

Dies ist der Zynismus der Formel 1: Auf der einen Seite Größe, Stärke, Überlegenheit und Effizient zu dokumentieren sowie den Anspruch zu haben das Schönste und Größte auf der Welt zu sein und auf der anderen Seite die tatsächlichen Kosten die dafür aufgewendet werden müssen, was mittlerweile in keinerlei Verhältnis mehr zueinander steht. Entsprechend bitter ist es, dass sich die Formel 1 hier an ihrem eigenen Zynismus zu verschlucken droht.