Es wurde wohl bei keinem anderen Team im Februar so intensiv gearbeitet wie in der Fabrik von Red Bull Racing in Milton Keynes. Der RB10, beim Testauftakt in Jerez ein totaler Rohrkrepierer, schaffte dadurch beim Testabschluss in Bahrain immerhin 990 Kilometer. Bis zum Auftaktrennen in Melbourne am kommenden Wochenende sollen weitere Verbesserungen folgen. Überhaupt soll beim RB10 aus Jerez im Vergleich zu jenem aus Melbourne kein Stein auf dem anderen geblieben sein. "Das Auto, das wir in Melbourne einsetzen, wird nur von außen das Auto sein, mit dem wir im Winter getestet haben. Die technischen Innereien werden andere sein. Wir haben bei den Tests eine Menge verstanden und werden das bis Australien noch umsetzen", stellt Sebastian Vettel im Interview mit der "Welt" klar.

Dem Weltmeister ist allerdings bewusst, dass trotz massiver Kursänderung keine Wunderdinge zu erwarten sind. "Nur in der Welt der Comics würde so ein Prozess sofort und blitzschnell funktionieren", so Vettel. "Aufgrund der wenigen Test-Runden, die wir wegen unserer Probleme gefahren sind, kann ich nicht wirklich sagen, wo wir stehen. Außer, dass die Konkurrenz uns – was offensichtlich ist – voraus ist. Unsere Situation ist vor dem ersten Grand Prix schwierig, aber erst in Melbourne werden wir wissen, wie weit wir tatsächlich von der Konkurrenz entfernt sind." Zu einer Mutmaßung über die aussichtsreichsten Fahrer auf den WM-Titel will er sich nicht hinreißen lassen. "Im Grunde genommen macht es das komplett neue Reglement unmöglich, eine wirklich relevante Prognose abzugeben."

Wird man im Team des vierfachen Weltmeisters also tatsächlich noch nicht nervös? "Im Moment ist nichts verloren, noch kein Rennen gefahren, kein Punkt vergeben. Es gibt Fehlerquellen, aber aktuell kann kein Team behaupten, völlig ohne Probleme und Schwierigkeiten zu arbeiten", beruhigt Vettel. Der 26-Jährige gibt nach seinen Erfolgen der letzten Jahre und wohl auch aufgrund seiner Rolle als Vater lockerer. "Ich bin gelassener geworden. Auch was die neue Saison betrifft. Ich glaube, das ging mit dem ersten WM-Titel los. Es kam dann nach und nach mehr Ruhe ins Spiel – auch in meinem Kopf. Was nicht heißt, dass ich dadurch weniger motiviert bin, aber ich gehe das Ganze mehr und mehr etwas gelassener an", sagt Vettel, der in Australien bisher dreimal auf dem Podium stand. Im vergangenen Jahr merkte er durch die Buhrufe einiger Fans bereits, dass Seriensiege Neider und Missgünstige auf den Plan rufen. "Zuerst finden es die Leute gut, wenn man gewinnt. Passiert das zu oft, finden sie das nicht mehr gut. Sie wollen neue Gesichter auf dem Podium sehen, neue Helden. Hat man das mal kapiert, ist alles okay", erklärt der Weltmeister.