Während die Formel-1-Fahrer am Donnerstag auf dem Yas Marina Circuit fleißig Interviews gaben, fehlte einer: Kimi Räikkönen. Der Finne zog es vor, so spät wie möglich nach Abu Dhabi zu reisen und stand deshalb für die Medien nicht nur Verfügung. Räikkönens Fernbleiben sorgte natürlich für reichlich Diskussionsstoff im Fahrerlager - vor allem nach dem Funkspruch-Vorfall vor wenigen Tagen in Indien. Lotus selbst war bemüht, Räikkönens verspätete Ankunft in Abu Dhabi herunter zu spielen, der Finne wolle lediglich so viel Zeit wie möglich zuhause verbringen.

Doch sofort machten Spekulationen die Runde, Räikkönen würde das Rennen möglicherweise boykottieren. Es soll zu Aussprachen mit den Teamverantwortlichen gekommen sein, doch ein Renn-Boykott stand wohl nie realistisch zur Debatte. Damit würde Räikkönen einen Vertragsbruch begehen, der ihn einiges an Geld kosten würde. Zum Auftakt der Trainings am Freitag soll Räikkönen rechtzeitig an der Strecke sein und sein normales Programm abspulen.

Wo steckt Kimi Räikkönen?, Foto: Sutton
Wo steckt Kimi Räikkönen?, Foto: Sutton

Doch es knistert bei Lotus immer mehr zum Abschied des früheren Weltmeisters, der kommende Saison zu Ferrari zurückkehrt. Den Höhepunkt erreichten die Spannungen am vergangenen Rennwochenende in Neu Delhi, als es zu einem Eklat während des Rennens kam, der mehr als hohe Wogen schlug. Streckenchef-Ingenieur Alan Permane herrschte Räikkönen an, er solle auf der Strecke Platz machen für Teamkollege Romain Grosjean. "Hör' verdammt noch mal auf, mich anzuschreien", erwiderte Räikkönen.

Räikkönen-Anhängern gefiel diese Aktion überhaupt nicht, sie beschimpften Permane wüst im Internet und drohten dem Briten sogar. "Ich kann verstehen, dass das für die Hardcore-Kimi-Fans nicht in Ordnung ging, aber was für mich nicht in Ordnung geht, ist, dass einige Leute meine Familie aufgrund des Funkspruchs mit dem Tod bedrohen", beschwerte sich Permane. Die Sache ging so weit, dass Teamchef Eric Boullier öffentlich eingreifen musste und sich für die Wortwahl während des Funkspruchs entschuldigte.

"Mit der Aufforderung an Kimi, Romain ziehen zu lassen, wollten wir lediglich sichergehen, dass Massa uns nicht den Podiumsplatz wegschnappt", sagte Boullier. "Im Nachhinein betrachtet hätte man Kimi das auch weniger emotional sagen können. Wir waren in diesem Moment einfach sehr angespannt, weil wir einige technische Probleme hatten, aber einige de Worte, die da verwendet wurden, waren einfach nicht angemessen."

Traditionell kein Fan der Medienarbeit: Kimi Räikkönen, Foto: Sutton
Traditionell kein Fan der Medienarbeit: Kimi Räikkönen, Foto: Sutton

Es war nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Räikkönen einen Donnerstag an der Rennstrecke ausließ. Vor dem Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps erschien er ebenfalls nicht. Wegen Krankheit, wie Lotus damals vermeldete. Es war mitten in der Zeit, als die Motorsportwelt über Räikkönens Zukunft debattierte und sich die Zeichen, dass er zu Ferrari wechseln würde, immer mehr verdichteten.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Kimi Räikkönen ist noch nicht in Abu Dhabi. So weit, so merkwürdig. Donnerstage sind in der Formel 1 traditionell Medien-Tage, Fahrer und Teamchefs laden zu Gesprächsrunden mit Journalisten oder geben Exklusiv-Interviews. Wenn da einer fehlt, fällt das natürlich sofort auf. Besonders, wenn es sich bei diesem Jemand um den kontroversen Finnen handelt. Angeblich soll bereits in Indien klar gewesen sein, dass Räikkönen erst Donnerstagabend in Abu Dhabi anreisen und somit die Medien-Termine verpassen würde. In der offiziellen Lotus-Vorschau stand, dass die Formel-1-Fahrer des Teams bei einem Sponsoren-Event im Fahrerlager am Donnerstag anwesend seien. Auffällig: Lotus verzichtete diesmal darauf, im Media Centre an der Strecke einen Zeitplan zu veröffentlichen, wann Medien die Fahrer am Wochenende antreffen können.

Was genau hinter der Geschichte steckt, wissen aktuell wohl nur die Beteiligten selber. Vielleicht hatte Räikkönen keine Lust auf Nachfragen zu der Teamfunk-Affäre in Indien - obwohl hier Alan Permane der interessantere Gesprächspartner gewesen wäre -, vielleicht hatte Räikkönen auch private Termine in seiner Schweizer Heimat. Ob es aber so glücklich wäre, die auf ein back-to-back-Rennwochenende zu legen, sei einmal dahingestellt. Viele andere Fahrer reisten direkt von Indien nach Abu Dhabi. Hat Lotus ihm erlaubt, nach Hause zu reisen oder hat er sich über die Anweisungen des Teams hinweg gesetzt? Wenn die Sache abgesprochen war, warum äußerte sich das Team dann so verhalten dazu und plante Medien-Events am Donnerstag mit Räikkönen? Fragen über Fragen. Aber: Was auch immer der Grund für Räikkönens Fernbleiben und die Lotus-Idee dahinter nun war - professionell ist anders. (Robert Seiwert)