22 Jahre lang kümmerte sich Norbert Haug um die Motorsportbelange bei Mercedes-Benz. Nach drei mäßig verlaufenen Jahren in der Formel 1 und dem verpassten Meistertitel in der DTM übernahm Toto Wolff das Zepter bei den Stuttgartern und begannt sofort, Umstrukturierungen in Brackley vorzunehmen. Der Österreicher scheut sich nicht davor, klare Worte zu finden und ihnen auch Taten folgen zu lassen. "Ich mache es vielleicht anders, vielleicht anders als er", sagt er über die unterschiedliche Arbeitsweise zu jener seines Vorgängers, dessen Arbeit er aber trotzdem schätzt. "Wenn man wie Norbert [Haug] 22 Jahre den Motorsport hochgehalten hat in den Häusern Daimler und Mercedes-Benz, dann hat man etwas richtig gemacht."

"In all den Jahren haben wir uns immer respektiert, aber er hat es so gemacht, wie er es gemacht hat, und ich mache es so, wie ich es mache", verdeutlicht Wolff seine Ansicht noch einmal gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Um sich einen Ratschlag des Routiniers einzuholen, habe er sogar erst kürzlich mit seinem Vorgänger telefoniert. Dass der Österreicher die Liebe zu Statistiken nicht mit Haug teilt, hat einen einfachen Grund. "In die Vergangenheit zu schauen bringt überhaupt nichts", meint Wolff. Sein Leitspruch lautet daher: "Der Homerun von gestern gewinnt nicht das Spiel von heute."

Wegen dieser Philosophie blicke er auch nicht auf die Resultate des vergangenen Jahres zurück, einzig und allein die Gegenwart zählt. "Mich interessiert nur, was wir tun müssen, um im Rennsport erfolgreich zu sein." Die lange Historie der Marke Mercedes-Benz schätze der 41-Jährige sehr wohl, "aber die Rennergebnisse der Vergangenheit, die helfen heute nicht, besser zu werden." Die schnelllebige Zeit sei schuld daran, dass vergangene Erfolge in den Hintergrund gedrängt werden müssen, um weiter - oder wieder - Erfolge zu feiern. "Deswegen geht es einfach immer nur um den unmittelbaren Erfolg und um das Jetzt."

Dass es in dieser Saison schon deutlich besser läuft als in den vergangenen drei Jahren, ist eine große Erleichterung für Wolff. "Wenn es schlecht gelaufen wäre, hätte ich besonders viel damit zu tun, wenn es so läuft wie jetzt, kommen auch die Kritiker auf mit der Frage: Was hat denn der Wolff mit der Sache zu tun?", erklärt er seine schwierige Situation. Neben guten Fahrern, Ingenieuren, einem guten Motor sowie einem guten Chassis bedarf es in der Formel 1 einer weiteren Zutat, um erfolgreich zu sein: einem guten Management, wie Wolff meint.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Haug leitet der Wiener die Geschicke des Rennstalls vom Teamstandort in England aus. "Dass Mercedes den Motorsportverantwortlichen nach Brackley geschickt hat, war eine Verpflichtung auch Brackley gegenüber. Es zeigt den Spirit. Darauf liegt im Moment unser Hauptaugenmerk", spielt er auf seine Aussage an, wonach Mitarbeiter das Team verlassen könnten, die jenen Spirit nicht in sich tragen. Seine Erfahrung, die er bereits bei Williams in England sammeln konnte, habe ihm bei der Eingewöhnung sehr geholfen.

"Es ist nun einmal eine andere Mentalität. England ist das Mutterland des Motorsports, darauf sind sie ebenso stolz wie auf ihr Knowhow." Die größten Unterschiede würden in der Unternehmenskultur und in der Ausdrucksweise liegen. Neben der präziseren Businesssprache bringt Wolff noch ein Beispiel: "Ein Engländer ist außerdem viel diplomatischer, er würde einem nie mit dem Hintern ins Gesicht springen. Wenn wir etwas nicht gut finden, dann sagen wir: So machen wir das nicht. Der Engländer würde sagen: That is interesting, was nichts anderes heißt als totaler Schwachsinn."

Eine Baustelle, an der Wolff noch arbeiten will und muss, ist die Entwicklungsarbeit, die über das Jahr geschieht. In den vergangenen Jahren startete Mercedes solide bis gut in die Saisons, über den Saisonverlauf mussten die Stuttgarter jedoch federn lassen. Der Wiener kündigt Verbesserungen an. "In den vergangenen Jahren war unsere Entwicklungsgeschwindigkeit nicht so hoch wie die der anderen Teams. Das ist etwas, auf dem ich meinen Finger draufhabe."