2022 der erste Porsche-Sieger in der DTM, 2023 der erste Meister in einem 911er: Thomas Preining hat innerhalb von nur zwei Jahren in der deutschen Traditionsrennserie einen Meilenstein nach dem anderen gesetzt. Ebenso hatte der 25-Jährige den Löwenanteil daran, dass der Meuspather Rennstall Manthey seine erste Teammeisterschaft in der DTM gewann und Porsche obendrein in der Markenwertung triumphierte.

Der entscheidende Stich zum Titelgewinn glich einem Abbild von Preinings Saison: Mit beeindruckender Nervenstärke fuhr er beim Saisonfinale in Hockenheim am Sonntagmorgen im packenden Qualifying auf die Pole Position und sackte die Meisterschaft dank der Extrapunkte vorzeitig ein. Dieses Kunststück war zuvor noch keinem anderen Fahrer in der über 30-jährigen Geschichte der DTM gelungen.

Sechs Tausendstelsekunden entscheiden DTM-Meisterschaft

Sechs Tausendstelsekunden - gerade so ein Wimpernschlag - brachten die Entscheidung. Ausgerechnet Preinings ärgster Titelrivale, der ultra-erfahrene Lamborghini-Star Mirko Bortolotti, führte die Zeitenliste im letzten Qualifying nach einer Bombenrunde an und kämpfte weiter wie ein Stier gegen die sich anbahnende Titelniederlage.

Preining gelang im letzten Moment der Konter mit der schnellsten Runde des Wochenendes, die ihn vor Bortolotti bugsierte und gleichzeitig zum DTM-Meister 2023 krönte. Dass der Österreicher auf dem Hockenheimring auch noch das letzte Saisonrennen gewann und seinen zweiten Sieg im Motodrom feierte, setzte dem Ganzen die Krone auf. "An den Moment werde ich mich mein ganzes Leben erinnern. Die DTM ist für mich das Allergrößte", drückte sich der gebürtige Linzer in Superlativen aus.

DTM-Finale Hockenheim: Die Renn-Highlights im Video (05:41 Min.)

Preining und Manthey: Meisterliches Paket

Dass Preining in seinem ersten DTM-Jahr mit dem langjährigen Porsche-Werksteam Manthey zu den Titelkandidaten zählen würde, war keine Überraschung. Schon 2022 reiste er mit Meisterschaftschancen zum Hockenheim-Finale, erlebte nach einem schweren Unfall aber den vorzeitigen, technischen K.o. Dennoch hinterließ der Porsche-Werksfahrer, der bei seinem DTM-Debüt für das Ein-Wagen-Team von Porsche-Ikone Timo Bernhard an den Start ging, einen bleibenden Eindruck.

Der Wechsel zu Manthey, das nach dem WEC-Abschied ein neues Betätigungsfeld im Motorsport suchte und in der DTM fand, brachte schließlich das meisterliche Gesamtpaket. Dass Preining gleich auf den weltberühmten Grello-Porsche 'losgelassen' wurde, zeugte ebenso vom Vertrauen der Meuspather in sein großes Potenzial. Den Anstoß zu dieser Wahl lieferte der langjährige Manthey-Ingenieur Patrick Arkenau. Manthey-Geschäftsführer Nicki Raeder sagte gegenüber Motorsport-Magazin.com dazu: "Der war überzeugt davon und konnte uns alle auch überzeugen."

Manthey-Porsche gewinnt die DTM-Teammeisterschaft 2023 beim Saisonfinale in Hockenheim
Manthey-Porsche gewinnt seine erste Team-Meisterschaft in der DTM, Foto: Gruppe C GmbH

Grello-Porsche: "Dieses Auto sorgt für Druck"

Die Entscheidung, überhaupt einen Porsche 911 GT3 R im Grello-Design beim DTM-Debüt einzusetzen, war mit einem gewissen Risiko beziehungsweise Erfolgsdruck verbunden. Die 'G-Frage' wurde selbst bei Porsche, das 51 Prozent an Manthey hält, eifrig intern diskutiert.

"Dieses Auto sorgt für Druck, auch bei Werksfahrern", wusste Nicki Raeder. Den bekam auch Preining bei seinem Manthey-Debüt 2022 bei einem NLS-Rennen auf dem Nürburgring zu spüren. Raeder: "Als er letztes Jahr zum ersten Mal den Grello auf der Nordschleife gefahren ist, war er nervös und hatte sehr viel Respekt. Dieser Respekt ist fast in eine Unsicherheit umgeschlagen. Weil dieses Auto einfach ein Statement ist und so viele Leute drauf schauen, herrscht Druck bei den Fahrern. Das hat Tommy gelernt über die Saison."

Thomas Preining liegt im Porsche in Führung
Doppelsieg in Hockenheim: Thomas Preining im Manthey-Grello, Foto: DTM

Thomas Preining: Steiniger Karriereweg

Dass Preining mit Drucksituationen durchaus umzugehen weiß, hatte er in seiner Laufbahn schon einige Male bewiesen. Etwa 2015, als seine Debütsaison in der damaligen ADAC Formel 4 mit Mücke Motorsport nach nur zwei Rennwochenenden vorzeitig endete, weil ihm ein wichtiger Sponsor weggebrochen war. Die österreichische Lechner-Familie um den im Dezember 2020 verstorbenen Walter Lechner Senior gab Preining in der Formel-Nachwuchsserie eine zweite Chance, und der zahlte das Vertrauen mit zwei Siegen und dem vierten Gesamtplatz hinter Joey Mawson, Mick Schumacher und Mike David Ortmann voll zurück.

Im Herbst jenes Jahres setzte sich Preining bei einem Porsche-Sichtungslehrgang unter mehr als 100 Bewerbern durch und wurde für die Jahre 2017 und 2018 zum Porsche-Junior ernannt. Seine erste Saison im Porsche Carrera Cup Deutschland lief mit Gesamtplatz sieben - von Junioren wird eigentlich mehr erwartet - nicht nach Plan. Im Folgejahr, jetzt wieder mit den Lechners, widerstand Preining dem Erwartungsdruck und fuhr mit zehn Siegen aus 14 Rennen zur Meisterschaft im Porsche-Markenpokal.

Thomas Preining feiert mit seiner Freundin Olivia den Sieg und DTM-Titel
Thomas Preining mit Freundin Oliwia, Foto: DTM

Olaf Manthey: "Es hat an einer gewissen Rennintelligenz gemangelt"

Ein waches Auge auf Preinings Werdegang mit Porsche warf schon zu dieser Zeit Olaf Manthey. Der Gründer des gleichnamigen Unternehmens und heutige Berater verfolgte den aufstrebenden Porsche Young Professional (2019), der 2021 zum vollwertigen Werksfahrer aufstieg, ganz genau. Manthey, selbst langjähriger Rennfahrer und DTM-Vizemeister in den Jahren 1984 sowie 1985, gilt seit jeher als Mann der klaren Worte - und machte bei Preining keine Ausnahme.

"Was ihn besonders ausgezeichnet, war die Veränderung, die er durchgemacht hat", sagte Manthey in Hockenheim zu Motorsport-Magazin.com. "Es hat ihm zuvor an einer gewissen Rennintelligenz gemangelt. Wenn jemand von hinten drückte, dann blockte und blockte er. Und im Prinzip wusste er, dass er den nicht halten kann. Dann gehört Rennintelligenz dazu, den anderen vorbeizulassen, sich dranzuhängen und von den nachfolgenden Autos wegzufahren. Dann kann ich mir für die letzten drei, vier Runden immer noch etwas überlegen, wenn ich die Möglichkeit bekomme."

Manthey weiter: "Ich habe lange mit Thomas darüber gesprochen. Ich muss ganz klar sagen, dass er dieses Jahr eine tolle Entwicklung genommen hat. Vor allem die innere Stärke zu haben, nicht durchzudrehen, das hat er wirklich toll hinbekommen. Ich bin sehr stolz auf ihn. Ebenso auf Dennis Olsen, der uns schon etwas länger kennt und sich ebenso weiterentwickelt hat. Ich bin stolz auf beide. Nicht wegen der Ergebnisse, sondern wegen der Weiterentwicklung, die sie durchlaufen haben."

Champion Thomas Preining mit dem DTM-Pokal
Größter Erfolg in Preinings-Karriere: DTM-Titelgewinn 2023, Foto: DTM

Preinings Weg zum DTM-Titelgewinn 2023

Die Resultate auf dem Weg zum DTM-Titeltriumph konnten sich ebenso sehen lassen: Preining und der Meisterschafts-Dritte Ricardo Feller waren die einzigen Fahrer im Starterfeld der knapp 30 Autos, die in jedem der 16 Saisonrennen punkten konnten. 246 waren es bei Preining an der Zahl, 33 mehr als Vizemeister Bortolotti. Drei Siege, insgesamt acht Podestplätze, drei Pole Positions und zwei schnellste Rennrunden waren die Zutaten für den größten Erfolg in Preinings bisheriger Karriere.

Mit einem zweiten Platz im vierten Rennen des Jahres übernahm er im niederländischen Zandvoort erstmals die Tabellenführung. Diese musste Preining auf dem Lausitzring nach dem fünften DTM-Wochenende zunächst abgeben, holte sie sich aber bei seinem Heimrennen auf dem Red Bull Ring mit einem sechsten und einem dritten Platz rechtzeitig vor dem Saisonfinale in Hockenheim wieder zurück. Auf dem badischen Grand-Prix-Kurs fuhr er mit zwei Pole Positions und zwei Laufsiegen das Maximalergebnis ein - das hatte in der GT3-Ära der DTM seit 2021 noch kein anderer Fahrer geschafft.

"Der hat einfach gesagt: 'Ich gewinne das'", erinnerte sich Manthey-Geschäftsführer Raeder an das Gespräch vor dem letzten Rennen. "Und wenn Tommy etwas sagt, dann setzt er es auch meistens um." Da dürfte es der Manthey-Truppe und Porsche gerade recht kommen, dass sich Preining für 2024 die Titelverteidigung zum Ziel gesteckt hat...