Großes Aufatmen bei BMW nach dem Doppelsieg in der Lausitz und dem ersten Triumph nach 379 Tagen und zwölf Rennen Durststrecke. Eine riskante Boxenstopp-Strategie und unerwartete Reifenverhältnisse führten Lucas Auer und Timo Glock zum Erfolg. Dabei bleibt die Frage: kann BMW aus eigener Kraft Rennen in der DTM gewinnen?

"Um durch eigene Stärke zu gewinnen, müssen wir weiter hart arbeiten, das ist offensichtlich", stellte der zweifache DTM-Champion Marco Wittmann fest. "Die Unterschiede im Qualifying sind ziemlich groß und auch in den Rennen sichtbar. Diesmal waren wir näher an den Audis dran, aber der Schlüssel zum Sieg war die Strategie."

Auf zwei bis vier Zehntelsekunden schätzte Podestfahrer Glock den Rückstand zu den dominanten Audi RS 5 ein. "Wir haben ein Defizit zu Audi", meinte der langjährige BMW-Werkspilot. "Vielleicht liegt es am Motor, die haben im Qualifying einfach mehr Topspeed als wir. Sie können vier, fünf Autos vorne reinstellen und uns das Leben schwer machen."

Eine korrekte Feststellung mit Blick auf die Statistik: Audi erzielte in jedem der bisherigen sechs Qualifyings mindestens die ersten drei Plätze. So auch am Sonntag in der Lausitz mit den dominant auftretenden Robin Frijns, Nico Müller und Rene Rast. Glück für BMW: das Audi-Trio fokussierte sich mehr auf den Titelkampf und hatte die Münchner im Rennen nicht auf der Rechnung.

Reifen-Cliff und DRS-Train

Statt auf die frühen Boxenstopps von Glock und Auer in Runde 10 zu reagieren, drehten Frijns, Rast und Müller weiter fleißig ihre Runden an der Spitze in der Annahme, dass der BMW-Konkurrenz am Ende die Reifen ausgehen würden. Doch der berüchtigte Reifen-Cliff kam überraschenderweise nicht auf dem rund 30 Grad warmen Asphalt des Lausitzrings.

Und so sorgte der seit dieser Saison bestehende 'DRS-Train' - das neue Modewort im DTM-Fahrerlager - dafür, dass sich Auer und Glock an der Spitze mit den Überholwerkzeugen standhaft gegen die Audi-Armada zur Wehr setzen konnten. Dass Hintermann Jamie Green resolut gegen seine drängelnden Markenkollegen mit ihren wesentlich frischeren Reifen dichtmachte, half ebenfalls.

Da der Reifenverschleiß diesmal keine rennentscheidende Rolle spielte, fuhren die BMW auf Augenhöhe - in diesem Fall sind Überholmanöver hinter dem Führenden, der als Einziger weder DRS noch Push-to-Pass nutzen darf, kaum durchführbar.

DTM 2020 Lausitzring, Rennen 2: Zusammenfassung und Highlights (04:00 Min.)

Glock: Balance-Probleme bei Audi

"Hier hatten die Audis mehr Probleme mit der Balance", meinte Glock nach seinem 15. Podestplatz in der DTM. "Als ich hinter ihnen fuhr, habe ich gesehen, dass alle vier Probleme mit der Stabilität des Hecks hatten. Dadurch mussten sie die Reifen etwas stärker nutzen. Das kann sich aber von Strecke zu Strecke ändern."

Das 4,570 Kilometer lange Streckenlayout mit wenigen Geraden - absoluter Überhol-Hotspot in allen vier Lausitz-Rennen war der Eingang zu Kurve 1 - und vermehrt langsamen bis mittelschnellen Kurven dürfte BMW ebenfalls in die Karten gespielt haben.

Green: Traktion ist BMW-Stärke

Audi-Routinier Green, der ebenfalls auf einen frühen Boxenstopp in Runde 11 setzte und den dritten Platz im letzten Moment an Audi-Markenkollege Robin Frijns verlor: "Eine der Stärken von BMW ist die Traktion. Das war hier wichtig, vor allem bei den Long Runs. Deshalb war es schwierig für mich, am Ende zu überholen."

In zwei Wochen gastiert die DTM auf dem Highspeed-Kurs Assen - ein in der Vergangenheit schwieriger Kurs für BMW. Wittmann gelang es 2019 bei trockenen Verhältnissen als einzigem M4-Fahrer, gegen Audi zu bestehen und nach dem Regen-Sieg einen weiteren Podestplatz folgen zu lassen. "Da spielt der Topspeed eine wichtige Rolle und es könnte eine weitere Strecke sein, auf der Audi schneller ist", vermutete Glock.

DTM 2020: Fahrer-Wertung Top-5

PositionFahrerHerstellerPunkte
1Nico MüllerAudi133
2Rene RastAudi97
3Robin FrijnsAudi92
4Timo GlockBMW52
5Jamie GreenAudi47

Wichtiger Sieg für die BMW-Moral

BMW konnte seit dem Totalausfall beim Saisonauftakt in Spa-Francorchamps etwas Boden auf Audi gutmachen, doch die Crux bleibt die fehlende Performance im Qualifying. Auf Strategie-Nachlässigkeiten wie auf dem Lausitzring können die Münchner künftig wohl nicht mehr hoffen. "Wir müssen weiter vorne starten, damit wir Druck auf die Audis ausüben können", forderte BMW-Juwel Sheldon van der Linde." Das können wir aktuell nicht und deshalb holen sie meist die dicken Punkte."

Risiko-Strategie hin oder her: der erste BMW-Sieg nach mehr als einem Jahr hat der Werksmannschaft einen Motivationsschub verliehen, wie Aushängeschild Wittmann bestätigte: "Das war wichtig. Wenn du ständig hinter vier, fünf Audis fährst, ist das nicht gut für die Stimmung."