Am Samstagvormittag nach dem regnerischen Qualifying in Hockenheim war die Freude bei allen Beteiligten der DTM erst einmal groß: Mit Paul Di Resta schaffte es tatsächlich ein Fahrer von Neueinsteiger R-Motorsport in die Top-3 der Startaufstellung. Audi, BMW und Aston Martin unter den ersten Drei - so sollte es im Idealfall sein in der Tourenwagenserie mit ihren neuen Turbo-Rennwagen.

Wie das Kräfteverhältnis beim Saisonauftakt tatsächlich aussah, zeigte sich genau 24 Stunden später. Bei kühlen, aber trockenen Bedingungen tat sich das Quartett von R-Motorsport schwer im Qualifying. Daniel Juncadella, Di Resta, Jake Dennis und Ferdinand Habsburg belegten drei der vier letzten Plätze in der Startaufstellung. Juncadellas Rückstand auf Pole-Setter Philipp Eng mit dessen Rekordrunde betrug 1,3 Sekunden.

"Heute hat sich erstmals gezeigt, wo wir mit unseren Autos stehen", sagte der erfahrene Di Resta, dem mit einer Zwei-Stopp-Strategie im Rennen ein respektabler siebter Platz gelang. "Unsere Performance war ein gutes Stück hinter Audi und BMW, das hatten wir erwartet." Dennis und Habsburg belegten mit einem Respektabstand die Plätze 11 und 13, Juncadella fiel kurz vor Schluss wegen eines technischen Problems aus.

Keine Wunder erwartet

Dass R-Motorsport nach dem großen Kraftakt, schon in Hockenheim mit allen vier Autos anzutreten, keine Wunder vollbringen würde, war so ziemlich jedem Experten bewusst. Zu kurz war die Entwicklungszeit des Projekts, das ursprünglich einmal für 2020 geplant gewesen war. Selbst mit der Erfahrung von HWA, dem erfolgreichsten Team in der Geschichte der DTM, war der Rückstand deutlich.

Nicht ohne Grund hatte Teamchef Dr. Florian Kamelger im Vorfeld des Rennwochenendes darauf hingewiesen, dass Hockenheim nur einen kleinen Teil des Gesamtbildes ausmache. Viel wichtiger als die neun Punkte in Hockenheim (1 für Di Restas P3 im Qualifying, 2 für Juncadellas P9 am Samstag, 6 für Di Resta am Sonntag) war die Tatsache, dass die Aston Martin viel zuverlässiger liefen als es viele befürchtet hatten.

DTM Hockenheim: Rennen 2 in der Zusammenfassung (03:18 Min.)

Daumen rauf vom Aston-Martin-Boss

Und so fiel das erste Fazit von Kamelger größtenteils positiv aus: "Ganz, ganz wenige haben uns so erwartet, wie wir gekommen sind und wie wir es gemacht haben. Unsere Erwartungen sind erfüllt. Es gibt nicht mehr, was man sich hätte wünschen sollen." Einen Daumen nach oben gab es auch von Aston Martin CEO Andy Palmer, der das Rennwochenende vor Ort verfolgte und sich über Di Restas erste Führungskilometer freute.

Dass der Schotte am Sonntag trotz mutiger Boxenstopp-Strategie - er legte seinen Reifenwechsel als Einziger vor dem Beginn der Safety-Car-Phase ein - nicht gewinnen würde, war klar. Viel zu groß war der Performance-Verlust durch den gewünschten Verschleiß der Reifen von Exklusivausstatter Hankook. "Der zweite Stopp war richtig, um die Punkte zu sichern", erklärte Di Resta. "Wir hätten es riskieren können, durchzufahren, aber selbst mit frischen Reifen hätte mir die Pace gefehlt."

Kamelger zur Strategie-Entscheidung: "Was wir gemacht haben, war die bessere Option. Von einem Sieg konnten wir nicht träumen, aber die Führungskilometer haben Spaß gemacht." Spaß haben dürften nun auch die Ingenieure und Strategen mit den immens wertvollen Daten, die R-Motorsport in Hockenheim sammeln konnte. Dadurch dürften sich beim nächsten Rennen in Zolder in zwei Wochen schon einige Abläufe verbessern.

Debüt geschafft: R-Motorsport beim DTM-Auftakt in Hockenheim, Foto: DTM
Debüt geschafft: R-Motorsport beim DTM-Auftakt in Hockenheim, Foto: DTM

Kamelger: Wir sind im Base Camp

"Wir wissen, wie groß der Berg ist, den es zu erklimmen gilt", sagte Kamelger. "Wir sind noch nicht weit oben, sind erst im Base Camp. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Das Team ist happy, weil sie sehen, dass die Autos funktionieren, das bringt Stolz und Motivation."

So sah es auch Rookie Ferdinand Habsburg nach seinem ersten DTM-Wochenende. Der junge Österreicher fiel im Regen-Rennen am Samstag bereits nach der ersten Runde wegen eines technischen Problems aus, konnte dafür aber den Sonntagslauf über die volle Distanz absolvieren.

"Ich bin sehr zufrieden", sagte Habsburg. "Alles, was weiter vorne gewesen wäre, wäre eine Überraschung gewesen. Die hätte ich gerne gehabt, aber man muss realistisch bleiben. Es war mein erstes Wochenende und wir haben nicht das stärkste Auto."

Über eine Sekunde Rückstand

Es wird interessant sein zu beobachten, mit welcher Schlagrate sich R-Motorsport in den kommenden Rennen weiterentwickeln kann. Die Probleme mit den neuen Autos hielten sich in Grenzen, waren aber vorhanden. Kamelger: "Es gilt immer noch viele Kleinigkeiten zu verbessern, Schnittstellen und Kommunikationswege zu optimieren."

Wie perspektivisch R-Motorsport das Abenteuer DTM in Angriff nimmt, untermauerte Di Resta. Er schätzte den Rückstand auf Audi und BMW auf rund 1 bis 1,2 Sekunden ein. "Die haben ziemlich starke Ressourcen, während wir vergleichsweise klein sind", sagte er. "Am Ende des Jahres werden wir immer noch hinten sein. Aber über den Winter werden wir versuchen, die Lücke zu schließen."