Sensation gelungen: Rene Rast gewann in seiner Rookie-Saison auf Anhieb die Meisterschaft in der DTM. Ein echtes Kunststück, wie ein Blick in die Geschichte der Tourenwagenserie zeigt. Der letzte Titelsieg eines DTM-Rookies liegt 24 Jahre zurück, zuletzt schaffte das Nicola Larini. Rast ist erst der siebte Fahrer in der Geschichte der DTM, den in der Rookie-Saison den Titel einfuhr. Motorsport-Magazin.com erklärt, was Rast so stark machte.

Faktor 1 - Qualifying

Rene Rast entpuppte sich als Qualifying-Monster der DTM. Der Mindener profitierte am meisten von der neuen Punkte-Regelung und sammelte im Laufe der Saison 17 Meisterschafts-Zähler - die meisten aller Fahrer im Feld. Allein diese Punkte sind so viel wert wie ein Podestplatz und hatten entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Meisterschaft. Rast fuhr in den 18 Qualifyings 8 Mal unter die besten Drei. Die zweitmeisten Quali-Punkte erzielte Vorjahres-Meister Marco Wittmann (15). Jamie Green holte 11 Zähler in den Qualifyings und war damit dritterfolgreichster Qualifying-Pilot in der DTM 2017.

"Rene ist ein völlig verdienter Meister", sagt Vorgänger Wittmann." Er hat im Quali immer abgeliefert. Wenn man vorne steht, ist es immer einfacher, Punkte zu sammeln." Nicht nur der pure Speed und das beste Auto im Feld halfen Rast dabei, sondern auch der Umgang mit den Reifen. Viele Fahrer - auch in Kombination mit ihren Autos - taten sich schwer, auf der Zeitenjagd das richtige Arbeitsfenster zu treffen. "Das hat im Qualifying geholfen", bestätigt Rast. "Wir bei Rosberg hatten unsere eigene Strategie, wie wir die Reifen ins Temperaturfenster bringen. Das hat immer wieder funktioniert."

Faktor 2 - Reifen-Management

Der Umgang mit den neuen Hankook-Reifen war entscheidend in dieser Saison - und nicht zuletzt ein gewichtiger Grund für die leidige Erfolgsballast-Saga 2017. Der erhöhte Verschleiß der Reifen war von der ITR gewollt, um mehr Spannung in die Rennen zu bringen. Rast zeigte sich wie seine Audi-Kollegen Mattias Ekström und Mike Rockenfeller als Reifen-Spezialist. Immer wieder gelang es ihm, die Reifen über lange Distanz am Leben zu erhalten, um sich so einen Vorteil in den Rennen zu verschaffen.

Neben dem schnelleren Abbau war auch das Verbot der Heizdecken ein wichtiger Faktor. Rast war extrem gut darin, nach einem Boxenstopp schnelle Outlaps zu fahren. Ein Beispiel aus dem Sonntagsrennen in Hockenheim: Er bog gemeinsam mit dem Folgenden Rockenfeller zu seinem Stopp in die Boxengasse ein. Während Rast eine Runde später auf Platz fünf lag, war Rockenfeller Zehnter. In den Outlaps konnten die Fahrer 2017 enorm viel Zeit liegen lassen. Oder sogar das Auto wegwerfen, wenn sie zu sehr mit den kalten Reifen pushten...

Rast zu seinem Geheimnis: "In der Vergangenheit war ich es gewohnt, mit kalten Reifen ins Rennen zu gehen. In allen Rennen im Carrera Cup, Supercup und auch anderen Serien bin ich mit kalten Reifen aus der Box gefahren. Natürlich kann das ein Schlüssel zum Erfolg gewesen sein, dass ich da ein bisschen mehr Erfahrung hatte als die anderen."

Rene Rast holte den DTM-Titel für das Audi-Team Rosberg, Foto: DTM
Rene Rast holte den DTM-Titel für das Audi-Team Rosberg, Foto: DTM

Faktor 3 - Coolness

"Der ist für mich eigentlich kein Rookie", witzelte Marco Wittmann nach dem Saisonfinale über Rast. Und hatte Recht damit. Mit seinen 30 Jahren und seiner Motorsport-Erfahrung - vor 14 Jahren begann er in der Formel BMW seine Automobilkarriere - kann von einem Youngster keine Rede sein. Und Finale fahren kann Rast sowieso: 2008 gewann er den Carrera Cup, 2010, 2011 und 2012 dreimal in Folge den Porsche Supercup und zuletzt 2014 das ADAC GT Masters.

"Nervös war ich nicht wirklich", sagte Rast, der die Meisterschaft mit drei Punkten Vorsprung vor Mattias Ekström gewann. "Es gab Meisterschaften, bei denen ich nervöser war. In der Situation war ich schon oft. Ich bin das ganze Wochenende extrem abgeklärt angegangen und habe mir keinen Druck gemacht. Auch das war ein Schlüssel zum Erfolg." Die Coolness bewies Rast in beiden Hockenheim-Qualifyings, wo er mit den Startplätzen vier und zwei den Grundstein für die späteren Punkte legte.

Rasts Coolness wurde im letzten Rennen sogar arg auf die Probe gestellt. Kurz nach dem Start machte sich die Display-Anzeige für Kupplung und Gas im Auto selbstständig und baumelte plötzlich vor seiner Nase herum. Rast riss das Teil ab, doch das allein reichte nicht. "Das Kabel ist vor mir im Blickfeld rumgebammelt, aber das konnte ich irgendwann ignorieren, beschrieb er die kuriose Situation.

Rast setzte sich beim DTM-Finale gegen drei Audi-Kollegen durch, Foto: DTM
Rast setzte sich beim DTM-Finale gegen drei Audi-Kollegen durch, Foto: DTM

Faktor 4 - Demut

Fun Fact: Kurz vor dem Saisonbeginn sollte jeder Fahrer seinen Meister-Tipp auf einen Zettel schreiben. Wie Audi-Motorsportchef Dieter Gass nun verriet, war Rast der einzige, der nicht seinen eigenen Namen eingetragen hatte. Mit dem Titelgewinn in der Rookie-Saison hätte er niemals gerechnet. Nicht einmal, nachdem er sein erstes DTM-Rennen in Ungarn gewonnen hatte. Auch später tat er sich schwer mit der zwischenzeitlichen Favoritenrolle, etwa nach dem Gewinn der inoffiziellen Herbst-Meisterschaft.

"Mir gefällt der Rast", sagte DTM-Boss Gerhard Berger am Sonntagmorgen. "Der kommt so unscheinbar daher, fährt so saubere Rennen und ist nie groß verwickelt in irgendwas." Im Moment seines größten Erfolgs im Motorsport vergaß Rast auch nicht seinen Rosberg-Teamkollegen Jamie Green, den wohl größten Pechvogel der Saison. Rast: "Jamie ist einer der besten Fahrer in der DTM und ich habe viel von ihm gelernt. Das hat auch dazu beigetragen, dass wir beide so gut waren in den Qualifyings."

Platz 2 am Sonntag in Hockenheim reichte Rene Rast zum Titelgewinn, Foto: LAT Images
Platz 2 am Sonntag in Hockenheim reichte Rene Rast zum Titelgewinn, Foto: LAT Images

Faktor 5 - Genugtuung?

War der überraschende Titelgewinn auch ein Stück weit Genugtuung für Rast? Schon so oft hatte er an der Tür zur DTM geklopft, doch immer wieder war sie ihm vor der Nase zugeschlagen worden. Insgesamt viermal war er bei Sichtungslehrgängen dabei, feierte Erfolge in allen möglichen Kategorien - und wurde doch nie für die DTM verpflichtet.

Rast selbst wollte nicht von Genugtuung sprechen. Er sagte nur: "Ich wollte immer in der DTM fahren, aber jahrelang wurde es mir verwehrt. Das volle Potenzial kann man bei so einem Sichtungslehrgang aber auch nicht sehen. Da kann man niemandem einen Vorwurf machen, dass ich den Schritt nicht früher machen konnte. Vielleicht bin ich aber auch als Fahrer gereift. Vielleicht war ich vor fünf Jahren noch nicht der, der ich jetzt bin. Aber besser spät, als nie."

Faktor 6 - Sim Racing

Rene Rast ist schon seit Jahren leidenschaftlicher Online-Zocker - und das auf sehr hohem Niveau. Was nur wenige Profi-Rennfahrer machen, könnte Rast geholfen haben, sich ein wenig schneller an die DTM zu gewöhnen. Zumindest behielt er sein Ritual auch in dieser Saison bei. "Sim-Racing ist für mich eine große Hilfe vor jedem Rennen", sagte er. "Das ist eine gute Möglichkeit für mich, mich optimal auf jedes Rennen vorzubereiten. Das mache ich schon meine ganze Karriere."

Derlei Trainings können jedenfalls nicht schaden - vor allem nicht in der DTM. Testfahrten sind extrem limitiert und über den Winter leisteten Mattias Ekström und Jamie Green die meiste Entwicklungsarbeit im Cockpit. Die mangelnde Testzeit ist einer der Gründe, warum sich DTM-Rookies in der Vergangenheit häufig schwer taten. Da kommt natürlich jede Hilfe recht.