Die deutsche Motorsport-Szene betrachtet die Entwicklung des Rennsports auf der Nürburgring-Nordschleife weiter mit großer Sorge. Mit der NLS (Nürburgring Langstrecken-Serie) sowie der neugeschaffenen NES (Nürburgring Endurance Serie) treten 2024 zwei konkurrierende Serien mit unterschiedlichen Interessen an und buhlen um die gleichen Teilnehmer. Experten sind sich einig: Gerade in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Lage kommt dieses Duell zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Der Deutsche Motorsport Bund (DMSB) als oberste nationale Motorsportbehörde will sich laut eigenen Angaben nicht in diese Kontroverse einmischen und beruft sich auf seine in der Satzung festgelegte Neutralität, hebt in Form des DMSB-Präsidenten Wolfgang Wagner-Sachs jetzt aber in der Öffentlichkeit zumindest den Zeigefinger.

DMSB-Präsident: "Kein Platz für Konkurrenzdenken und Machtspiele"

"Die echten Herausforderungen für den Motorsport durch äußere Faktoren sind groß genug", wird Wagner-Sachs in einer DMSB-Pressemitteilung am Montag dieser Woche zitiert. "Da sollten die Motorsportveranstalter zusammenstehen, statt sich gegenseitig Starter, Sponsoren und Rennstreckentermine streitig zu machen. Für Konkurrenzdenken und Machtspiele untereinander ist im deutschen Motorsport des Jahres 2024 kein Platz. Wir brauchen viel mehr einen Schulterschluss."

Von einem erhofften "Schulterschluss" ist seit Monaten und nach diversen Gerichtsverhandlungen allerdings nichts zu spüren. Während die mittel- bis langfristige Zukunft rund um die berühmteste Rennstrecke der Welt vage bleibt, stehen zumindest die Renntermine für 2024 - nach einigen Querelen und Gerichtsbeschlüssen - inzwischen fest.

NES: Erstes Saisonrennen nicht auf der Nordschleife

In knapp zwei Wochen, am Freitag, 22. und Samstag 23. März, macht die neue NES den Anfang mit der Langstrecken-Saison am Nürburgring. Für Außenstehende sicherlich kurios anmutend: An jenem Wochenende wird tatsächlich kein Langstrecken-Rennen auf der Nordschleife, sondern stattdessen zwei Sprint-Rennen ausschließlich auf der Grand-Prix-Strecke am Samstag ausgetragen. Die Nordschleife soll nur am Freitag bei Test- und Einstellfahrten befahren werden.

Dabei handele es sich um eine einmalige Angelegenheit, versicherte der frühere VLN (NLS)- und heutige NES-Geschäftsführer, Ralph-Gerald Schlüter, und verwies angesichts der vielen Neuerungen der Rennserie sowie der Kurzfristigkeit unter anderem auf den "Sicherheitsaspekt". Ab dem zweiten von insgesamt sechs NES-Läufen in diesem Jahr soll die Nordschleife als Teil der Rennstrecke einbezogen werden.

Nordschleife: Langstrecken-Saison endet Mitte November

Die NLS unter VLN-Geschäftsführer Mike Jäger beginnt ihre Saison am 06. und 07. April gleich mit einem Double-Header auf der Nürburgring-Nordschleife. Nur eine Woche später stehen die 24h Nürburgring Qualifiers an, die erstmals zur NLS-Wertung zählen. Nach einem weiteren NES-Lauf (04. Mai) wartet dann das eigentliche Highlight des Jahres, das 24h-Rennen Nürburgring (01.-02. Juni 2024) mit dem ADAC Nordrhein als Veranstalter.

Es folgen vier weitere NES-Rennen inklusive eines Double-Headers sowie vier weitere NLS-Rennen. Die jeweiligen Saisonfinals steigen spät im Jahr am 09. November (NES) sowie am 16. November (NLS).

DSK-Präsident: "Sehen Sport wirklich in großer Gefahr"

Während sich DMSB-Präsident Wagner-Sachs möglichst diplomatisch gab, wurde DSK-Präsident Karl-Friedrich Ziegahn in einer eigenen Pressemittelung, ebenfalls am Montag versendet, deutlicher: "Was rund um den Langstreckensport auf der Nürburgring-Nordschleife passiert, ist absolut unnötig. Der Motorsport im Allgemeinen hat in der aktuellen Zeit schon genug zu kämpfen, da ist es nicht von Vorteil, wenn die Protagonisten innerhalb der Szene vom Wettbewerb zur Auseinandersetzung übergegangen sind, die am Ende dem Sport nur schadet."

Auch der DSK (Deutscher Sportfahrer Kreis e.V.) mit seinen fast 13.000 Mitgliedern positionierte sich im Streit zwischen NLS und NES als "im Prinzip neutral", aber laut Zieghahn sei "nun jedoch ein Punkt erreicht, an dem wir als DSK den Zeigefinger heben müssen, denn wir sehen den Sport aktuell wirklich in großer Gefahr, daher haben wir mehrfach angeboten zu vermitteln. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten auf Augenhöhe und am Ende im Sinne des Sports miteinander agieren; hier sind wir uns auch mit dem DMSB einig".