Franco Morbidelli ist bei seinen Fahrerkollegen nicht immer beliebt. Der Italiener hat sich den Ruf eines Strecken-Bummlers erarbeitet und erhielt aufgrund von Behinderungen anderer Piloten schon mehrfach Startplatzstrafen. Der Vizemeister von 2020 sieht aber nicht nur eigenes Fehlverhalten. Für ihn ist der respektvolle Umgang der Fahrer miteinander auf der Strecke vollkommen abhandengekommen.

Ganzes MotoGP-Wochenende mittlerweile ein Hauen und Stechen

"Ich würde sagen, dass früher der Bereich und die Momente ohne Respekt in der MotoGP vielleicht in den letzten drei Runden des Rennens waren", erinnert sich der 29-Jährige. Dass es im Kampf um den Sieg oder entscheidende Positionen wenig Platz kollegialen Umgang gibt, ist sicherlich nachvollziehbar. Es ist eine andere Entwicklung, die Morbidelli nicht verstehen kann: "Heutzutage gibt es viel mehr solcher Momente, im Prinzip während des ganzen Wochenendes. Von der ersten bis zur letzten Runde des Wochenendes."

Aleix Espargaro schlägt Franco Morbidelli gegen den Helm
Aleix Espargaro schlug Franco Morbidelli, Foto: Screenshot/MotoGP

Der kommende Pramac-Pilot ist dahingehend ein gebranntes Kind. Der Höhenpunkt war sicherlich in Katar erreicht. Im sportlich völlig irrelevanten zweiten freien Training am Samstagvormittag schlug Aleix Espargaro in einem Wutanfall dem Italiener auf den Helm. Der Aprilia-Pilot wurde hart bestraft, Morbidelli feuerte danach eine Wutrede in Richtung seines Konkurrenten. Espargaro wiederum konterte den verbalen Angriff.

Druck in der MotoGP entlädt sich an Fahrerkollegen

Selbst mit dem eigenen Teamkollegen kam Morbidelli aneinander. Im Training in Malaysia lagen die Nerven aufgrund einer Nichtigkeit blank: "Er [Fabio Quartararo] war bereits in Q2 und ich war ihm nicht im Weg, war auf dem Kerb. Aber seine Reaktion war aufbrausend." Morbidelli hatte in Kurve 9 einen Sturz gerade so vermieden und ging daraufhin weit, zunächst über das Gras und dann wieder auf den Kerb. Sein ihm folgender Yamaha-Kollege Fabio Quartararo war außer sich, wohlgemerkt an einem Freitag.

Franco Morbidelli vor Yamaha-Teamkollege Fabio Quartararo
Auch mit Teamkollege Fabio Quartararo geriet Morbidelli aneinander, Foto: LAT Images

Für Morbidelli ist der Vorfall ein weiterer Beweis einer aufgeheizten MotoGP: "Es zeigt, wie viel Druck da ist und es gibt keinen Respekt mehr für deine Konkurrenten. Das Motto ist: Dein Konkurrent ist dein Feind." Sicherlich hat dies auch mit dem neuen Format zu tun. Schon ab Freitagnachmittag stehen die Fahrer unter Druck, sich für Q2 zu qualifizieren. Der Samstag hat nurmehr das FP2, bevor es hintereinander in Qualifying und Sprint zur Sache geht. Die Anspannung entlädt sich dann auch an den Konkurrenten. Dazu kommt die enorm hohe Leistungsdichte. Mit dem Aufsetzen des Helms sind alle Hemmungen weg? Morbidelli sieht diesen Trend: "Außerhalb der Strecke ist das nicht so sehr der Fall. Da versuchen die Fahrer einen kühlen Kopf zu bewahren. Sobald es aber auf die Strecke geht, da geht es von Freitag an los."

Lösung des Problems kaum in Sicht

Doch was könnte helfen? 'Franky' sieht sich selbst nicht in der Lage, etwas zu ändern: "So läuft das Spiel. Ich mache keine Regeln, ich kann das Verhalten der Leute nicht kontrollieren. Das ist der natürliche Verlauf des Spiels und du musst mitspielen, so wie das Spiel gerade läuft." Es blieben wohl zwei Möglichkeiten. Zum einen könnten die Regelhüter strenger bei Fehlverhalten eingreifen, so wie sie es bei Espargaro taten. Doch im Allgemeinen sind die Fahrer mit den Stewards und deren Inkonstanz ohnehin unzufrieden. Mit einem Verhaltenskatalog könnte das Verhältnis nur noch komplizierter werden.

Die andere Möglichkeit wäre, dass sich die Fahrer selbst zu regulieren versuchen. Die mögliche Gründung einer Fahrergewerkschaft, in der auch das gegenseitige Verhalten diskutiert werden könnte, deutet sich zumindest mittelfristig immer mehr an. Die GPDA in der Formel 1 hat an dieser Front sicherlich einige Erfolge vorzuweisen, doch auch dort werden sogenannte 'Gentlemens Agreements' immer wieder gebrochen. Am Ende bleiben Rennfahrer eben doch Egoisten, wenn es ans Eingemachte geht. Ob dies allerdings bereits in Trainings der Fall sein muss, darf aber wohl durchaus hinterfragt werden.