Seit der Tross Europa in Richtung Asien verlassen hat, ist Jorge Martin der schnellste Mann der MotoGP. Der Spanier auf der Pramac-Ducati hat drei der letzten sechs Rennen gewonnen, stand dabei viermal auf Pole-Position und triumphierte in diesem Zeitraum bei allen Sprints, von denen es allerdings aufgrund der Absage auf Phillip Island nur fünf gab. Wieso kann der 25-Jährige plötzlich auf jeder Strecke dominieren? Einer seiner Ducati-Kollegen staunt ebenfalls und versucht, eine Antwort zu finden.

"Martin leistet fantastische Arbeit. Sein Gefühl für das Bike ist unglaublich. Jedes Mal, wenn ich mir seine Daten ansehe, dann kann er bei jeder Kurve das Bike wie auf einem Glas wenden, wie wir in Italien sagen", analysiert VR46-Pilot Luca Marini. Das sorgt beim Italiener auch manchmal für etwas Frustration: "Es ist jedes Mal hart, die Daten mit ihm zu vergleichen."

Jorge Martin führt vor Luca Marini im MotoGP-Sprint in Indonesien
Luca Marini kann nur selten mit Jorge Martin mithalten, Foto: LAT Images

Marini: Martins Balance funktioniert immer und überall

Doch wie macht Martin dies auf einmal? Zu Beginn der Saison war der Pramac-Pilot zwar durchaus schnell und fuhr Podestplätze ein, doch als ernsthafter Titelkandidat konnte er sich noch nicht etablieren. Hat er sich als Fahrer weiterentwickelt? Marini verneint dies: "Jorge fährt schon immer gleich, aber letztes Jahr war er noch nicht so fantastisch." Die Schlussfolgerung ist für den VR46-Piloten daher klar: "Es hängt also stark von der Balance des Motorrads ab. Es geht um das Vertrauen, das dir das Bike gibt und dich noch mehr pushen lässt."

"Ich glaube also, dass er einfach eine hervorragende Balance gefunden hat, und diese funktioniert auf allen Strecken sehr gut", vermutete Marini. Der WM-Zweite hat sich also nicht der Desmosedici GP23 angepasst, sondern das Setup der Ducati in sein Wunschfenster gebracht. Tatsächlich bestätigt sich Marinis Theorie auch beim Beobachten der Rennwochenenden. Egal welche Strecke, egal bei welchen Bedingungen: Martin fährt im ersten Training raus und ist sofort schnell. Titelrivale Francesco Bagnaia hingegen muss sich zumeist im Verlauf des Wochenendes an das Optimum heranarbeiten, was ihm oft erst am Sonntag nach zwei Nächten Grübeln mit seinen Ingenieuren gelingt. Martins Dominanz in den Sprints passt ebenfalls in dieses Muster. Das Kurzrennen liefert den anderen Fahrern Daten, mit denen sie dann am Sonntag auf den Spanier aufholen können.

Malaysia: Martins Rückkehr an Sturzort

Speedvorteil heißt in der MotoGP allerdings nicht unbedingt, erfolgreicher zu sein. Zuletzt erlebte Martin auch Rückschläge. In Indonesien kam er klar in Führung liegend zu Sturz, während Bagnaia gewann. In Australien wählte er den falschen Reifen. Statt einem sicheren Sieg entgegenzufahren, brach seine Soft-Mischung so stark ein, dass er in der letzten Runde von der Führung bis auf Rang Fünf durchgereicht wurde. Mit Malaysia kommt nun ein Rennen, bei dem er im Vorjahr bereits eine solche Erfahrung machen musste. Im Qualifying brannte er eine sensationelle Rekordzeit hin und führte dann im Grand Prix, bis er in Runde 6 zu Sturz kam. Auf Ergebnis zu fahren kann sich der Spanier aber auch kaum leisten, muss er doch 13 Punkte aufholen.

2022 warf Martin einen möglichen Sieg in Malaysia mit einem Sturz weg, Foto: LAT Images
2022 warf Martin einen möglichen Sieg in Malaysia mit einem Sturz weg, Foto: LAT Images