Auch wenn es für die Punkteplatzierungen am Ende keine Auswirkungen hatte, so waren die Track-Limits beim MotoGP-Sprint in Misano wieder ein großes Thema. Wer das Timing-Feed der Dorna beobachtete, der sah im Sekundentakt neue Track-Limit-Warnungen für die Fahrer aufblinken. Nicht weniger als 17 Fahrer wurden verwarnt. Während es bei einer Überschreitung zur Warnung kommt, folgt im Sprint bei drei die Longlap-Strafe. Diese mussten Franco Morbidelli, Pol Espargaro, Stefan Bradl und Joan Mir sogar in doppelter Ausführung (mehr dazu später) über sich ergehen lassen. Dazu wurde auch noch Johann Zarco für ein Vergehen in der letzten Runde um einen Platz zurückgestuft.

Schneller Linksknick und kurzer Kerb als Übeltäter

Warum kam es zu solch einem Ausmaß bei den Track-Limits? KTM-Pilot Brad Binder machte zwei Problemzonen des Misano World Circuit Marco Simoncelli aus: "In Kurve 11 auf der Gegengeraden, wenn du da aus irgendeinem Grund einen leichten Wackler hast, dann ist es sehr leicht, auf die grüne Fläche zu kommen. Und in der letzten Kurve hört der Kerb einfach auf und wird grün. Wenn der Kerb da einen halben Meter länger wäre, dann glaube ich nicht, dass wir da viele [Überschreitungen, Anm. d. Red.] gehabt hätten. Du musst in Schräglage bleiben, um den Kerb zu vermeiden. Wenn du das Bike normal aufrichten würdest, kämst du auf das Grün."

Mit dieser Analyse stand der Südafrikaner nicht allein da. Franco Morbidelli bestätigte ihn: "Ich weiß, dass ich in einer Runde in Kurve 11 rausging. Da bin ich sicher. Das war der Fehler, der mir die Longlap bescherte." Und auch Joan Mir wurde das Opfer der kritischen Kurven: "In Kurve 11 ist es im Feld schwierig mit dem Effekt des Windschattens nicht das Grün zu berühren. Ich habe es zweimal berührt. Als ich dann zwei Longlaps auf dem Display sah, da verstand ich nicht warum. Ich wusste nicht, an welchem Ort [weitere Überschreitungen waren, Anm. d. Red.]. Jetzt weiß ich, dass es die letzte Kurve war, wo ich den Kerb berührte. Der ist sehr kurz und wenn du hinter einem anderen fährst, dann siehst du das nicht."

Während in der Zielkurve also die Kürze des Kerbs verantwortlich ist, handelt es sich in Kurve 11 wohl vielmehr um die Natur des Highspeedknicks. Dieser kommt erst dadurch zustande, dass die Strecke von der MotoGP in der 'falschen' Richtung gefahren wird. Auf diese Weise entstehen einige zumachende Kurven, in denen die Bikes weit rausgetragen werden können. Besonders bei hoher Geschwindigkeit ist dieser Effekt logischerweise groß.

Fahrer fordern mehr Transparenz bei Tracklimits

Neben den Strafen bereitet den Fahrern auch Kopfschmerzen, dass sie ihre Verstöße selbst gar nicht mitbekommen. "Du weißt nicht einmal, wann du es berührst. Es ist jede Runde ein schmaler Grat und jederzeit möglich, es leicht zu berühren", betont Binder. Auch Franco Morbidelli stimmte zu: "In Österreich erhielt ich eine Track-Limit-Warnung, obwohl ich nirgendwo drübergefahren bin. Heute habe ich auch so eine Warnung erhalten und ich kann mich nicht erinnern, wo ich weitgegangen sein soll."

Franco Morbidelli vermutete gar ein fehlerhafte Track-Limit-System, Foto: LAT Images
Franco Morbidelli vermutete gar ein fehlerhafte Track-Limit-System, Foto: LAT Images

Der Yamaha-Pilot äußerte sogar die Vermutung, dass das Überwachungssystem nicht richtig funktioniert: "Es ist schon interessant. Besonders in Österreich bekam ich die Warnung und fuhr wirklich nirgendwo raus. Ich weiß nicht, wie dieser Sensor funktioniert. Vielleicht ist es einfach nur die Luftdruckwelle, die das Bike produziert oder jemand vor dir fährt wirklich drüber und du fährst danach vorbei. Ich weiß es nicht, aber es ist schon mehrfach passiert. Ich erinnere mich bei Luca [Marini]. Da sagten sie ihm, er sei auf das Grün gefahren, aber er tat es tatsächlich nicht." Auf dem Dashboard wird bei der Warnung nicht einmal angezeigt, in welcher Kurve der Verstoß passierte. Auch hier hoffte Mobidelli in Zukunft auf mehr Informationen für die Fahrer.

Mir bekommt Longlap doppelt nicht mit

Ein Mangel an Information wurde auch Joan Mir zum Verhängnis. Der Spanier musste gleich zwei Longlaps absolvieren. Die zweite kam allerdings dadurch, dass er die erste nicht rechtzeitig absolvierte. Der Weltmeister von 2020 erklärte, wie ihm dies passieren konnte: "Sie haben mir im ersten Sektor die Longlap angezeigt. Das Problem ist, dass dieser Sektor so sehr Schlag auf Schlag geht, dass du mit einem MotoGP-Bike nicht auf dein Dashboard blickst. Alles, was ich dann noch sah, war das orange Licht am Bike. Das bedeutet aber nur, dass es irgendetwas gibt. Es kann eine Warnung, Longlap oder Durchfahrtsstrafe sein. Ich wusste nicht, was es war."

Joan Mir erwischte es besonders schlimm in Sachen Track-Limits, Foto: LAT Images
Joan Mir erwischte es besonders schlimm in Sachen Track-Limits, Foto: LAT Images

Auch die zweite Methode, den Fahrer zu informieren, schlug fehl: "Auf der Start-Ziel-Geraden ist dann noch eine gelbe Anzeige. Doch ich brauchte zwei, drei Runden, um meine Startnummer darauf zu erkennen. Das erste Mal siehst du nur den Marshall, der dir etwas deutet. Das zweite Mal siehst du, dass es eine Startnummer ist, aber du erkennst nicht, ob es deine ist. Erst in der dritten Runde habe ich dann gesehen: 36 Doppel-Longlap. Also habe ich diese dann absolviert." Das Beispiel des Honda-Piloten zeigt, dass hier noch klarer Nachbesserungsbedarf für die MotoGP besteht.