Kritik an den MotoGP-Stewards zieht sich wie ein roter Faden durch die jüngste Vergangenheit der Königsklasse. Zu wenig Stringenz in den Entscheidungen der Rennkommissare und mangelnde Kommunikation mit Fahrern, Teams und dem gesamten Paddock werden regelmäßig bemängelt.

Lange Zeit fungierte Rennleiter Mike Webb auch im Stewards-Panel, dass über Strafen entscheidet. Die Doppelbelastung war aber nicht mehr zeitgemäß, also installierte die MotoGP zur Saison 2019 mit Ex-500ccm-Weltmeister Freddie Spencer einen permanenten Chef-Steward, der von zwei Kollegen unterstützt wird, die im Rotationsprinzip durchwechseln.

Stefan Bradl: Fahrer müssen wieder wichtiger werden! (22:16 Min.)

Die erhofften Verbesserungen im MotoGP-Stewarding blieben seither aber aus. Die Kritik nahm seither sogar permanent zu. Einen erneuten Höhepunkt erreichte der Ärger der Stars am Sonntag in Barcelona. Takaaki Nakagami schoss am Start von P12 nach vorne, bremste aber in Turn 1 viel zu spät und räumte dort Francesco Bagnaia sowie Alex Rins ab. Nakagami landete mit Prellungen im Gesicht im Krankenhaus, Rins zog sich einen Bruch im Handgelenk zu, Bagnaia verlor kostbare Punkte im WM-Kampf.

Ein folgenschwerer Fehler also von Nakagami, der aber ohne weitere Konsequenzen blieb. "No further action necessary", entschieden die Stewards. Keine Strafe also für den Japaner. Eine Entscheidung, der am Sonntag alle Fahrer widersprachen. "Die Stewards sind nicht auf dem Niveau der MotoGP", schäumte der verletzte Rins. "Freddie ist einfach zu alt."

Rins äußerte damit einen altbekannten Kritikpunkt. Spencer zählte zu seiner aktiven Zeit zwar du den besten Fahrern der Königsklasse. Seine Karriere endete aber bereits 1993, also vor drei Jahrzehnten. Erfahrung mit der aktuellen Motorradgeneration fehlt 'Fast Freddie' also vollkommen. Genau diese fordern die MotoGP-Stars von den Stewards ein, um die aktuell herrschenden Dynamiken im Zeitalter von komplexer Aerodynamik und Ride-Height-Devices zu verstehen.

Das bedeutet aber auch, dass ein neu besetztes Stewards-Panel vollständig oder zumindest teilweise aus erst vor kurzem zurückgetretenen Fahrern bestehen könnte. Eine Konstellation, die ihrerseits wieder gewisse Risiken birgt. Es besteht die Gefahr, dass den Jungrentnern die nötige Distanz zum Geschehen fehlt. Möglicherweise sind sie selbst noch gegen Piloten gefahren, über die sie nun urteilen müssen. Vielleicht stehen sie betroffenen Teams oder Herstellern emotional noch sehr nahe. Das nötige Maß an Objektivität zu bewahren, wäre dann extrem schwierig.

Die Probleme im MotoGP-Stewarding sind also bekannt. Vor den Verantwortlichen liegt aber eine überaus knifflige Aufgabe, wollen sie diese für die Zukunft beheben.