Valentino Rossis Ehe mit dem Petronas-Team ist zum Scheitern verurteilt. Das ist schon nach den ersten fünf Rennen absehbar. Schuld daran ist nicht in erster Linie die sportliche Leistung, sondern ein immer stärkeres Missverhältnis im Beziehungsdreieck zwischen Rossi, Yamaha und dem malaysischen Team.

Anfang des Vorjahres war noch alles in Ordnung, als Lin Jarvis Valentino Rossi darüber informierte, dass er 2021 im Werksteam keine Rolle mehr spielen wird, aber mit einem Factory-Vertrag im Kundenteam weiterfahren könne. Die Verhandlungen zogen sich allerdings in die Länge, denn die Interessen der drei Parteien waren doch nicht so einfach unter einen Hut zu bringen wie gedacht.

Valentino Rossi musste etwa zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass er sich mit Saisonende von einem Großteil seiner Crew, die ihn teilweise seit Jahrzehnten begleitet hatte, trennen musste. Denn das Petronas-Team war nicht gewillt, seine erst vor zwei Jahren aufgebaute Truppe zugunsten von Rossis alteingesessener Mannschaft vor die Tür zu setzen. So durfte Rossi nur eine Handvoll Vertrauter in sein neues Team mitnehmen.

Valentino Rossi desaströs: Die tragische Figur der MotoGP 2021 (08:59 Min.)

Petronas & Yamaha: Keine Traumehe

Wenige Wochen nach der im September erzielten Einigung wurde das Verhältnis zwischen Petronas und Yamaha arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Japaner hatten bei den Ventilen der in Jerez eingesetzten Motoren getrickst, was einen Punkteabzug nach sich zog, der die Malaysier in ihrer Hoffnung auf den Underdog-Sieg in der Team-Wertung aus allen Woken fallen ließ.

Im Winter kamen weitere Zerwürfnisse hinzu, als es Yamaha und Petronas nicht schafften, sich auf ein Upgrade für den amtierenden Vizeweltmeister Franco Morbidelli für 2021 zu einigen. Teamchef Razlan Razali sprach vor Saisonstart offen aus, dass man vom japanischen Hersteller enttäuscht sei und die Tür für andere Hersteller grundsätzlich offen stehe.

Mit Saisonbeginn wurde schnell klar, dass Valentino Rossi völlig außer Form und für Petronas somit nur von geringem sportlichem Wert war. Gegen die neuen Werkspiloten Fabio Quartararo und Maverick Vinales zog er auf identischem Material fünfmal in Folge den Kürzeren, seinen Teamkollegen Morbidelli, der auf einer im Grunde zwei Jahre alten Maschine unterwegs ist, schlug er nur aufgrund eines technischen Defekts in Katar und eines Sturzes in Le Mans. Ansonsten sah Rossi noch nicht viel Land, weshalb er 2021 auf sein erstes Top-10-Ergebnis in Petronas-Farben wartet.

Rossi: Feind im eigenen Bett

Für den malaysischen Rennstall wurde Rossi in den vergangenen Wochen sogar zum Feind im eigenen Bett. Denn mit seinem VR46-Rennstall, der ab 2022 in der MotoGP vertreten sein wird, möchte er den Malaysiern die Unterstützung von Yamaha abspenstig machen. "Wir sprechen im Moment noch mit Ducati und Yamaha. Im Moment würde ich sagen, die Chancen stehen ausgeglichen 50:50", sagte Rossi in Le Mans.

Besonders pikant: Das zumeist bestens informierte Fachportal "The Race" berichtete, dass Yamaha Rossis neuem Team die Motorräder für die kommende Saison zur Hälfte des Preises anbietet, den Petronas dafür bezahlt. Sollte das stimmen, kann man sich ausmalen, wie verstimmt man in Malaysia darüber wäre.

Dort ist das Vertrauen in Yamaha ohnehin schwer angeschlagen, nachdem man sich in der Causa Morbidelli von den Japanern im Stich gelassen fühlt und als bestes Privatteam der vergangenen beiden Jahre nach eigenen Angaben nicht genug Wertschätzung vom Werk bekommt. Immerhin hat man Petronas nicht nur sechs Siege, jede Menge Podestplätze und damit viele Punkte in der Konstrukteurs-Wertung zu verdanken, sondern auch die MotoGP-Titelhoffnung Fabio Quartararo.

Der Franzose wurde im Sommer 2018 auf Initiative der Teamführung rund um Razlan Razali, Wilco Zeelenberg und Johan Stigefelt auf einem Petronas-Vertrag verpflichtet - ohne Initiative oder Anraten von Yamaha-Seite. Für das Upgrade seiner Maschine für 2020 bat der japanische Hersteller den Rennstall trotz seiner sensationellen Leistungen im Rookie-Jahr tief zur Kasse, wie die Malaysier damals in einer Presseaussendung recht offen mitteilten.

Keine tiefergehende Kooperation

Ein weiterer Punkt desillusionierte die Petronas-Truppe im Winter. Als Razali den Japanern vorschlug, die eigenen Teams in den kleinen Klassen zu einer Art Yamaha-Aufbauprogramm für junge Talente umzufunktionieren (so wie etwa der Ajo-Rennstall für KTM oder das Team Asia für Honda), stieß das auf wenig Gegenliebe. Yamaha sieht seine Satellitenteams in erster Linie klassisch als zahlende Kundschaft und nicht als echte Partner, wie das einige andere Hersteller tun.

Auch im Umgang mit Valentino Rossi legt Yamaha eine ambivalente Strategie an den Tag. Schon Anfang 2020 von der Teamführung für zu schlecht für das Werksteam befunden, wollte man sich von seinem wichtigsten Werbeträger dennoch nicht trennen. Verständlich, hat der Yamaha-Konzern seit 2004 doch einen dreistelligen Millionenbetrag in den Italiener investiert und damit maßgeblich zu dessen Aufbau als MotoGP-Aushängeschild beigetragen.

Insofern erscheint es nur logisch, dass man diese Investition nicht an die Konkurrenz verlieren will - und sei es nur als Teamchef der eigenen VR46-Truppe. Als Yamaha-Botschafter auftreten, andererseits aber in der MotoGP Ducati-Bikes einzusetzen (womöglich auch noch selbst zu fahren) - das dürfte für beide Konzerne unvereinbar sein. So wie ein Valentino Rossi, der bei Auftritten für die saudischen Petro-Konzern Aramco wirbt und als Fahrer deren malaysische Konkurrenten von Petronas repräsentiert.

Dubioser Sponsor für Valentino Rossis MotoGP-Team 2022 (08:47 Min.)

Dass man bei Yamaha nur noch bedingt an die sportliche Kompetenz von Rossi glaubt, zeigte sich in seinem Vertrag. Dieser enthält eine Klausel, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der Saison eine bestimmte Punktzahl bzw. bestimmte Ergebnisse erreicht sein müssen, ansonsten kommt es zu keiner automatischen Verlängerung des nur für 2021 gültigen Vertrages.

Diese Dreiecksbeziehung kann nicht weitergehen

Es ist absehbar, dass Rossi die Leistungsklausel nicht erfüllen wird. Auch wenn Details über den Zeitpunkt und die benötigte Platzierung bzw. benötigten Punkte streng geheim sind. Was Rossi bislang zeigte, wird nicht reichen. An einen raschen Turnaround glauben selbst eingefleischte Fans kaum noch. In Le Mans hätte Rossi die große Chance gehabt. Gegen ein unerfahrenes Feld, in dem die Hälfte der Fahrer noch nie ein Flag-to-Flag-Rennen bestritten hat, hätte er mit seiner großen Erfahrung und der Fähigkeit, Rennen korrekt zu lesen, als Routinier den großen Unterschied machen können und eigentlich müssen.

Stattdessen verlor er in den wichtigsten zwei Runden des Rennens 15 Sekunden auf Marquez bzw. 13 auf Quartararo, traf zu allem Überdruss die falsche Reifenwahl und versank im Regen von Le Mans ein weiteres Mal in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Platz 11 mag zwar besser aussehen als die Ergebnisse zuvor. Wenn man genauer hinsieht, ließ Rossi in Le Mans aber lediglich die Rookies Marini und Bastianini, Ersatzfahrer Rabat sowie den gestürzten Morbidelli und Brad Binder, der ebenfalls sein erstes Flag-to-Flag-Rennen bestritt, hinter sich. Der Weisheit letzter Schluss war dieses Rennen für Rossi nicht.

Sportlich kann es für den 42-Jährigen 2022 daher wohl nur in seinem eigenen Team weitergehen. Das Recht, dort weiterzufahren, hat er sich durch sein großes Engagement für den Nachwuchs in jedem Fall verdient. Die schwierige Dreiecksbeziehung zwischen Rossi, Yamaha und Petronas wird in jedem Fall aber einen Verlierer hervorbringen und in dieser Form nicht weitergehen können. Die 14 (Stand jetzt) verbleibenden gemeinsamen Rennen sind somit der Anfang vom Ende dieser Konstellation.