"Wir haben vier oder fünf Fahrer mit einer ähnlichen Pace. Es wird also ganz eng morgen", lautet Jorge Lorenzos erste Prognose nach vier freien MotoGP-Trainings und dem MotoGP-Qualifying in Mugello. Im Klartext meint er damit sich selbst, Marc Marquez, Valentino Rossi, Andrea Iannone und mit Abstrichen auch Maverick Vinales. Dieses Quintett hat zwei Dinge gemeinsam: All diese fünf Fahrer starten aus den Top-5-Positionen und haben im entscheidenden Q2 eine Zeit unter 1:47 Minuten aus ihrem Paket herausgequetscht. Motorsport-Magazin.com analysiert die Chancen dieser fünf Fahrer auf den Sieg beim Italien-GP 2016.

MotoGP Mugello 2016: Die Top-Favoriten

Valentino Rossi: Unscheinbar, aber genau dann wenn es zählt wieder vorne dabei. So präsentierte sich Valentino Rossi bisher an diesem Wochenende in Mugello. Mit den Plätzen sechs und acht im zweiten und dritten Training bekleckerte sich der Doktor nicht gerade mit Ruhm, doch pünktlich zum FP4 drehte der Doktor wieder auf. Rossi fuhr die konstant schnellste Pace des gesamten MotoGP-Feldes und lag am Ende auf Rang zwei. Im Qualifying ließ sich Rossi von Vinales ziehen und fuhr damit sogar auf die Pole-Position!

Für Rossi die halbe Miete: "Die Pole-Position ist hier in Mugello besonders wichtig, weil man nicht so einfach überholen kann", gibt der Doktor zu bedenken. Rossi spricht aus Erfahrung, man denke nur einmal an das Rennen im Vorjahr zurück, als Rossi sich durch das Feld kämpfen musste und am Ende noch Dritter wurde. Grundlage für ein Top-Ergebnis ist aber auch ein guter Start. Im FP1 übte Rossi diesen auffällig häufig. Der Doktor weiß also um die Bedeutung der Startphase in Mugello. Unterm Strich ist Rossi sehr gut für das Rennen aufgestellt.

Die zukünftigen Yamaha-Teamkollegen Rossi und Vinales spielen eine große Rolle im Kampf um den Sieg, Foto: Yamaha
Die zukünftigen Yamaha-Teamkollegen Rossi und Vinales spielen eine große Rolle im Kampf um den Sieg, Foto: Yamaha

Maverick Vinales: Nach dem unterm Strich doch überraschendem Podium von Le Mans und dem verkündeten Wechsel zu Yamaha schwebte Maverick Vinales bei der Ankunft in der Toskana noch auf Wolke sieben und ließ sich von diesem Hochgefühl zu Top-Leistungen in den Trainings tragen. Nach den Plätzen sieben, drei und drei in den drei trockenen Sessions fuhr Vinales im Qualifying gar auf Position zwei und zog dabei noch seinen zukünftigen Teamkollegen Valentino Rossi zur Pole-Position.

Trotz der bisher gezeigten Leistung will Vinales die Erwartungen noch nicht zu hoch schrauben: "Es wird natürlich ein hartes Rennen. Die Ducatis werden stark aussehen, aber auch ich habe eine gute Pace, ich habe mich im FP4 gut gefühlt", so Vinales nach dem Qualifying. Diese Eindrücke bestätigt der Blick auf die Zeitentabelle. Vinales konnte hier zusammen mit Iannone und Rossi die beste Pace gehen.

Andrea Iannone: In Mugello fuhr Andrea Iannone bisher das Wochenende seines Lebens. Drei der vier freien Trainings beendete der Maniac ganz oben an der Spitze, im Qualifying sprang Platz drei heraus. Leistungen, die Teamkollege Andrea Dovizioso schon vor einem Jahr erzielte. Dieses Mal scheint die Zeit reif für den ganz großen Durchbruch Iannones. "Ich bin sehr happy, denn wir haben uns von Training zu Training gesteigert, die Arbeit mit dem Team läuft sehr gut", erklärt Iannone.

Besonders gefährlich ist Iannone natürlich dank der überlegenen Power der Ducati. In den Topspeed-Listen der beiden freien Trainings am Samstag lagen jeweils acht Ducati-Piloten an der Spitze! Iannone erzielte bisher auch mit 349,6 km/h den schnellsten Topspeed des gesamten Wochenendes. Das macht sich auch in den Sektoren eins und vier bemerkbar, also genau jenen Abschnitten, die die lange Start-Ziel-Geraden vereinen. Hier war Ducati bisher nicht zu schlagen. Das könnte im Falle eines Zielsprints den Ausschlag für Iannone geben.

Andrea Iannone ließ der Konkurrenz bisher kaum eine Chance, Foto: Ducati
Andrea Iannone ließ der Konkurrenz bisher kaum eine Chance, Foto: Ducati

Marc Marquez: Bislang sah es eher so aus, als hätte Marc Marquez auch in Mugello wieder mit der Achillesferse der Repsol-Honda zu kämpfen, nämlich der unterirdischen Beschleunigung. Gerade am Eingang der langen Start-Ziel-Geraden wirkt sich das negativ aus, selbst wenn die Zielkurve relativ schnell zu durchfahren ist im Vergleich zu allen anderen bisher befahrenen Strecken. Doch die Probleme halten nach wie vor an, denn: "Unser Hauptproblem liegt bei der Stabilität im Kurvenausgang. Um sie zu erlangen, müssen wir die Leistung runterdrehen", beklagt Marquez.

Doch mit gedrosselter Leistung ist die Honda auf der Geraden ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz. Marquez liegt in den Topspeed-Listen meist im Mittelfeld und muss die verlorene Zeit wieder in den S-Sektionen wettmachen. Trotz aller Probleme: Marquez lag in den Trainings auf den Plätzen fünf, zwei und sieben und fuhr im Qualifying auf Platz vier. In Sachen Longrun-Pace liegt Marquez jedoch minimal hinter den Top-3 zurück. Im Gegensatz zu Rossi, Vinales und Iannone schaffte Marquez im FP4 keine 1:47er-Zeit.

Der Schnitt aus den sieben schnellsten Runden der Top-Fahrer im FP4

FahrerTeamZeit
Andrea IannoneDucati1:47.757
Maverick VinalesSuzuki1:47.957
Valentino RossiYamaha1:48.094
Jorge LorenzoYamaha1:48.264
Marc MarquezRepsol-Honda1:48.320

Jorge Lorenzo: Den Weltmeister muss man natürlich immer auf der Rechnung haben, wenn die Siegfrage gestellt wird. Auch in Mugello hielt sich Jorge Lorenzo konstant in der Spitzengruppe auf, agierte jedoch bei weitem nicht so souverän wie noch vor zwei Wochen in Le Mans. "Aus irgendeinem Grund fühle ich mich auf keinem Gebiet mit diesen Reifen sonderlich wohl, und das macht den Unterschied. Manchmal verliere ich beim Anbremsen, manchmal beim Beschleunigen, aber ich habe immer einige Probleme. Normal kann ich beim Fahren einen Unterschied machen, aber im Moment nicht", jammerte Lorenzo.

Wie das aussieht, wenn der Weltmeister mal keinen Unterschied machen kann, zeigen die Ergebnisse in den freien Trainings. In den trockenen Sessions erzielte Lorenzo die Positionen zwei, fünf und zehn, auch im Qualifying schaffte er es nur mit Ach und Krach in die Top-5. Auch die Longrun-Pace im FP4 gibt keinen Grund zur Entwarnung beim Weltmeister, hier lag er zwar auf einem Niveau mit Marquez aber hinter den Top-3 Rossi, Iannone und Vinales.

Valentino Rossi grüßt in Mugello als Sieger - glaubt zumindest die MSM-Redaktion, Foto: Yamaha
Valentino Rossi grüßt in Mugello als Sieger - glaubt zumindest die MSM-Redaktion, Foto: Yamaha

MotoGP Mugello 2016: Die Tipps der Redaktion

Andrea Blendl: Ich glaube, das Rennen in Mugello wird ein italienisches Fest. Rossi und Iannone werden um den Sieg kämpfen, während dahinter Marquez und Vinales sich um Platz drei balgen. Am Ende gewinnt der Doktor mit einem Traum-Manöver in der letzten Kurve, das Duell um Platz drei kann Marquez für sich entscheiden.

Andreas Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Iannone, 3. Marquez

Tobias Ebner: Morgen schlägt die große Stunde von Ducati. Durch die Zusatzmotivation des nicht verlängerten Vertrages und die brachiale Power der Desmosedici ist es Andrea Iannone, der im Rennen zu seinem ersten MotoGP-Sieg braust. Der Maniac präsentierte sich bislang in Überform und wird diesmal das Rennen auch nach Hause fahren. Das Tollhaus Mugello macht Rossi mit seiner Fahrt auf Platz zwei perfekt. Beide Italiener setzen sich in einem epischen Rennen gegen die spanische Armada um Maverick Vinales, Jorge Lorenzo und Marc Marquez durch.

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Iannone, 2. Rossi, 3. Vinales

Sophie Riga: Ich glaube, dass Valentino Rossi es sich nicht nehmen lassen wird, vor seinen Fans zu siegen. Die Motivation ist hoch und mit Druck kann der Doktor nach so vielen Jahren Erfahrung umgehen. Außerdem beweist seine Qualifying-Runde einmal mehr, das mit ihm immer zu rechnen ist. Dahinter würde ich Vinales und Iannone einen Podestplatz gönnen, aber so wie die Wetterlage aussieht, wird Lorenzo beide niederringen.

Sophies Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Lorenzo, 3. Vinales

Markus Zörweg: Valentino Rossi gewinnt erstmals seit 2008 wieder in Mugello. Das Starttraining des Doktors macht sich bezahlt und er biegt am Sonntag als Erster in Kurve eins ein. In der Folge machen zwar Vinales, Iannone, Marquez und Lorenzo mächtig Druck auf den Altmeister, doch der behält vor den Augen der zigtausend Tifosi die Nerven und fährt seinen zweiten Saisonsieg ein. Andrea Iannone sorgt für einen italienischen Doppelsieg, Jorge Lorenzo komplettiert das Podium.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Iannone, 3. Lorenzo