Pat, lassen Sie uns den Grand Prix von San Marino chronologisch aufarbeiten. Wie verlief Fernandos erster Turn?

Pat Symonds: Die Anfangsphase des Rennens verlief ziemlich genau so, wie wir das im Vorfeld erwartet hatten. Michael Schumacher setzte sich von der Pole Position aus immer weiter vom Feld ab. Das war vorherzusehen. Wir hatten sogar gedacht, er würde noch schneller unterwegs sein. Im Verlauf des ersten Turns wurde zudem schnell klar, dass der Reifenverschleiß nicht besonders hoch lag. Daher wussten wir, dass Fernandos langer erster Stint ihn im Endeffekt wieder näher an Michael heranbringen würde. Das sollte sich bewahrheiten. Vor Michaels erstem Stopp betrug unser Abstand 13,563 Sekunden. Nach Fernandos Stopp war er auf 11,272 Sekunden geschrumpft.

Was passierte anschließend?

Pat Symonds: Während des zweiten Turns geschah Überraschendes. An Michaels Ferrari stieg der Reifenverschleiß urplötzlich übermäßig an. Es wurde schnell klar, dass Fernando deutlich schneller war als er. In weniger als zehn Runden hatte er aufgeschlossen und setzte den Führenden unter Druck – kam aber nicht vorbei.

Die vermeintlich logische Entscheidung in dieser Situation wäre gewesen, länger als er draußen zu bleiben und ihn sozusagen in der Boxengasse zu überholen ...

Pat Symonds: Das ist soweit richtig, aber zur Mitte des zweiten Stints bist du in puncto Strategie bereits ziemlich festgelegt. Die Entscheidung über den zweiten Stopp hatten wir bereits während des ersten Turns getroffen. Zu einem Zeitpunkt also, als wir von Michaels Problemen noch nichts wissen konnten. Für uns ging es jetzt darum, das Optimum aus der Situation zu machen. Das bedeutete, dass wir Fernandos zweiten Turn verkürzten, um seine Position auf der Strecke im Vergleich zu Michael zu verbessern. Entgegen der vom Fernsehen kommunizierten Vermutung, dass wir erst in Runde 47 zum zweiten Mal hätten tanken müssen, ergaben unsere Berechnungen, dass wir maximal eine Runde später als Ferrari reingekommen wären, vielleicht sogar gleichzeitig mit Michael.

Stattdessen holten Sie Fernando früher rein ...

Pat Symonds: Genau. Fernando kam zwei Runden früher, als wir eigentlich geplant hatten. Hätten wir davon ausgehen dürfen, dass wir deutlich länger als Michael hätten fahren können, wäre Draußenbleiben natürlich die beste Lösung gewesen. Aber Fernando hatte nicht genug Benzin an Bord. Es wäre wie gesagt nur eine Runde gewesen. Gleichzeitig wäre Michael dann aber auf frischen Reifen unterwegs, und wir haben bereits während des Qualifyings gesehen, dass seine Pneus während dieser "goldenen" ersten Runden hervorragend funktionierten. Wir mussten daher davon ausgehen, dass wir bei diesem Szenario keinen Vorteil haben würden. Sozusagen hinter Michael herzufahren und praktisch gleichzeitig mit ihm zu stoppen war für uns schlichtweg keine Option. Also wurden wir kreativ und nutzten die einzige Möglichkeit, die uns noch blieb: Fernando früher vorfahren zu lassen.

Wie schwer war es, den richtigen Zeitpunkt dafür zu errechnen?

Pat Symonds: Fernando durfte auf keinen Fall zu früh reinkommen, denn sonst wäre er Michaels Teamkollegen Felipe Massa "in die Hände gefallen". Als klar war, dass aus dieser Richtung keine Gefahr mehr drohte, funkten wir Fernando sofort an. Wir ließen ihm die Wahl: Wenn er eine Chance sah, Michael zu überholen, solle er draußen bleiben. Ansonsten sollte er reinkommen. Er entschied sich für die zweite Möglichkeit. Also zogen wir die Sache durch. Im Endeffekt fehlten uns nur 0,7 Sekunden.

Woran lag es?

Pat Symonds: Unter anderem daran, dass Michael in der freien Runde nach Fernandos Stopp eine Traumrunde auf den Asphalt brannte. Er fuhr auf einmal eine 1.25,7 min. Sein Durchschnitt in den Umläufen davor lag bei 1.27,4 Minuten. Seine Zeiten während des zweiten Stints ließen absolut nicht darauf schließen, dass er urplötzlich ein derartiges Potenzial abrufen könnte.

Ist es nicht besonders frustrierend, derart knapp geschlagen zu werden?

Pat Symonds: Um ehrlich zu sein: Das ist es doch, was den Motorsport ausmacht. Vor der Leistung von Michael und Ferrari ziehen wir den Hut. Sie haben alle getäuscht. Wir hätten auch an unserer geplanten Strategie festhalten können, wären aber trotzdem nur Zweiter geworden. Dann wäre ich richtig frustriert, weil wir nicht alles versucht hätten und wir uns die Frage hätten stellen müssen, "was wäre gewesen, wenn ...". Wir haben alles versucht, aber es reichte nicht. Wir sahen zwei gleichwertige Piloten in gleichwertigen Autos um den Sieg kämpfen*. Bereits unmittelbar nach dem Rennen habe ich gesagt: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Dabei bleibe ich – umso mehr da wir auch überhaupt nichts verloren haben.