Die Stadt der Spieler lädt zum Showdown des Formel-1-Wochenendes. Auf dem Strip von Las Vegas geht am Sonntagmorgen zu mitteleuropäischer Zeit ein Grand Prix wie kein anderer über die Bühne - und das nicht nur wegen der Kulisse oder dem dekadenten Auftritt. Liberty Media und die F1 haben ein gutes Blatt in der Hand, um auch für ein denkwürdiges sportliches Spektakel zu sorgen. Seriensieger Max Verstappen hat auf dem Stadtkurs in den USA diesmal kein leichtes Spiel. Ferrari hatte den Weltmeister bisher fest im Griff, doch durch die Strafe von Carlos Sainz ist Pole-Sitter Charles Leclerc auf sich allein gestellt.

Der bisherige Verlauf des 21. Rennwochenendes erinnert an ein nicht allzu weit zurückliegendes Kapitel der Formel-1-Saison 2023. Wie schon in Singapur zeichnete sich schon im Training ab, dass die Weltmeister nicht auf der Höhe sind. Stattdessen gab Ferrari den Ton an. Während Red Bull und Verstappen auf dem Stadtkurs mit seinem niedrigen Griplevel ihr Potential nicht ausschöpfen können, blüht die Scuderia auf. Die Parallelen sind unverkennbar, und dennoch ist ein Ausgang wie beim Grand Prix in der südostasiatischen Metropole keineswegs in Stein gemeißelt.

Fan-Fiasko in Las Vegas: KEINE Entschuldigung von der Formel 1! (10:16 Min.)

Zum Einen ist die Ausgangslage Verstappens eine andere. In Singapur kam der Niederländer nicht über Startplatz elf hinaus, diesmal steht er neben Leclerc in Reihe eins - und das, weil Ferrari die doppelte Schlagkraft genommen wurde. Carlos Sainz muss seinen zweiten Startplatz wegen einer Startplatzstrafe von zehn Positionen räumen, welche dem Spanier nach einem unglücklichen Zwischenfall im ersten Training auferlegt wurde.

Dabei hatte Verstappen im Qualifying gehofft, dass ihm die linke Seite des Grids erspart bleiben wird. Er fürchtet neben der Ideallinie einen Nachteil am Start. "Ich habe tatsächlich auf P4 gehofft, weil ich dann auf P3 vorgerückt wäre. Es ist ein bisschen wie Austin beim ersten Rennen dort, da war es innen auch sehr schlimm."

Keine Schützenhilfe für Leclerc und Verstappen

Sainz weiß jedenfalls, dass eine Wiederholung für ihn auf dem 6,201 Kilometer langen Las Vegas Strip Circuit ein hartes Stück Arbeit wird. "Ich würde gerne mit Charles und Max um den Sieg kämpfen, aber ich werde im Comeback-Modus sein. Es wird eine Aufholjagd. Hoffentlich komme ich irgendwann nach vorne, aber es wird schwierig", so der Spanier, der als Zwölfter in den Grand Prix gehen wird.

In Singapur gewann Ferrari, indem das Team Leclerc strategisch gegen Herausforderer George Russell einsetzte. Die Möglichkeit, einen Fahrer als taktisches Mittel einzusetzen, haben die Italiener diesmal nicht. Red Bull kommt das gelegen. "Sainz ist ein guter Starter und in den ersten Runden ein harter Fahrer. Für den Rennverlauf ist das angenehmer", sagt Dr. Helmut Marko bei Servus TV.

Seine Mannschaft befindet sich was mögliches Teamwork angeht allerdings in keiner besseren Situation. Abgesehen davon, dass Sergio Perez schon länger nicht mehr die Form an den Tag legte, mit dem er Verstappen an der Spitze hätte Schützenhilfe leisten können, blieb er im Qualifying in Las Vegas als Zwölfter ohnehin im Q2 hängen.

Der Mexikaner startet damit unmittelbar vor Sainz, sieht sein Team aber im Rennen in der besseren Position. "Wir sollten im Rennen deutlich schneller als bei der Qualifying-Pace sein", so eine Einschätzung, die auch Marko teilt. "Die Abstimmung, die beide Fahrer gewählt haben, sollte im Rennen positiver zur Geltung kommen als im Qualifying", lautet die Prognose der österreichischen Motorsport-Ikone.

Ferrari trotz Longrun-Rückstand optimistisch

Geht es nach den Longruns, welche die Teams im zweiten Training zu später Stunde um 2:30 Uhr in der Nacht auf Freitag absolvierten, hat Red Bull alle Trümpfe in der Hand. Verstappen war auf dem Medium-Reifen im Mittel über eine halbe Sekunde schneller als Sainz und Leclerc. Bei Ferrari schindete das scheinbar nicht allzu viel Eindruck. "Wir haben auf dem Longrun eine gute Pace gezeigt und können recht selbstbewusst sein", so Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur.

Seit der ersten Session auf dem neuen Stadtkurs in Las Vegas dreht sich alles um die Reifenperformance. In der Dunkelheit liegen Luft- und Asphalttemperatur bei knapp über 10 Grad Celsius. In Kombination mit den auf dem Highspeed-Layout unabdingbaren niedrigen Downforce-Konfigurationen sowie dem ohnehin niedrigen Grip-Level des Asphalts, kann die Oberfläche des Reifens schnell überhitzen, was zu Graining führt.

In dieser Saison glänzte Ferrari bisher nicht mit gutem Reifenmanagement. Aus sechs Pole Positions machte die Scuderia bisher nur einen Sieg. Diesmal soll das anders sein. "Ich habe mich von der ersten Runde im ersten Training an wohl gefühlt, das Auto war großartig. Allerdings ist das Rennen unsere Schwäche, und das findet erst morgen statt. Aber da das Auto sich bis jetzt gut angefühlt hat, hoffe ich auf ein gutes Rennen", so Leclerc.

Am bisherigen Saisontiefpunkt von Red Bull in Singapur zeigte Verstappen auf die Renndistanz eine deutlich bessere Performance als auf eine Runde. Vor dem Hintergrund seiner starken Longrun-Pace und der Tatsache, dass die Reifen für Red Bull selten der limitierende Faktor sind, ist er optimistisch. Es wäre nicht das erste Mal, dass er Ferrari auf einem Stadtkurs in die Schranken weißt.

"Ich denke, es ist eher wie Baku. Im Rennen wird es sehr stark darauf ankommen, wer die Reifen am Leben halten kann, und wer mehr Graining haben wird", sagt der Seriensieger. Darüber hinaus hat Red Bull dafür gesorgt, dass die Waffe ihres Champions am Sonntag scharf ist. "Wir haben Umbauten am Auto von Max gemacht und dadurch haben wir beim Top Speed zugelegt", so Marko.

Mercedes hofft auf den längeren Atem

Der von Startplatz drei ins Rennen gehende George Russell kann sich allenfalls Außenseiterchancen ausrechnen, wenn ihn die Achillesferse seines Boliden nicht erwischt. "Wenn du den Reifen ans Arbeiten kriegst, kommst du locker mit einem Boxenstopp durch. Aber wenn du Graining hast, machst du zwei, drei oder vier Stopps. Wir müssen dafür sorgen, dass wir nicht dazu zählen", so der Brite. Er ist im Mercedes ebenfalls als Einzelkämpfer in der Spitzengruppe unterwegs. Lewis Hamilton blieb im Qualifying hinter den Erwartungen zurück und steht passenderweise auf Startplatz zehn vor Sergio Perez und Carlos Sainz.

Bei den Longruns auf dem Medium-Reifen war Russell im FP2 nicht allzu weit vom Ferrari-Duo weg, doch an einen Kampf glaubt er nicht. "Ferrari ist schneller als wir, nicht nur auf einer Runde, sondern auch im Rennen", sagt er. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sieht nur eine Möglichkeit, wenn seine Fahrer mit den Reifen das bessere Händchen haben. "Es wird absolut wichtig sein, die Reifen im morgigen Rennen gut zu managen, denn wir haben im Training viel Graining im gesamten Feld gesehen. Wir müssen in der Anfangsphase geduldig sein und das Rennen von dort aus angehen", so der Österreicher.