Wirbel in den USA um McLarens IndyCar-Piloten Patricio O'Ward. Ende 2021 saß der Mexikaner als Belohnung für eine starke zweite Saison in der IndyCar Series, Gesamtrang drei, beim Young Driver Test der Formel 1 in Abu Dhabi erstmals in einem F1-Auto von McLaren - und zeigte sich prompt genauso begeistert wie McLaren beeindruckt war. Dass O'Ward für die Formel 1 schwärmt, allein wegen der Königsklasse überhaupt erst zum Motorsport kam, ist ohnehin kein Geheimnis.

Das Traumszenario: Eines Tages als Stammfahrer von Arrow McLaren in der IndyCar als Stammpilot zum McLaren F1 Team wechseln. Doch als McLaren jüngst neue Details zu einem für 2022 angekündigten privaten Testprogramm mit dem Vorjahresboliden - 2022 erlaubt das neue F1-Reglement erstmals seit Jahren den unbeschränkten Einsatz der Vorjahresmodelle - verriet, war es plötzlich Colton Herta von IndyCar-Rivale Andretti, den McLaren für dieses Programm in den MCL35M setzen will.

O'Ward nach Herta-Verpflichtung: Meine Leute sehen sich um ...

Eine Reaktion O'Wards, angesprochen auf die Verpflichtung Hertas, vor dem zweiten Lauf der IndyCar-Saison 2022 am vergangenen Wochenende in Texas heizte in der US-Serie nun die Gerüchteküche an. Er sei sich nicht bewusst, ebenfalls Teil des Testprogramms zu sein, so O'Ward. Hat dieser Zug McLarens sein IndyCar-Ass verärgert? Stehen die Zeichen nun auf Trennung, weil O'Ward nun womöglich woanders ein besseres Sprungbrett in die Formel 1 sieht? Etwa bei Andretti, wo Michael Andretti derzeit alles versucht, um ein eigenes F1-Team aufzubauen? Ganz deutlich wurde das nicht.

"Meine Gruppe von Leuten scoutet gerade, wie meine Zukunft aussehen wird ...", sagte O'Ward jedoch. "Wir müssen nun alle abwarten, was die Antwort sein wird, um ehrlich zu sein. Ich will nicht lügen." Deshalb wolle er zu diesem Zeitpunkt Wechselgerüchte weder nähren noch dementieren. Ohnehin sei er nun erst einmal auf die gerade erst gestartete Saison fokussiert. "Und ich stehe gegenwärtig bei McLaren unter Vertrag." Aber: "Wie immer gibt es Szenarien, in denen ich bleiben könnte, wo ich bin. Oder es könnte Szenarien geben, in denen ich woanders sein könnte."

McLaren-Chef Brown: Pato hat mehrjährigen Vertrag

Alldem erteilt nun McLaren-Boss Zak Brown eine klare Absage. "Mit Pato wollen wir uns zu 100 Prozent auf IndyCar konzentrieren", erklärte der CEO im Rahmen des Formel-1-Saisonstarts in Bahrain das Fehlen O'Wards im eigenen Testprogramm. "Denn wir glauben, dass wir dieses Jahr eine Chance auf die Meisterschaft haben." O'Wards Status und Standing bleibe davon unberührt, versichert Brown und verweist auch noch einmal auf die "hervorragende Arbeit" des Mexikaners beim Rookie-Test 2021. Brown weiter zu den Wechselgerüchten: "Er hat einen mehrjährigen Vertrag mit uns. Ich weiß, dass es viel Lärm gibt, aber es ist unbegründeter Lärm."

Die genaue Ausgestaltung des Testprogramms sei zudem noch nicht finalisiert, so Brown. Gut möglich also, dass O'Ward doch noch einen Test im MCL35M erhält. "Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal die Möglichkeit, ein TPC-Auto (Testing of Previous Cars) einzusetzen. Wir sind immer noch dabei, die Details dieses Programms hinsichtlich Veranstaltungsorten, Zeitplan und so weiter fertigzustellen", sagt Teamchef Andreas Seidl.

O'Ward könnte auch am Rennwochenende fahren - etwa in Mexiko

Zudem wäre auch ein Einsatz am Formel-1-Rennwochende im aktuellen McLaren MCL36 möglich. Zwei Mal verlangt das Reglement 2022 von den Teams den Einsatz eines Young Drivers mit maximal zwei gefahrenen F1-Grands Prix in einem freien Training. Wie prädestiniert für den Mexikaner erscheint der Mexiko-GP Ende Oktober - dann ist auch die IndyCar-Saison längst vorbei.

Formal fixiert ist bislang allerdings einzig Herta für das neue Testprogramm. "Der Plan ist klar, wir wollen Colton einige Testtage in diesem Auto geben, ihm die Möglichkeit geben, Spaß am Fahren eines Formel-1-Autos zu haben und gleichzeitig zu zeigen, was er kann, und freuen uns darauf. Er ist ein großes Talent, und dann schauen wir weiter", sagt Seidl. Interesse an einer Verpflichtung des Andretti-Piloten scheint also durchaus zumindest nicht ausgeschlossen. Auch Brown bestätigt, der Test sei darauf fokussiert, Herta aus McLaren-Perspektive zu beurteilen.

Formel 1: McLaren in großen Problemen

Andretti und McLaren arbeiteten bereits in der Vergangenheit zusammen, allem voran bei Fernando Alonsos Start beim Indianapolis 500. Da McLaren über kein eigenes großes Nachwuchsprogramm wie Mercedes, Red Bull oder Ferrari verfügt, liegt eine Talentsuche für eine in unbestimmter Zukunft liegende Nachfolge Daniel Ricciardo auch in den USA nur nahe. Lando Norris erschrieb erst in diesem Jahr einen neuen langfristigen Vertrag mit McLaren.

Aktuell muss sich McLaren jedoch mit ganz anderen Problemen herumschlagen. Die Performance beim Formel-1-Saisonstart in Bahrain blieb weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Einzig mit Aston Martin und Williams konnten es Norris und Ricciardo aufnehmen. 2021 befand sich McLaren noch im Kampf um WM-Rang drei mit Ferrari, das sich beim Saisonstart nun als neue stärkste Kraft überhaupt erwies.