Während sich die Kreativität mancher unserer britischen Kollegen darauf beschränkt aus allen möglichen Vor- und Zwischenfällen x-beliebige Gate-Affären zu konstruieren, zeigt die Presseabteilung von Red Bull Racing zum vierten Mal in Folge, dass es auch anders geht. Besonders viele Freunde in den Austragungsländern der behuldigten Grand Prix macht man sich damit aber wohl nicht. Uns gefällt's trotzdem...

Red Bull Racing über den Ungarn GP

"Nun, Herr Doktor, wie lautet der Befund?"
"Übel, übel – ich fürchte, Ihnen bleibt nur noch eine Woche..."
"Oh Gott! Gibt es denn gar nichts, was ich tun könnte?"
"Hmm... Sie könnten nach Budapest reisen, um sich den Grand Prix von Ungarn anzuschauen."
"Glauben Sie wirklich, dass ich damit mein Leben verlängern kann?"
"Natürlich nicht, aber ich garantiere Ihnen, dass Ihnen der GP von Ungarn wie eine Ewigkeit vorkommen wird!"

Ein Wunder für die Einwohner: Ein Fluss teilt die Stadt!, Foto: Sutton
Ein Wunder für die Einwohner: Ein Fluss teilt die Stadt!, Foto: Sutton

Einige Grand Prix-Pisten sind eine große technische Herausforderung. Andere bieten eine spektakuläre Kulisse für die Rennen. Wieder andere gehören aus historischen Gründen in den F1-Kalender. Doch wenn der GP-Zirkus seine Zelte am Hungaroring aufschlägt, wird immer wieder eine Frage gestellt: Weshalb?

Weil die Piste langsam, eng und winklig ist und zudem keinerlei Überholmöglichkeit bietet, wird sie gern als "Monaco ohne Häuser" bezeichnet. Sie könnte ebenso gut als Monaco ohne Renntradition, Charakter, Glamour, Glitzer, Promis oder Spaß tituliert werden – und bis zum Meer ist es auch recht weit...

In Wahrheit verfügt Ungarn über eine gewisse Motorsport-Geschichte, denn ein Ungar mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen Szisz gewann 1906 am Steuer eines Renault den allerersten Grand Prix. Fraglos war dies ein ungewöhnlicher Mann, denn sein Name war für alle Nicht-Ungarn ein Zungenbrecher. Man muss wissen, dass das Ungarische mit Konsonanten gespickt ist. Vokale tauchen seit Jahrhunderten nur dort auf, wo man sie nicht erwartet. Und wenn in ungarischen Schulen nach dem Alphabet aufgerufen wird, dann ist das von den Buchstaben A bis R eine recht langweilige Angelegenheit. Von S bis Z ist dann allerdings der Teufel los.

Ein Wunder für die Zuschauer: Eine Strecke ohne Überholmanöver!, Foto: Sutton
Ein Wunder für die Zuschauer: Eine Strecke ohne Überholmanöver!, Foto: Sutton

Das Rennen kommt nur wegen der Stadt Budapest aus dem Schneider, die als eine der schönsten in ganz Osteuropa gilt. Die Donau teilt die Gemeinde in die Stadtteile Buda und Pest. Die Einheimischen machen aus dieser Tatsache ein riesiges Aufheben, obwohl es doch bekannt sein dürfte, dass auch andere Hauptstädte durch Flüsse geteilt werden. Um nur zwei zu nennen: Die Themse trennt Lon von Don und die Seine Pa von Ris.

Der Charakter von Budapest änderte sich gewaltig, als in den beiden deutschen Städten Ber und Lin beschlossen wurde, die dort zuvor existierende Trennmauer einzureißen. In der ersten Phase des Grand Prix von Ungarn lebten Besucher aus der westlichen Welt dort zu Spottpreisen. Für den Preis einer Currywurst servierte man ihnen dort Champagner und Kaviar. Heute erhält man für den Preis einer Currywurst eine... Currywurst.

Damit sind wir bei der ungarischen Küche. Fernab von Meeren und Ozeanen herrscht in Ungarn kontinentales Klima. Das heißt: Klirrender Frost im Winter und Gluthitze im Sommer. Bedauerlicherweise berücksichtigen die Kochbücher des Landes nur Gerichte, die sich für die Monate Oktober bis April anbieten. Wärmende Aufläufe, Klöße und im eigenen Fett gesottene Gänseleber mögen ja so richtig munden, wenn eiskalter Wind aus Sibirien weht. Aber wenn die Temperaturen auf ähnliche Höhen steigen wie der Wasserpegel der Donau vor einigen Jahren, dann sind derartige Mahlzeiten weitaus weniger Appetit anregend. Wir sind nicht die Einzigen, denen das unangenehm aufstößt, denn sogar der berühmte russische Dissident Alexander Solschenizyn schrieb eine Abhandlung unter dem Titel "Das Gulasch Archipel".

Dann gehen wir doch lieber wieder in die zweigeteilte Stadt..., Foto: Sutton
Dann gehen wir doch lieber wieder in die zweigeteilte Stadt..., Foto: Sutton

Als die Formel 1 erstmals nach Budapest kam, sah die Stadt grau und müde aus. Ein Journalist schrieb damals, dass eine Shopping-Tour eine fantastische Abwechslung bieten würde – für den Fall, dass man etwas suchte, das man in den Sechziger Jahren vergessen hatte zu besorgen. Heute ist Budapest eine vibrierende Metropole mit vielen Unternehmungsmöglichkeiten und einem großartigen Nachtleben. Dieses Wochenende kann also zusammenfassend als ein Fall von "liebe die Stadt, hasse die Rennstrecke" betrachtet werden.