Er ist das Röntgen-Auge der Formel 1: Als Technischer Delegierter der Fédération Internationale de l´Automobile kontrolliert Jo Bauer mit seinem Team vor jedem Rennen die Autos. Er sorgt dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht und die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Auch beim Großen Preis der USA gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Das arbeitsreiche Wochenende des Mannes, der die Formel 1 mit Argusaugen überwacht, beginnt am Donnerstag vor dem Rennen. Im Areal der Technischen Delegierten herrscht an diesem Tag bereits viel Verkehr. Jedes Team ist mit zwei Einsatzautos und einem Ersatzwagen angereist. Das macht insgesamt 30 Boliden, die sechs Stunden lang vermessen und gewogen und genauestens in Augenschein genommen werden. Dabei geht es um Gramm und Millimeter.

So arbeiten Jo Bauer und sein Team., Foto: Allianz
So arbeiten Jo Bauer und sein Team., Foto: Allianz

Bei dieser ersten Überprüfung werden nur selten größere Unregelmäßigkeiten entdeckt, weil die Teams ihre Hausaufgaben gemacht und die Fahrzeuge schon zu Hause in der Fabrik kontrolliert haben. Aus gutem Grund. "Die Rennwagen sind am Limit gebaut und im Verlauf einer Saison kommen immer wieder neue Teile dazu. Wenn wir vorher selber kontrollieren, sind wir an der Rennstrecke sicher vor unangenehmen Überraschungen", sagt Sam Michael, Technischer Direktor von Williams.

Alles klar, Herr Kommissar? Mit großem Aufwand stellt die FIA sicher, dass die Bestimmungen des Technischen Reglements eingehalten werden. So bekommt jedes Auto für das gesamte Rennwochenende einen Regelhüter zugeteilt. Nur die Rennwagen, die nach der Grunduntersuchung am Donnerstag als regelkonform eingestuft werden, dürfen am Freitag am ersten Training teilnehmen. An diesem zweiten Tag begnügen sich Jo Bauer und seine Kollegen mit Stichproben, winken einige Autos nach dem Zufallsprinzip in den FIA-Bereich.

Mal wird der Bodenabstand kontrolliert, mal der Vorderradbereich untersucht, mal die Breite des Heckflügels nachgemessen. Im Verlauf des Wochenendes werden immer wieder auch Benzinproben entnommen und noch an Ort und Stelle in einem FIA-Labor außerhalb der Rennstrecke analysiert. Stimmt die Probe nicht mit dem vor der Saison bei der FIA hinterlegten Muster überein, wird das betroffene Team vorgeladen.

Nach dem Urteil musste B·A·R vorzeitig einpacken., Foto: Sutton
Nach dem Urteil musste B·A·R vorzeitig einpacken., Foto: Sutton

Je näher das Rennen rückt, umso intensiver werden die Kontrollen. Erneut nehmen die Technischen Kommissare stichprobenartig die Autos unter die Lupe, messen und wiegen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass ein Fahrzeug auch mehrmals überprüft wird. Am Rennsonntag entnehmen die Kontrolleure nicht nur erneut Benzinproben, sondern inspizieren auch die Bremsscheiben oder zum Beispiel die Auflageflächen der Reifen. Die letzten Überprüfungen finden während der Startaufstellung statt.

Nach dem Rennen erfolgt die Wiegezeremonie, zu der die Fahrer in voller Montur mit auf die Waage gebeten werden, zusätzlich wird eine bestimmte Anzahl ausgeloster Fahrzeuge genauer überprüft – bis hin zu den elektronischen Programmen der Bord-Computer. Wie beim Benzin musste zuvor auch eine Software-Kopie bei der FIA hinterlegt werden, die jetzt mit den im Rennen verwendeten Programmen verglichen wird. Manchmal dauert die Arbeit von Jo Bauer und seinem Team bis in die Nacht.

Erst wenn alle Überprüfungen abgeschlossen sind und von den Teams kein Protest gegen einen Konkurrenten eingelegt wird, ist das Rennergebnis offiziell. Entdecken die Kontrolleure einen Regelverstoß, informieren sie die Rennleitung und die Sportkommissare, die dann noch an Ort und Stelle über eine Bestrafung des betroffenen Teams entscheiden.

Schon 1999 gab es Ärger im Parc Fermé., Foto: West
Schon 1999 gab es Ärger im Parc Fermé., Foto: West

Obwohl die Kontrollen an der Rennstrecke schon jetzt sehr intensiv sind, wird bei der FIA über eine Änderung der technischen Abnahme nach dem Rennen diskutiert. Nicht erst seit dem Großen Preis von San Marino, als die Tankaffäre ihren Lauf nahm, sind die Forderungen nach einer Schließung von Grauzonen im Reglement durch eindeutigere Formulierungen wieder lauter geworden.

Eine Möglichkeit wäre, aus den acht Punktgewinnern eines jeden Rennens ein Auto auszuwählen und es komplett zu zerlegen. Damit würde die Wahrscheinlichkeit, dass ein Regelverstoß entdeckt wird, noch größer. "Die Chance, dass man erwischt wird, wäre bei jedem Versuch 7 zu 1", rechnet Max Mosley vor, verschweigt aber auch nicht den Nachteil dieser Regelung: "Es würde viel Zeit beanspruchen und das Rennergebnis wäre erst nach einer großen Verzögerung offiziell." Jo Bauer und sein Team werden in jedem Fall auch in Zukunft viel Arbeit haben.

Wussten Sie schon...

... dass die Ingenieure in der Formel 1 schon immer versuchten, das Reglement mit ausgefallen Ideen zu überlisten? Hier drei Beispiele: 1978 brachte Brabham einen Propeller am Heck seines BT46 an, der den Anpressdruck auf die Piste verstärkte. Lotus entwickelte 1980 ein Zwillings-Chassis, durch das sich die Vibrationen der steifen Aufhängung nicht mehr so negativ auf die Aerodynamik auswirkten. 1981 trat der Brabham von Nelson Piquet zum Qualifying mit einem kleineren Tank an, um Gewicht zu sparen. Ein eilig montierter Heckflügel brachte das Auto vor der Kontrolle wieder auf das vorgeschriebene Mindestgewicht. Der Brasilianer wurde Weltmeister.