"Man kann sicherlich sagen, dass die neue Reifenregel, wonach man nur einen einzigen Reifensatz für das Qualifying und das Rennen zur Verfügung hat, eine sehr harte Regel ist", sagt Ferrari-Rennleiter Jean Todt. Der Franzose formuliert seine Sätze vorsichtig - denn nach dem Unfall von Kimi Räikkönen beim gestern abgehaltenen Europa-GP wurde die Debatte rund um diese Regel erneut angeheizt. Räikkönen und McLaren haben auf Risiko gesetzt - und verloren. Die Reifenfirmen gehen ans Limit - die Mischungen wurden wieder etwas weicher, die von Michelin allemal...

Todt sagt: "Wir haben diese Regel auf eine konservative Art und Weise interpretiert - und dafür zahlen wir im Qualifying den Preis." Todt fügt hinzu: "Es scheint so, dass keine der Reifenfirmen hundert Prozent der neuen Regeln erfüllen konnte. Es gibt eine Reifenfirma, die im Qualifying einen besseren Job erledigt und im Rennen einen schlechteren Job abliefert. Und es gibt eine andere Reifenfirma, die im Qualifying einen schlechteren Job abliefert und dafür im Rennen einen besseren Job erledigt. Das Wort 'besser'... - ich möchte nicht das Wort 'sicherer' verwenden - Sie wissen schon - denn dann würden wir in politisch heikle Bereiche vorstoßen."

Was Todt meinen könnte, liegt auf der Hand - Michelin geht an das Limit, vielleicht ein wenig mehr als es Bridgestone tut. Todt windet sich: "Was ich nach sieben Rennen sagen kann ist, dass ich mir nicht sicher bin - es ist nicht gut, irgendjemanden zu kritisieren, denn wenn man eine neue Regel einführt, muss man eine Zeit lang abwarten, bevor man erkennen kann, ob diese Regel gut oder schlecht ist. Aber es scheint eine sehr schwierige Regel zu sein..." So schwierig, dass sie von vielen mittlerweile als potentielle Gefahr betrachtet wird. Der Unfall von Räikkönen hätte böse ausgehen können, wäre das Drahtseil gerissen, an dem der Reifen festgehalten wurde.

Das Problem stellt sich für Jean Todt so dar, dass "der Wettkampf so hart ist, dass jeder ans Limit geht, mit jedem einzelnen Bauteil seines Autos. Ich denke, die Wahrheit ist, dass beispielsweise auf dem Nürburgring niemand vorher mit diesen Reifen gefahren ist. Du kommst hier an und es ist alles ein großes Fragezeichen. Du hast zwei Reifen zur Wahl. Und du weißt zunächst nicht, ob deine Wahl die richtige ist - und hier kam es seit Saisonbeginn schon öfter zu seltsamen Situationen." In Monaco wären im Rennen einige Autos phasenweise vier oder fünf Sekunden über der Pace gefahren, wegen einer schlechten Reifenwahl. Todt: "In unserem Fall hatten wir keinen Grip im Qualifying und haben dafür den Preis bezahlt - im Rennen aber funktionierten die Reifen..."

Todt würdigt das von den erzielten WM-Punkten her recht gute Ergebnis der Scuderia auf dem Nürburgring, doch er sagt auch: "Es wird erst dann eine wirkliche Besserung sein, wenn ein Ferrari gewinnt oder noch besser ein Doppelsieg erzielt wird. Erst dann kann man von einer wirklichen Besserung sprechen."

Daran möchte man arbeiten - deshalb wird auch in dieser Woche wieder getestet - in Silverstone und in Monza. Todt: "Wir hoffen, dass wir uns verbessern können - mit vielen neuen Teilen und natürlich vielen Reifentests. Wie immer sind unsere Tests immer groß angelegt. Aber wichtig ist, dass dann auch das Ergebnis großartig ist. Ich bin optimistisch gestimmt - ich glaube, dass wir bald schon bessere Startplätze erzielen werden, in den ersten beiden Startreihen. Und das wird die Dinge dann entscheidend ändern."