Seit einer sechsstündigen Gewichtsuntersuchung des B·A·R Honda 007 von Jenson Button nach dem Großen Preis von San Marino in Imola steht die Formel 1 Welt Kopf. Es wird von Teamausschlüssen und Betrug gesprochen. Doch was ist wirklich los?

Die Sachlage in der Tankaffäre

Erst nach stundenlangen Untersuchungen, einer Beweisführung seitens des Teams und diversen Auf- und Abtankprozeduren wurde der Bolide von Jenson Button nach dem Rennen in Imola von den Rennstewards für legal erklärt.

Doch die Freude währte nicht lange: Nur wenig später legte die FIA höchstpersönlich Einspruch gegen diese Entscheidung der Rennkommissare ein. Die Verhandlung fand am heutigen Mittwoch in Paris statt und zog nicht nur ein gewaltiges Medieninteresse auf sich, sondern auch eine Heerschar an Anwälten, Experten, Verantwortlichen und Teammitgliedern an.

Das Problem: Der Wagen von Jenson Button soll nicht nur über einen "zweiten Tank" verfügen, was laut Experten wie Marc Surer oder Christian Danner ohnehin nichts Besonderes ist, da jedes F1-Auto einen so genannten Kollektor besitzt, welcher den Sprit aus dem Tank in den Motor befördert, sondern auch während des Rennens in Imola teilweise untergewichtig gefahren sein. Dies wäre ein Verstoß gegen das FIA-Reglement, welches besagt, dass ein Auto während des gesamten Grand Prix das Mindestgewicht aufweisen muss.

Die Anklage

Und genau dies wirft die FIA dem Team vor: Es sei eines absichtlichen, "betrügerischen Verhaltens schuldig" und habe dadurch einen "unfairen und illegitimen Vorteil" gegenüber den anderen Rennställen erhalten.

Aus diesem Grund beantragte der Motorsportweltverband den Ausschluss des Teams aus der laufenden Weltmeisterschaft und eine empfindliche Geldstrafe von mindestens einer Million Euro.

Die Verteidigung

Die britisch-amerikanische Allianz bestreitet diese Vorwürfe erwartungsgemäß und beteuert weiterhin ihre Unschuld, weshalb der Anführer ihrer Anwaltsschar David Pannick eine solche Bestrafung als "ungerechtfertigt" bezeichnete.

"Ich würde keinem im Team erlauben etwas illegales zu tun", betonte Technikchef Geoffrey Willis während der Anhörung. Willis fügte hinzu, dass das Team keinen 'geheimen Tank' besitze, wie ihn der Technische Delegierte der FIA, Jo Bauer, bereits "seit dem Malaysia GP" kennen möchte, sondern nur einen Kollektor, welcher den Motor mit ausreichend Sprit versorge.

"Das Auto benötigt Sprit im Kollektor damit es funktioniert. Diese Ausgangsposition benutzen wir für unsere eigene Gewichtskalkulation", begründete Technikdirektor Geoffrey Willis. "Unser Kollektor wiegt 9 kg, da er für unser Hochdruckbenzinsystem entworfen wurde. Tests haben hierbei ergeben, dass er ein Mindestgewicht von 6 kg benötigt. Zudem stellten wir bei Testfahrten vor Saisonbeginn fest, dass wir bei einigen Strecken mehr benötigen und dies war der Fall."

Laut Angaben des Teams ginge aus den FIA Formel 1-Regularien - "im Gegensatz zu jenen anderer FIA-Rennserien" - nicht hervor, ob der Kollektor vor dem Wiegen entleert werden muss oder nicht. Die FIA erwiderte, dass dies der Fall sein muss und B·A·R sich "mit der Fertigung eines Systems, welches den Scrutineern weiß macht, dass das Auto abgetankt sei, obwohl dies nicht der Fall ist" eines "arglistigen Verhaltens" schuldig gemacht habe.

Die Regelauslegung

Aufgrund dieser Regelgrauzone und der unterschiedlichen Interpretationsvarianten, würde sich British American Racing im Zuge der Urteilsverkündung am Donnerstag über eine Klarstellung der Regeln freuen, da das Reglement nicht eindeutig bestimmen würde, dass man den Sprit im Kollektor nicht als "Ballast" verwenden dürfe.

Die FIA verweist hingegen darauf, dass seit der Disqualifikation von Christian Fittipaldi 1994 klar wäre, dass die Autos ohne jeglichen Sprit an Bord gewogen werden müssen.

"Die Regeln sind für uns klar", so Fry. "Unser Anwalt hat deutlich gemacht, dass es in anderen FIA Meisterschaften klare Definitionen gibt, was am Ende eines Rennens geschieht und was aus dem System herausgepumpt werden muss. Diese Regeln existieren in der F1 nicht und ich glaube nicht, dass es ausreicht ein Meeting von vor zehn Jahren zu zitieren. Wenn die Regeln nach dieser Verhandlung klargestellt werden, begrüßen wir das. Denn es ist in anderen Rennserien besser als in der F1 geregelt und das ist etwas ironisch, da dies schließlich die Königsklasse des Motorsports ist."

Eine moderate Strafe

Von einem WM-Ausschluss möchten die Anwälte des britischen Rennstalls deshalb nichts wissen. Stattdessen plädieren sie, sollte das Team schuldig gesprochen werden, für eine "moderate Strafe".

"Es gibt keine Beweise dafür, dass die ernsthaften Anschuldigungen aufrechterhalten werden können. Es gibt des Weiteren keine Aufzeichnungen darüber, dass B·A·R Honda bereits zuvor in einer trügerischen oder arglistigen Art gehandelt habe", so das Plädoyer des Verteidigers. "Die FIA konnte keinen Betrug, Arglist oder Täuschung belegen. Wenn Sie gegen uns entscheiden, dann wäre mein Vorschlag eine geringe Strafe anzuwenden, da wir beweisen konnten, dass der Wagen ohne den zusätzlichen Sprit nicht um die Strecke gekommen wäre. Unter diesen Umständen wäre eine moderate Strafe ausreichend."

Kämpfen bis zuletzt

Sollten sich die vier Richter des International Court of Appeal dennoch für eine harte Bestrafung des Teams entscheiden, wie sie FIA-Präsident Max Mosley zu Jahresbeginn für alle Betrüger angekündigt hatte, dann schließt Fry einen Gang vor ein ziviles Gericht nicht aus.

"Was als nächstes passiert hängt natürlich von der Strafe ab", so Fry. "Sollten wir von der WM ausgeschlossen werden, dann haben wir keine andere Wahl als einen Schritt weiter zu gehen, aber wir gehen derzeit davon aus, dass dies nicht der Fall sein wird."

Allerdings würde das Team diesen Schritt nur gehen, wenn man von der laufenden Weltmeisterschaftssaison ausgeschlossen werden würde. "Denn dann hätten wir nichts mehr zu verlieren." Bei einer "moderaten Strafe", wie einer Geldstrafe oder der Aberkennung der WM-Zähler von Jenson Button, würde man auf diesen Weg verzichten. Wie die Reaktion bei einer Rennsperre ausfallen würde, ist nicht bekannt.

Offene Fragen

Vor der Urteilsverkündung am Donnerstag gibt es noch einige offene Fragen, neben jener ob und wenn ja, in welcher Form British American Racing Honda bestraft wird.

Beispielsweise jene danach, ob auch Takuma Satos Auto die gleiche fragwürdige Technik enthielt und warum bislang nur vom Button-Wagen die Rede war. Noch interessanter wird es, wenn tatsächlich nur Buttons Auto diese Modifikation aufgewiesen hätte...

Der Ausgang der Verhandlung ist unterdessen nur schwierig vorherzusagen. Aufgrund des Regelgraubereichs in welchem wir uns hier bewegen, könnte aber durchaus eine "milde" Bestrafung des Teams denkbar sein. Ein kompletter Freispruch ohne Geldstrafe oder Aberkennung der WM-Punkte ist aber ebenso denkbar, da beim letzten Grauzonen-Fall, der Ferrari-Windabweiser-Affäre von Malaysia 1999, eine Disqualifikation rückgängig gemacht wurde.

Nichtsdestotrotz wirft die Affäre, egal wie sie auch enden mag, einen dunklen Schatten auf das, was bislang ein perfekter Beginn einer spannenden und endlich wieder sportlich interessanten Formel 1 Saison gewesen zu sein schien.