Aus strategischer Sicht war der Große Preis von Korea ein faszinierendes Rennen. Hätte Mark Webber das Rennen gewinnen können, wenn er nicht zur gleichen Zeit wie Lewis Hamilton an die Box gefahren wäre? Hätte es Fernando Alonso aufs Podium geschafft, wenn Ferrari ihn an Teamkollege Felipe Massa vorbei gelassen hätte? Es war eines dieser Rennen, wo die Strategie permanent entscheidend war und es wichtig war, flexibel und anpassungsfähig zu agieren, wie der UBS Strategy Report verrät.

Als Pirelli bekannt gab, die superweichen und weichen Reifen im Gepäck zu haben, wussten die Ingenieure der Teams, worum gehen würde auf dem rauen Asphalt und den fordernden Kurven des Kurses. Dazu gesellte sich noch der Regen während der Trainings am Freitag, der es unmöglich machte, Daten aus Longruns zu generieren. Es war eine Reise ins Unbekannte. Pirelli brachte eine Kombination an den Start, die normalerweise auf den langsameren Straßenkursen benutzt wurde.

Der Grund: Der italienische Reifenlieferant war wegen des Grainings der Reifen besorgt, das Bridgestone im vergangenen Jahr heimsuchte. Der weiche Reifen war an diesem Wochenende zwischen 0,8 und 1 Sekunde langsamer als sein superweiches Pendant. Während des Qualifyings gab es unterschiedliche Strategien. Red Bull sparte einen Satz der weichen Reifen für das Rennen, während Ferrari und McLaren den Supersofts den Vorzug gaben.

Weniger Stopps als erwartet

Am Ende stellte sich heraus, dass der superweiche Reifen während des Rennens viel länger hielt als erwartet. Auch wurde schnell klar, dass die angenommenen drei oder vier Boxenstopps zu hoch gegriffen waren - Strategen und Fahrer vertrauten fortan auf die aktuellen Gegebenheiten. Eine Safety-Car-Phase nach einem Drittel des Rennens - wie es in dieser Saison schon häufiger passiert war - änderte das Spiel noch einmal für die Fahrer. Die vierründige SC-Phase zwischen Runde 16 und 20 half dabei, die Reifen zu erhalten - 18 von 21 Piloten, die ins Ziel kamen, beendeten das Rennen mit zwei Stopps.

Der Reifenverschleiß war besser als erwartet, Foto: Pirelli
Der Reifenverschleiß war besser als erwartet, Foto: Pirelli

Nachdem sich Sebastian Vettel im Qualifying Hamilton geschlagen geben musste, wusste er, dass er den McLaren früh im ersten Stint überholen musste. Er schaffte es noch in der ersten Runde und war fortan kaum noch gefährdet. Er schaffte es dank seines Geschwindigkeitsvorteils, in der Eröffnungsrunde eine Sekunde Vorsprung auf Hamilton heraus zu fahren. Nach 15 Runden, als der Brite zum ersten Mal die Box ansteuerte, war der Vorsprung auf 4,7 Sekunden angewachsen. Vettel hatte einen zusätzlichen Satz frischer, weicher Reifen, weil Red Bull dachte, dass diese Mischung die entscheidende für das Rennen sei.

Doch nach 16 Runden auf den gebrauchten Supersofts änderte das Team die Strategie und zog ihm für den zweiten Stint die gleichen Reifen auf. Diese hielten 18 Runden lang. Dies brachte ihm die nötige Zeit, um anschließend auf die weichen Reifen zu wechseln und den Zwei-Stopp-Plan durchzuziehen - ein Stopp weniger als noch vor dem Rennen kolportiert. Nach der Safety-Car-Phase, die Vettel einen quasi freien Boxenstopp bescherte, musste sich Hamilton auf Webber konzentrieren, der auf den Prime-Reifen sehr schnell unterwegs war.

Die schlechteste Entscheidung

Einer der Diskussionspunkte des Rennens war Red Bulls Entscheidung, Webber zur gleichen Zeit wie Hamilton an die Box zu ordern. Der Australier war auf seinen weichen Reifen zu diesem Zeitpunkt schneller als sein Rivale auf den superweichen Mischungen. Warum machte Webber seinen letzten Stopp in der selben Runde wie Hamilton, obwohl er dem Team sagte, dass seine Reifen in Ordnung seien? Nach dem Rennen war er ziemlich frustriert.

"Ich glaube, dass wir beim zweiten Stopp die schlechteste Entscheidung trafen", sagte er. "Wir stoppten nicht vor oder nach Hamilton, sondern zur gleichen Zeit. Das war enttäuschend, denn wir hatten eine gute Pace, um von Hamilton weg zu fahren." Webber hatte den McLaren-Piloten geschnappt, bei dem ein Reifenwechsel fällig war. Seit der 32. Runde waren Hamiltons Rundenzeiten um eine Sekunde langsamer geworden. Webber fuhr ab der 27. Runde hinter ihm und hatte dabei den taktischen Vorteil, dass Hamilton nicht auf einen möglichen Stopp des Australiers hätte reagieren können.

Red Bulls schnellste Stopps

Red Bull hatte an diesem Wochenende die schnellsten Boxenstopps. Es ist wahrscheinlich, dass Webber an Hamilton hätte vorbei ziehen können, wenn er in der 32. Runde die Box angesteuert hätte. Webber hatte einen Pace-Vorteil von einer halben Sekunde gegenüber Hamilton und war auf seinen weichen Reifen auf der Outlap schneller als der Brite mit gebrauchten Supersofts auf seiner Inlap. Hingegen hätte es nicht geholfen, wenn Webber eine Runde nach Hamilton rein gekommen wäre, denn Hamiltons frische Reifen hätten den Vorteil mehr als wett gemacht.

Nach dem Rennen betonte Webber, dass Vettels Rundenzeiten (Runde 31: 1:42.433s; Runde 32: 1:42.281s; Runde 33: 1:42.044s)zu diesem Zeitpunkt des Rennens besser wurden, deshalb wäre er seinen Teamkollegen nicht zu nahe gekommen. Deshalb kann Red Bull nicht dafür beschuldigt werden, Webber vom Gewinnen abgehalten zu haben. Allerdings verhinderten sie wohl seinen zweiten Platz, als sie ihn nicht vor Hamilton an die Box riefen.

War P2 für Alonso möglich?

Wäre P2 für Alonso drin gewesen?, Foto: Sutton
Wäre P2 für Alonso drin gewesen?, Foto: Sutton

Hätte Alonso beim Korea GP Zweiter werden können? Der Ferrari war im Qualifying mit seinem neuartigen Frontflügel langsam, doch im Rennen war der Spanier auf seinen weichen Reifen stark unterwegs. In den ersten 34 Runden hing er hinter Teamkollege Massa fest, was ihn ihm Vergleich zu seinen freien Runden ungefähr eine halbe Sekunde pro Umlauf kostete. In der 38. Runde überholte Alonso den Brasilianer nach den Boxenstopps. Nach seinem zweiten Stopp in der 37. Runde, fuhr Alonso sieben Sekunden hinter Button - innerhalb von zehn Runden reduzierte sich dieser Rückstand auf nur noch eine Sekunde.

Während alle anderen Piloten im letzten Stint auf etwa gleichen, weichen Reifen ähnliche Rundenzeiten fuhren, stach Alonso aus der Menge heraus. Deshalb ist klar, dass wenn Alonso nach den zweiten Boxenstopps näher an Button dran gewesen wäre, er Webber und Hamilton hätte herausfordern können. Seine Boxenfunk-Nachricht ("Ich gebe auf") war eine deutliche Ansage an die Teamverantwortlichen.

Rosbergs Kampf mit Toro Rosso

Nico Rosberg leistete ausgezeichnete Arbeit, in seinem letzten Stint 28 Runden auf den weichen Reifen abzuspulen - vier Runden mehr als jeder andere. Es war überraschend, ein Auto - vor allem einen Mercedes - so lange draußen zu sehen. In seinem ersten Stint fuhr Rosberg 13 Runden auf den superweichen Reifen. Was seinem Rennen nicht gut tat, war der Fakt, dass er im zweiten Stint nur 14 Runden auf einem frischen Satz der superweichen Mischungen unterwegs war - vier davon hinter dem Safety Car.

Rosberg verlor P7 auf der letzten Runde, Foto: Pirelli
Rosberg verlor P7 auf der letzten Runde, Foto: Pirelli

Denn Rosberg musste früh in die Box, nachdem er sich in seinem Duell mit Massa einen Bremsplatten zugezogen hatte. Obwohl er zum Ende des Rennens hin tapfer durchhielt, waren die Reifen am Ende und er wurde auf der letzten Runde noch von Jaime Alguersuari kassiert - P8 für den Silberpfeil-Piloten.

Toros Rossos auf der Geraden top

In dieser Saison haben wir schon häufiger das Safety Car nach einem Drittel der Renndistanz ausrücken sehen. Dadurch haben die Fahrer einen Vorteil, die einen längeren ersten Stint fahren. Diejenigen, die auf Soft-Reifen ins Rennen gegangen sind und lange bis zum ersten Stopp ausharrten, waren in Korea: Adrian Sutil, Pastor Maldonado und Sergio Perez. Alle drei haben vom Safety Car profitiert. Jaime Alguersuari ging auf den superwichen Reifen ins Rennen und hat bis zum Ausrücken des Safety Cars ebenfalls noch nicht gestoppt. Seine Konkurrenzfähigkeit in Bezug auf seinen Rennspeed und den Zustand seiner Reifen ist deshalb umso bemerkenswerter. Auch er profitierte vom Safety Car.

Der STR06 ging auf der Geraden extrem gut, Foto: Sutton
Der STR06 ging auf der Geraden extrem gut, Foto: Sutton

Beide Toro Rosso-Piloten, Alguersuari und Buemi, beendeten das Rennen in den Punkten. Neben den hohen Geschwindigkeiten auf der Geraden war auch der geringe Reifenverschleiß dafür ausschlaggebend. Mit 320,6 km/h (Buemi) und 320,5 km/h (Alguersuari) waren die beiden Toro Rosso in Korea sogar die schnellsten Autos auf der Geraden. Vettel war in seinem Red Bull mit 312,9 km/h sogar nur 14. schnellster. Im ersten Sektor waren die beiden Toro Rosso ebenfalls die Schnellsten: 35,0s (Alguersuari), 35,1s (Buemi), bei 35,6s von Sebastian Vettel.

Warum ging das Benzin aus?

Buemi fuhr überhaupt im letzten Teil des Rennens den längsten Stint aller Fahrer auf den Option-Reifen. Er wechselte in der 36 Runde auf seinen letzten Reifensatz und war damit in der letzten Rennrunde nur 1,5s langsamer als sein Teamkollege Alguersuari auf dem Prime-Reifen.

Rosberg und Alonso ging in der Auslaufrunde das Benzin aus. Button hatte in Suzuka bereits ein ähnliches Problem. Das wirft die Frage auf, weshalb es dazu kam? Vier Runden hinter dem Safety Car sollte den Rennställen in Yeongam genug Möglichkeiten gegeben haben, Sprit zu sparen.

Es liegt an den Teams, die bei der Größe der Tanks teils optimistischer waren, als im vergangenen Jahr und aggressivere Motoreinstellungen beim Start und Re-Start verwenden als in der Vergangenheit.