Damit hatte wohl niemand gerechnet: Nach dem kompletten Crash-Chaos am Samstag, ging es im Sonntagsrennen der DTM auf dem Norisring schon fast freundschaftlich auf der Strecke zu! Kein Demolition-Derby am Start, kein einziges Safety Car (drei am Samstag), keine schweren Unfälle auf dem Nürnberger Stadtkurs.

Stattdessen mit Felipe Fraga (AF-Corse-Ferrari) ein über beide Ohren strahlender Sieger! Nicht nur feierte der bisherige Pechvogel der DTM - sechs Ausfälle in sieben Rennen - seinen ersten Sieg in der deutschen Traditionsserie, obendrein auch noch seinen 27. Geburtstag. Dem Ferrari-Piloten gelang ein souveräner und niemals gefährdeter Sieg von der Pole Position.

"Das ist der beste Geburtstag meines Lebens", jubelte Fraga, der mit Landsmann und DTM-Gast Ailton (Fußball-Legende von Werder Bremen) einen besonderen Glücksbringer dabei hatte. "Heute die Pole nach so viel Pech! Ein guter Start, alles war fair mit Mirko. Dann war es ein normales Rennen, nichts Verrücktes, und das Team hat einen super Job in der Box gemacht."

Mit einem Rückstand von 2,7 Sekunden überquerte Mirko Bortolotti (GRT-Lamborghini) die Ziellinie als Zweiter - damit zwei Autos von italienischen Autobauern auf den ersten beiden Plätzen! Als einen "Scheiß-Tag" hatte Bortolotti den Samstag auf dem Norisring beschrieben (Quali-Disqualifikation, Unfälle im Rennen, Strafe, Ausfall) - am Sonntag schlug der von P2 gestartete Lambo-Star eindrucksvoll zurück.

Der größte Gewinner mit Blick auf die Meisterschaft war unterdessen Rene Rast. Der Abt-Audi-Pilot erzielte von Startplatz sechs als Dritter seinen zweiten Podestplatz an diesem Wochenende. Damit rückt der dreifache DTM-Champion mit 79 Punkten auf den dritten Platz in der Gesamtwertung vor. Neuer Gesamtführender ist Bortolotti, der bislang 89 Zähler sammeln konnte. Der bisherige Spitzenreiter Sheldon van der Linde ist nach der doppelten Nullrunde am Norisring noch Zweiter mit 80 Punkten.

"Wir hatten ein perfektes Qualifying und Rennen. Mehr war nicht drin. Felipe und Ferrari waren die verdienten Sieger", sagte Bortolotti, der trotz der 'Halbzeit-Meisterschaft' nichts vom Titelkampf hören wollte: "Es ist noch lange hin bis zum Saisonende!"

Lokalmatador Marco Wittmann (Walkenhorst-BMW) verpasste das Podest knapp, er verlor P3 während der Boxenstopps an Rast. Nach dem Ausfall am Samstag kann sich der zweifache DTM-Champion dennoch über eine ordentliche Punkteausbeute freuen.

Dennis Olsen, der am Samstag im SSR-Porsche seinen ersten Podiumserfolg erzielt hatte, überquerte die Ziellinie als Sechster. Lokalmatador Maximilian Götz (Winward-Mercedes), Cassidy-Ersatz Ayhancan Güven (AF-Corse-Ferrari), Luca Stolz (HRT-Mercedes), Samstags-Sieger Thomas Preining (Bernhard-Porsche) und Maro Engel (GruppeM-Mercedes) komplettierten die Top-10.

"Wir waren zu langsam", sagte der amtierende DTM-Champion Götz. "Ich will nicht auf die BoP schimpfen, aber andere sind halt zwei Sekunden schneller. Ich habe gekämpft wie ein Löwe und wollte beim Heimrennen gut dastehen. Das tue ich auch als schnellster Mercedes-Mann."

David Schumacher fiel am Norisring auch im zweiten Rennen schon nach der ersten Runde aus. Der Winward-Mercedes-Pilot kollidierte früh mit Imola-Sieger Ricardo Feller (Abt-Audi), der ebenfalls zum zweiten Mal in Folge nicht die Zielflagge sah. "Es tut mir leid für Ricardo", entschuldigte sich Schumacher später auch persönlich. "Ich habe den Bremspunkt verpasst und bin ihm stumpf hinten drauf. So ein dummer Fehler, ich habe mich im Auto so sehr über mich aufgeregt!"

Nach dem Sonntagsrennen auf dem Norisring tritt die DTM eine achtwöchige Sommerpause an. Weiter geht es auf dem Nürburgring (26.-28.08.2022) mit dem fünften Rennwochenende der Saison 2022.

DTM Norisring: So lief das Rennen am Sonntag

Der Start: Die morgendliche Ansprache der Rennleitung an die Fahrer zeigte ihre Wirkung - ein Start wie im Bilderbuch ohne größere Zwischenfälle! Pole-Setter Felipe Fraga kam sauber vor Verfolger Mirko Bortolotti durch die ersten Kurven, gefolgt von Marco Wittmann und Rene Rast. Der Abt-Audi-Pilot gewann beim Start zwei Plätze, während Thomas Preining vom vierten auf den siebten Platz zurückfiel. Dennis Olsen zählte mit drei Positionsgewinnen bis auf P5 ebenfalls zu den Gewinnern der Startphase.

Die erste Rennhälfte: Nach dem blitzsauberen Start musste Mikael Grenier seinen GruppeM-Mercedes vorzeitig in der Box abstellen. Ein Problem trat auch am Winward-Mercedes von David Schumacher auf, der Sohn von Ralf Schumacher musste ebenfalls einen ungeplanten Boxenstopp einlegen und das Auto abstellen. Vorausgegangen war eine Kollision mit Ricardo Feller. Der Abt-Audi-Pilot musste das Rennen wegen eines Schadens am Heck wenig später aufgeben.

Maximilian Buhk absolvierte in Runde 13 als erster Fahrer seinen Pflicht-Boxenstopp. Dann tat sich über Runden lang nicht allzu viel, bis sich in Runde 23 Can Güven und Thomas Preining ein sehenswertes Duell um den siebten Platz lieferten - mit dem besseren Ausgang für den Ferrari-Piloten. In der gleichen Runde traute sich mit Clemens Schmid ein zweiter Fahrer, seinen Pflicht-Reifenwechsel einzulegen. In Runde 27 folgten mit Luca Stolz und Lucas Auer zwei weitere Mercedes-Piloten.

Nach der zögerlichen Auftaktphase trauten sich in Runde 33 mehr Fahrer gleichzeitig zum Boxenstopp: Thomas Preining, Philipp Eng, Maro Engel und Nico Müller ließen neue Michelin-Reifen aufziehen. Ein Kontakt zwischen Engel und Eng an der Boxenausfahrt wurde von der Rennleitung untersucht, Engel erhielt eine Verwarnung. Einen Umlauf später folgten mit Maximilian Götz und Arjun Maini zwei weitere Mercedes-AMG GT3.

Aus dem vorderen Feld absolvierten Can Güven von P7 und Dennis Olsen auf P8 fahrend ihre Boxenstopps in der 37. Runde. Damit waren noch acht Piloten auf ihren Startreifen unterwegs.

Der weitere Rennverlauf: Nachdem die Top-4 die gesamte Zeit nur wenige Sekunden voneinander getrennt waren, machte Rene Rast in Runde 45 den Anfang und bog mit seinem Abt-Audi in die Boxengasse ab. Rast kehrte als virtueller Sechster auf die Strecke zurück. Marco Wittmann reagierte mit einem Stopp eine Runde später, doch der Reifenwechsel dauerte länger als bei der Konkurrenz. Wittmann verlor den virtuellen dritten Platz an Rast!

Spitzenreiter Felipe Fraga legte in Runde 47 nach, AF Corse lieferte einen sauberen Boxenstopp ab und so blieb der Ferrari-Pilot souverän in Führung. Ähnlich lief es auch bei Mirko Bortolotti, der mit seinem GRT-Lamborghini den zweiten Platz behielt. Damit und mit noch 14 verbleibenden Rennminuten war das Feld Boxenstopp-bereinigt.

Rund sieben Minuten vor Schluss musste Kelvin van der Linde seinen Abt-Audi wegen eines Getriebeproblems abstellen und vorzeitig duschen gehen - ein gebrauchtes Wochenende für den Südafrikaner. An der Spitze tat sich am Ende nichts mehr, Fraga kam vor Bortolotti, Rast und Wittmann ins Ziel.