Im Feld der über 170 Fahrer trat Rene Binder als einer von nur drei Österreichern und als Einziger in der LMP2-Klasse beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 2020 an. Technische Probleme brachten den Tiroler und sein Team Inter Europol Competition um ein besseres Ergebnis als den 18. Platz in der hart umkämpften Prototypen-Klasse. Im Interview mit Motorsport-Magazin.com blickt der 28-jährige Binder zurück auf seinen zweiten Start in Le Mans und gibt einen Ausblick auf die Zukunft im Motorsport.

Rene, wie fällt das Fazit zu deinem zweiten Start bei den 24 Stunden von Le Mans nach 2019 aus?
Rene Binder: Wir hatten uns vor dem Rennen mehr ausgerechnet, nachdem wir 2019 das Rennen mit Panis Barthez Competition und Ligier auf dem achten Platz in der Klasse abgeschlossen haben. Wir hatten uns dieses Jahr sehr gut vorbereitet und nach Platz sechs im vorangegangenen ELMS-Rennen war die Erwartungshaltung im Team höher. Vom reinen Speed her waren wir nicht davon ausgegangen, in den Top-10 mitmischen zu können, aus Sicht der Konstanz aber schon. Das Paket mit Ligier hat uns dann doch etwas enttäuscht.

Was bedeutet das konkret?
Rene Binder: Die Oreca-Teams hatten mit ihrem Aero-Paket einige Vorteile in Le Mans, vor allem aufgrund der Getriebeübersetzung und dadurch der Beschleunigung auf den langen Geraden. Wir mussten über die Downforce einiges kompensieren, wodurch es dann im letzten Sektor in den Porsche-Kurven schwierig wurde. Das liegt dem Ligier-Paket überhaupt nicht.

Am Rennende hattet ihr 71 Runden Rückstand auf den Sieger-LMP1-Toyota. Was lief schief?
Rene Binder: Wir konnten bis um 04:00 Uhr am Sonntagmorgen relativ gut mitfahren und hätten das Rennen realistisch gesehen auf dem elften oder zwölften Platz beendet. Das wäre unser Maximum gewesen. Dann bekamen wir aber ein Problem mit der Benzinpumpe, das uns immer stärker behindert hat, sodass wir gegen 05:00 Uhr die Box ansteuern mussten. Das Problem hatte sich abgezeichnet und wurde immer schlimmer im oberen Bereich ab 250 km/h. Der Motor hat zu wenig Sprit bekommen und uns fehlten pro Runde fünf bis acht Sekunden. Dazu kamen noch Probleme mit der Lichtmaschine, was uns von 04:00 bis 09:00 Uhr ausgebremst hat.

Foto: Inter Europol Competition
Foto: Inter Europol Competition

Wie geht man als Rennfahrer mit solch einer langen Zwangspause im Rennen um?
Rene Binder: Mir hatte mal ein erfahrener Le-Mans-Pilot erzählt, dass es das schlimmste Gefühl sei, wenn so ein technischer Defekt im Rennen auftritt. Ich dachte mir damals: 'Okay, aber trotzdem ist es doch cool, wenn man danach noch weiterfahren kann'. Na ja, jetzt habe ich so eine Situation leider selbst miterlebt... Du stehst am Samstag um 07:00 Uhr morgens für das Rennen auf und rund 20 Stunden später geht dann erst mal nichts mehr voran, dann ist irgendwann diese Spannung weg und es wird schwierig, sie wieder zu finden. Ein blödes Gefühl für einen Rennfahrer, das hatte ich mir - ehrlich gesagt - anders vorgestellt.

Wie hast du die Zeit verbracht, als das Auto repariert wurde?
Rene Binder: Geschlafen habe ich nicht, weil man ja nicht genau wusste, wann es weitergehen kann. In den fünf Stunden habe ich mich immer wieder ins Auto gesetzt, bin ausgestiegen, wieder rein und so weiter. Das hat mich müder gemacht als das Rennen zu fahren. Irgendwann ist einfach das Adrenalin weg und es wird wirklich zäh.

Foto: LAT Images
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Normalerweise besuchen rund 250.000 Zuschauer die 24 Stunden von Le Mans vor Ort. Dieses Jahr musste das Rennen wegen Corona vor leeren Tribünen ausgetragen werden. Wie hast du diese Situation als Fahrer wahrgenommen?
Rene Binder: Als ich 2019 zum ersten Mal in Le Mans gefahren bin, hat mich die Atmosphäre schon sehr beeindruckt. Ohne Zuschauer war es dieses Jahr ein anderes Gefühl. Du bist halt nur im Fahrerlager und siehst fast eine Woche lang immer die gleichen Gesichter. Wir waren alles froh, dass das Rennen überhaupt stattfinden konnte, aber für die Veranstaltung war es schade ohne Fans.

Hast du bei dir persönlich beim zweiten Start in Le Mans einen Fortschritt erkannt?
Rene Binder: Am Simulator wirkt der Kurs relativ unspektakulär mit den langen Geraden. In der Realität ist es anders, weil sich die Strecke über die Tage hinweg stark verändert und mit dem geringen Downforce-Paket ziemlich schwierig zu fahren ist. Es ist anspruchsvoller als es vielleicht im Fernsehen rüberkommt. Ich mag Le Mans aber wahnsinnig gerne mit den unterschiedlichen Verhältnissen und dem Fahren in der Nacht. Mit der Erfahrung aus 2019 habe ich mich als Fahrer sicherlich noch einmal steigern können.

Foto: Inter Europol Competition
Foto: Inter Europol Competition

Ein großes Thema beim Rennen waren die vergleichsweise langsamen Amateur-Fahrer, die schon in den Trainings und Qualifyings für einiges Chaos gesorgt haben. Wie hast du das gesehen?
Rene Binder: In der LMP2-Kategegorie weniger, da waren fast nur Profis am Start. In der GTE-Am-Klasse waren aber einige Amateure dabei, die deutlich langsamer fuhren. Wenn du gegen einen Profi kämpfst, weißt du, wie er sich verhält. Wenn ein Amateur in einer Überholsituation aber 'zuckt', verunsichert dich das und die Unfallgefahr steigt. Ich muss aber sagen, dass ich vollstes Verständnis habe. Die LMP2-Autos sind inzwischen so schnell und zusammen mit den LMP1 fahren da rund 30 Prototypen auf der Strecke - für GT-Fahrer sind die enormen Geschwindigkeitsunterschiede einfach schwierig einzuschätzen.

Die LMP2-Kategorie war in diesem Jahr das Highlight in Le Mans mit Fahrern wie Montoya, Di Resta, Vergne, Felix da Costa und Co. Siehst du das ähnlich?
Rene Binder: Mit unserem Fahrzeug konnten wir leider nicht so im Fight mitmischen, aber ja, die Klasse war extrem stark besetzt mit 90 Prozent Profi-Fahrern. Das war dieses Jahr sicherlich die härteste Kategorie und da zu gewinnen, hat einiges erfordert und es musste alles passen. Gerade die Top-5 konnten sich wirklich keinen einzigen Fahrfehler oder technische Probleme leisten, sonst wäre es direkt vorbei gewesen.

Foto: LAT Images
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Auf dich warten in dieser Saison noch zwei Rennen mit der Europan Le Mans Series in Monza (11. Oktober) und Portimao (01. November). Wie motivierst du dich dafür als Fahrer nach dem Highlight in Le Mans?
Rene Binder: Das bin ich sowieso, weil die ELMS mittlerweile eine wirklich professionelle Rennserie ist, in der 15 LMP2-Autos antreten. Die Klasse ist top besetzt und hart umkämpft. Wenn es uns mit dem Ligier gelingt, wie in Le Castellet in die Top-6 zu fahren, wäre das ein absoluter Erfolg. Um mit dem Auto vorne reinzufahren, muss allerdings wirklich alles passen. Und das ist uns mit dem Team und der Fahrerbesetzung eigentlich zu wenig.

Weißt du schon, wie es bei dir nach der Saison weitergeht?
Rene Binder: Das Ziel ist, wieder international zu fahren und in einer LMP2-Klasse an den Start zu gehen. In welcher Serie, ist dabei gar nicht so entscheidend für mich. Ich würde sehr gerne mit Inter Europol Competition weitermachen, weil das Team sehr gute Aussichten für die Zukunft hat. Ich denke, dass die LMP2 auch eine sehr gute Kategorie ist, um sich für die kommenden Hypercars oder LMDh zu empfehlen. Mittelfristig möchte ich gern in der Top-Klasse in Le Mans am Start stehen.