Audi ging 2023 in das zweite Jahr seines großen Rallye-Projektes. Der RS Q e-tron sollte als erstes elektrogetriebenes Fahrzeug auf das Podest der prestigeträchtigen Rallye Dakar stürmen. Schon beim Debüt im Vorjahr hatte das Konzept mit einem TFSI-Motor als Stromerzeuger vier Etappensiege eingefahren und erstaunlichen Speed gezeigt. 2023 sollte nun auch der Angriff in der Gesamtwertung erfolgen. Dafür hatte Audi nicht nur technisch, sondern auch auf Fahrerseite aufgerüstet. Schon 2022 wurden für das Projekt die Rallyelegenden Stephane Peterhansel und Carlos Sainz, welche gemeinsam auf 11 Gesamtsiege kommen, verpflichtet. Als dritter Fahrer stieß DTM-Legende und Audi-Urgestein Mattias Ekström hinzu, der jedoch noch nicht so viel Rallye-Erfahrung vorzuweisen hat.

Zu Beginn der Dakar 2023 schien Audi auf Kurs. Ekström gewann den Prolog und Sainz siegte auf der ersten Etappe. Während der ersten vier Etappen ereilte Audi das Pech von insgesamt 14 Reifenschäden, verteilt auf die drei Autos. Dennoch war noch alles drin: Peterhansel lag auf Rang Zwei der Gesamtwertung, Sainz war als Vierter ebenfalls noch gut in Position. Dies änderte sich auf der 6. Etappe. Die beiden Rallye-Veteranen verunfallten an derselben Stelle. Für den Franzosen war es das aus, sein Beifahrer Edouard Boulanger verletzte sich und musste von Spezialisten in Deutschland an der Wirbelsäule behandelt werden. Wie heftig der Unfall war, zeigte auch die Aussage Peterhansels: "Drei Tagesergebnisse unter den ersten drei haben gezeigt, was möglich war. An meinen Unfall, der alle Hoffnungen zunichte gemacht hat, habe ich allerdings keine Erinnerung mehr."

Hier liegen Audis Dakar-Hoffnungen begraben, Foto: A.S.O. / DPPI
Hier liegen Audis Dakar-Hoffnungen begraben, Foto: A.S.O. / DPPI

Nur Ekström kommt durch, Audi will Niederlage aufarbeiten

Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen konnte Sainz nach Reparatur weiterfahren. Sein Rückstand war aber jedoch auf ein aussichtloses Maß angewachsen, von da an ging es nur noch um Tagessiege. Aber dies auch nur noch bis zur neunten Etappe, als der dreifache Dakar-Sieger sich wenige Kilometer nach dem Start überschlug und sein Auto nach langem Bangen nicht mehr repariert werden konnte. Die Episode zuvor rund um den zum Umkehren aufgeforderten Medical-Helikopter, der Sainz eigentlich zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen sollte, passte ebenfalls ins Bild. Der Spanier konnte nur noch resignieren: "Es schien, dass in diesem Jahr nichts zu unseren Gunsten lief. Das gesamte Team war gut vorbereitet, aber zwei Unfälle haben unsere Zielankunft verhindert. So kann Motorsport leider manchmal sein."

Auch Mattias Ekström hatte nach vielen Stunden der Reparaturen an seinem Wagen keine Chance mehr auf eine vordere Gesamtplatzierung. Die Tagessergebnisse in der zweiten Woche machten aber dennoch Hoffnung. Von Etappe 9 bis zur 14. und letzten Etappe lag das Duo Ekström/Bergkvist immer unter den ersten Vier, auch wenn gegen Dominator Sebastien Loeb kein Sieg gelang. Ekströms eigene Aussage nach der Dakar könnte wie eine Art Motto für das gesamte Rallye-Projekt Audis gelten: "Es war eine harte Rallye: Wir haben auch nach den hohen Zeitverlusten nie aufgegeben."

Nur Mattias Ekström brachte den Audi ins Ziel, Foto: A.S.O. / DPPI
Nur Mattias Ekström brachte den Audi ins Ziel, Foto: A.S.O. / DPPI

Audis Motorsport-Chef Rolf Michl zieht ein gemischtes Fazit. Er glaubt weiterhin an das Potential des Projektes, doch es gibt noch einiges an Arbeit: "Wir haben bei dieser Ausgabe der Rallye Dakar alle Höhen und Tiefen erlebt. Die Spitzenergebnisse in den Tageswertungen zeigen, dass wir mit unserem innovativen RS Q e-tron zu den Schnellsten zählen. Und das mit einem Auto, das die geringsten Emissionen erzeugt. Von Reifen- und Fahrwerksschäden bei Hindernissen auf den rauen Pisten bis zu den Unfällen haben wir aber auch viele Enttäuschungen erlebt. Nun arbeiten wir gründlich alle Aspekte auf."

Klare Ansage: Audi will 2024 aufs Podest

Auch das Fazit des technischen Vorstands Oliver Hoffmann zeigte, wo das Problem liegt: „Das Tempo unseres innovativen Audi RS Q e-tron war schon zu Beginn gut und zeigte sich auch am Schluss. Leider hatten wir in der Wüste auch Pech und viele Reifenschäden. Trotz der Rückschläge hat das Team dank starker Leistungen eine Zielankunft gefeiert." Diese bedeutete für Ekström jedoch nur Gesamtrang 14. Den Audis mangelt es nicht an Speed, sondern an Konstanz. Eine weitestgehend problemlose Rallye Dakar gelang in beiden Jahren keinem der drei Starter. Neben den Unfällen von Sainz und Peterhansel zeigte sich der Wagen auch sehr anfällig für Aufhängungsschäden.

Ob es nun einfach Pech war oder ob Audi technisch noch einmal in Sachen Zuverlässigkeit nachlegen muss, eines ist klar: Aufgegeben wird bei den Ingolstädtern nicht. An den Ambitionen hat sich nichts geändert, das stellte Hoffmann unmissverständlich klar: "Wir werden nun alle Bereiche analysieren. Ein Podium war unser Ziel. Das bleibt es auch weiterhin, denn wir werden 2024 auf jeden Fall erneut antreten." Der Speed bei Audi ist sowohl beim Auto als auch bei den Fahrern vorhanden, doch den Marathon-Klassiker gewinnt zumeist der zuverlässigste Pilot. Die diesjährige Ausgabe zeigte dies einmal wieder auf. Sebastien Loeb war mit sieben Etappensiegen sicherlich der schnellste Fahrer, doch siegte Nasser Al-Attiyah in der Gesamtwertung souverän. Der Katari holte sich 'nur' zwei Tageserfolge, aber er handelte sich auf keiner Etappe einen großen Rückstand ein.