Einer der unzähligen und zum Teil schweren Crashes endete für Mercedes-AMG-Vertragsfahrer Manuel Metzger im Krankenhaus. Der Nordschleifen-Spezialist, der auch als Instruktor und Coach tätig ist, verlor nach Teamangaben im zweiten Qualifying im Streckenabschnitt "Pflanzgarten" die Kontrolle über den Mercedes-AMG GT3 des HRT-Teams und hätte deshalb keine Chance gehabt, dass ausgebrochene Auto wieder einzufangen.

Metzger wurde zunächst in das Medizinische Zentrum an der Rennstrecke gebracht und anschließend mit dem Rettungshubschrauber in die Uni-Klinik Bonn geflogen. Dort diagnostizierten die Ärzte einen Brustwirbelbruch. Der 36-Jährige, dem es den Umständen entsprechend gut gehen soll, wurde am Sonntag in eine Klinik in die Nähe seines Schweizer Wohnortes Frauenfeld überführt, wo er auch operiert wird. Wegen der Schwere seiner Verletzung wird der frühere VLN-Gewinner Metzger auch nicht am Langstreckenklassiker, bei dem er 2016 unter anderen für den letzten Triumph von Mercedes-AMG gesorgt hat, teilnehmen können.

Mercedes: Kein technisches Problem erkannt

Laut Mercedes-AMG-Pressesprecher Jochen Übler hat man bei der Datenanalyse "kein technisches Problem am Auto erkennen können"!. Weitere Untersuchungen seien aber noch nicht final abgeschlossen. Der Mercedes-AMG GT3 (#12) des Teams Hubert Haupt Racing (HRT), bei dem noch die weiteren Topfahrer Raffaele Marciello und Luca Stolz zum Einsatz kommen sollten, wurde bei dem schweren Unfall so stark beschädigt, dass die Verantwortlichen ihn von der Veranstaltung zurückzogen. Neben einem neuen Auto muss das HRT-Team nun auch noch einen neuen Fahrer für das 24h-Rennen Ende Mai präsentieren. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com wird Metzger durch den letztjährigen DTM-Piloten Philip Ellis oder Nico Bastian ersetzt.

Sollte es tatsächlich ein Fahrfehler des sehr erfahrenen Metzger gewesen sein, ist dies ein weiteres Zeichen für den schmalen Grad, den es bei Durchschnitts-Geschwindigkeiten von inzwischen mehr als 187 km/h (!) auf der Nordschleife zu bewältigen gilt. Es sei bei diesen Geschwindigkeiten ein Ritt auf der Rasierklinge, wie viele Protagonisten hinter vorgehaltener Hand versichern.

Sind GT3-Rennen auf der Nordschleife zu gefährlich?

Damit stellt sich die wichtige Frage, die schon seit dem tödlichen Unfall eines Zuschauers beim VLN-Saisonstart 2015 gestellt wird: Sind GT3-Sportwagen in ihrer heutigen Form überhaupt noch zeitgemäß auf der anspruchsvollen Nordschleife?

Einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Nordschleifen-"König" Klaus Ludwig, selbst dreimaliger 24h-Gesamtsieger (1982, 1987, 1999) auf einer seiner Lieblings-Rennstrecken. Zu den immer schneller werdenden Rundenzeiten auf der Nordschleife hat er eine klare Meinung: "Das ist Wahnsinn! – die (Verantwortlichen, d. Red.) sind krank", betont der 72-Jährige, der aus eigener Erfahrung weiß, wovon er spricht. Dabei denkt Ludwig offenbar auch an seinen Sohn Luca, der den werksunterstützen Octane-126-Ferrari in beiden Top-Qualifyings auf den Startplätzen drei und vier als bester Nicht-BMW platzierte und dabei sein offensichtlich immer noch unterschätztes Können erneut nachhaltig unter Beweis stellte. Ob Ludwig jr. seine starke Performance auch beim Rennen zeigen kann, steht nach dem Totalschaden am Ferrari 488 GT3, den Teamkollege Simon Trummer verursachte, nicht fest.

Die beiden schweren Unfälle von Metzger und Trummer waren beileibe nicht die einzigen an diesem Wochenende. Viele Top-Teams beklagten knapp drei Wochen vor dem Saisonhöhepunkt teils große Schäden an ihren GT3-Sportwagen. Damit stellt sich die Frage nach dem warum, denn eigentlich spielt eine gute Startposition bei einem 24h-Rennen keine Rolle. Denn niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass sie letztendlich über Sieg oder Niederlage entscheidet.

Insofern ist es erstaunlich, dass es beim "Warmfahren" für den Eifelmarathon so viele kostspielige Zwischenfälle gab. Denn es geht zumindest sportlich um nicht weniger als gar nichts, oder? Wenn da nicht auch noch das umstrittene Thema Balance of Performance (BoP) eine Rolle spielen würde.

BoP: Wird BMW eingebremst?

Und hierbei wurden – wieder einmal – von den beteiligten Herstellern nicht alle Karten auf den Tisch gelegt – beispielsweise auch von "Überflieger" BMW. Der Autobauer aus München hat nach den jahrelangen und teils enttäuschenden Vorstellungen mit dem BMW M6 GT3 endlich wieder ein GT-Auto entwickelt, dass wohl auf allen Rennstrecken der Welt konkurrenzfähig ist.

Die Lobeshymnen der in die Entwicklung eingebundenen Werksfahrer ließen schon darauf schließen, dass die Münchner eine "Wunderwaffe" aus dem Hut gezaubert haben. Die bisher erzielten Resultate sprechen eine deutliche Sprache, wie beispielsweise der Dreifach-Triumph zuletzt beim dritten NLS-Rennen unterstreicht.

Trotz mehrfacher BoP-Anpassungen zu Ungunsten von BMW konnten die werksunterstützten Teams RMG, ROWE und Walkenhorst diesen Nachteil kompensieren und die Pole Position unter sich ausmachen. Die Konkurrenz glaubt, dass BMW das Potenzial des M4 noch lange nicht ausgeschöpft hat. Dafür sprechen auch mehr als drei Dutzend (!) Sektorzeiten, die zusammenaddiert öffentlich nicht bekannt sind, Motorsport-Magazin.com aber vertraulich mitgeteilt wurden.

Dabei wird klar, dass der BMW M4 GT3 auf der NLS-Variante locker in der Lage ist, unter 7:50 Minuten pilotiert zu werden. Was bedeuten würde, dass auf der 24h-Variante Topzeiten knapp über der Acht-Minuten-Schallmauer möglich sind und dabei die Durchschnittsgeschwindigkeit bei fast 190 km/h (!) liegen würde.

Ludwig nennt das Wettrüsten Wahnsinn, wir meinen, es ist sogar Irrsinn und es gehört sofort verboten, bevor ein weiterer tödlicher Unfall das Ende für die Nordschleife – zumindest für die attraktiven GT3-Sportwagen – bedeuten könnte. Diese Möglichkeit hat das für die Sicherheit zuständige Ressort der FIA auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com bestätigt!

All die Maßnahmen, die in den letzten Jahren getroffen wurden, um den Topspeed und die Rundenzeiten einzudämmen, sind inzwischen wieder verpufft. Das liegt nach Informationen von Motorsport-Magazin.com auch daran, dass sich die Hersteller bei einer möglichen, einvernehmlichen Lösung nicht einig sind. Jeder sucht seinen eigenen Vorteil zum Nachteil des Wettbewerbers.

Schaut man sich die schnellsten gefahrenen Rundenzeiten im Top-Qualifying und auch im Rennen genau an, sind alle Hersteller mit Siegambitionen dicht beisammen – und nur um wenige Zehntel- beziehungsweise Sekunden hinter BMW liegend. Das ist kein Zufall, sondern wird bewusst so gespielt! Im Fachjargon heißt dieser umstrittene Wettbewerb "Zielzeitfahren", stammt aus der DTM und bedeutet nichts anderes, als eine bestimmte, vorgegebene Zeit möglichst exakt in die Tat umzusetzen.

Deshalb ist eine perfekt funktionierende BoP auch nicht die einfachste Fingerübung! Man darf deshalb jetzt schon gespannt sein, wie die finale Einstufung vom Technikausschuss des ADAC Nordrhein aussieht und wer danach die besten Karten in der Hand hält. Wenn es ganz schlecht läuft, könnte BMW der große Verlierer im BoP-"Spiel" sein…

BMW-Junioren gewinnen Samstagsrennen

Zurück zu den beiden Läufen, die für Experten und Insider keinen Hinweis auf die tatsächliche Performance gegeben haben. In den dreistündigen Quali-Rennen hatten die BMW-Teams (fast) alles im Griff. Nach einer erneut starken Vorstellung der von Motorsport-Magazin.com schon im vergangenen Jahr hochgelobten BMW-Junioren setzten sich Dan Harper, Max Hesse und Neil Verhagen im BMW M4 GT3 der Reinhold Motorsport GmbH (RMG) in der durch Regen beeinträchtigen Schlussphase mit nur 7,333 Sekunden Vorsprung vor den Markenkollegen und Pole-Settern Connor de Phillippi, Phillip Eng, Augusto Farfus und Nick Yelloly von ROWE Racing durch. Als Dritte sprengten Maro Engel, Jules Gounon und Daniel Juncadella im Mercedes-AMG Team GetSpeed die BMW-Dominanz an der Spitze und verhinderten einen Vierfach-Triumph der Bayern.

Der zweite GetSpeed-Mercedes, pilotiert von Adam Christodoulou, Maximilian Götz und Fabian Schiller nutzte am Sonntag die Gunst der Stunde, als der schon ziemlich sicher scheinende BMW-Doppelerfolg der RMG-Junioren durch einen minimalen Fehler verhindert wurde. Das überlegen führende BMW-Trio kassierte wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von lediglich 4 km/h in einer Code-60-Phase eine Zeitstrafe der Rennleitung und musste am Ende noch froh sein, wenigstens den zweiten Platz gerettet zu haben. Auf Position drei lag nämlich das Audi Sport Team Car Collection mit Mattia Drudi, Patrick Kolb und Christopher Mies nur 1,573 Sekunden zurück. Noch knapper war die Differenz (0,582 Sekunden) zum viertplatzierten CC-Schwesterauto von Christopher Haase und Patric Niederhauser.

Wegen der knappen Abstände, für die auch Sportwagen von Ferrari, Lamborghini und Porsche verantwortlich zeichneten, dürfen sich vor allem die Nordschleifen-Fans auf die 50. Jubiläums-¬Auflage des berühmten 24-Stunden-Rennens freuen und dabei, wie alle Beteiligten darauf hoffen, dass schwere Unfälle das spannende Renngeschehen nicht wieder in den Hintergrund rücken!

Dazu gehörte nach Rennende auch die traurige Nachricht der Rennleitung, dass ein im Streckenbereich "Pflanzgarten" tätiger Sportwart in der Schlussphase des Sonntagsrennens bei Aufräumarbeiten kollabiert und nach dem Rennens verstorben war. Obwohl Ärzte unmittelbar zur Stelle waren und umgehend Reanimationsmaßnahmen einleiteten, musste im Medical Center schließlich der Tod des 52-Jährigen festgestellt werden.