Von außen erscheint es leicht, eine so berühmte Rennserie wie die Formel 1 zu promoten. Wie sieht es mit der WTCC aus?
Marcello Lotti: Lassen Sie mich eins klarstellen: Es ist immer schwierig, eine Serie zu promoten, insbesondere wegen der schwierigen Wirtschaftslage in den letzten Jahren, die uns auch in Zukunft weiter Probleme bereiten wird. Das gilt für die Formel 1 genauso wie für die WTCC. Es gibt aber ein paar Regeln, denen man folgen kann. Als wir uns 2005 entschlossen haben, die Weltmeisterschaft auszurichten, haben wir uns zwei Prioritäten gesetzt. Erstens wollten wir die TV-Verbreitung vergrößern; zweitens benötigten wir ein attraktives Starterfeld. In Sachen Publikum haben wir inzwischen über eine Saison verteilt weltweit die zweitmeisten Zuschauer nach der Formel 1. Ein Grund dafür liegt sicher darin, dass wir ein Format entwickelt haben, das im TV gut funktioniert. Um uns in diesem Bereich auch in Zukunft weiter zu steigern, ist es aber ebenso wichtig, ein gutes Produkt zu haben. Nur so sind wir in der Lage, mehr Sendezeit im TV zu bekommen beziehungsweise die Rennen an die Sender zu verkaufen. Mit Produkt meine ich in diesem Fall das Starterfeld, also genügend Autos, guten Wettbewerb und verschiedene Marken - jeder, der sich die Rennen im Fernsehen anguckt, will eine gute Show sehen.

Wie gefällt Ihnen vor diesem Hintergrund die Dominanz von Chevrolet?
Marcello Lotti: Mir als Promoter gefällt das natürlich nicht, wenn ein Team so dominant ist. Allerdings ist das für uns nichts Neues. Erst hatten wir wir die weißen Autos von BMW, die alles gewonnen haben, dann waren es die gelben von Seat, jetzt sind es eben die blauen - das ist die Story des Motorsports. Und was mir genauso wenig gefallen würde, wäre eine Balance of Performance. Das würde vielleicht helfen, die Lücke zwischen den Teams zu schließen, aber dafür ein gewinnendes Auto bestrafen. Das fände ich nicht gut. Wenn jemand einen guten Job macht, soll er dafür belohnt werden. Aber ich bin mir ohnehin noch nicht sicher, dass Chevrolet über die gesamte Saison dominiert. Ja, sie waren in den ersten Rennen stark, aber es gibt ein paar neue Hersteller und neue Teams, die ihnen das Leben sicherlich noch schwer machen werden. Ich bin mir sicher, dass wir in Kürze guten Wettbewerb auf der Strecke sehen werden. Von dem deutschen Seat-Team war ich beispielsweise sehr beeindruckt. Marc Basseng ist in den ersten Rennen fantastisch gefahren und hat bewiesen, dass er ein Weltmeister ist. Ich glaube, er kann Chevrolet Paroli bieten.

Die Dominanz von Chevrolet ist Marcello Lottie in Dorn im Auge, Foto: WTCC
Die Dominanz von Chevrolet ist Marcello Lottie in Dorn im Auge, Foto: WTCC

War eine größere Ausgeglichenheit im Feld eventuell auch ein Ziel, das Sie bei den Regeländerungen für 2014 verfolgt haben?
Marcello Lotti: Nein, nicht unbedingt. Es ist in allen Kategorien wichtig, eine gewisse Stabilität zu gewährleisten. Aber außer dem kleinen Schritt mit dem Turbo vor zwei Jahren wir haben jetzt schon ziemlich lange die gleichen Regeln und sind mittlerweile am Limit des Reglements angelangt. Die Rennwagen in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft werden immer aus Straßenautos entwickelt. Mit der Evolution der Regeln für die Straßenautos wird es immer schwieriger, es in ein gutes Rennauto zu transformieren. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Regeln zu ändern. Wir machen allerdings kein komplett neues Reglement, sondern entwickeln das alte weiter. Damit wollen wir den Automarken die Chance geben, ein gutes Auto zu bauen.

Sind neben neue Regeln auch neue Rennen geplant - zum Beispiel in Deutschland?
Marcello Lotti: Nichts gegen Deutschland - ich mag das Land. Ich habe zwei Jahre dort verbracht als ich bei BMW war. Die Bedingungen passen im Moment einfach nicht und darüber hinaus sind wir mit der Veranstaltung auf dem Salzburgring sehr zufrieden, vor allem weil dort großes Interesse von Seiten des des Bundeslandes besteht. Aber wir würden uns natürlich immer über ein Rennen in Deutschland freuen. Nach Oschersleben zurückkehren? Warum nicht. Ein Rennen auf dem Nürburgring? Warum nicht. Wir haben einen Traum: Wir würden gerne zwei Drei-Runden-Rennen auf einer wirklich mythischen Strecke in Deutschland austragen: auf der Nordschleife. Das wäre perfekt für unser Format, die geforderten 75 Kilometer hätten wir damit schon erreicht. Stellen Sie sich das mal vor: Das erste Rennen - drei Runden, das zweite Rennen - drei Runden, das wäre eine tolle Sache. Für mich wäre das eines der fantastischen Events der letzten 20 Jahre. Das ist unser Traum - und wer weiß, vielleicht wird er schon bald Realität.

Traurige Realität ist allerdings auch, dass Sie mit dem dreimaligen Weltmeister Andy Priaulx einen großen Namen an die DTM verloren haben. Vermissen Sie ihn?
Marcello Lotti: Ja, natürlich, genauso wie Augusto Farfus. Wir sind eine große Familie in der WTCC und das waren zwei sehr gute Fahrer. Aber wenn du ein paar Familienmitglieder verlierst, bekommst du auch immer neue dazu...