Vollgas ohne Kompromisse – Sebastien Ogier/Julien Ingrassia haben bei der Rallye Italien am längsten Rallye-Tag seit 13 Jahren die Führung erobert. Bei extrem harten Bedingungen, denen alle Top-Teams Tribut zollen mussten, lieferte sich das Volkswagen Duo im Polo R WRC ein packendes Duell mit Hayden Paddon (Hyundai) um die Führung. Auf der 17. Wertungsprüfung der Rallye übernahmen die Doppelweltmeister die Spitzenposition, nachdem sie auf der Nachmittagsschleife östlich des Serviceparks in Alghero den Druck erhöht hatten. Nach knapp 90 Prozent der Gesamtdistanz auf Sardinien liegen Ogier/Ingrassia nun 2.13,6 Minuten vor Paddon. Auf den insgesamt 212,83 Kilometern der neun Sonderprüfungen am Samstag – dem längsten Tag seit der Safari-Rallye 2002 – sicherten sich Ogier/Ingrassia zwei, ihre Volkswagen Teamkollegen drei weitere Bestzeiten.

Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila und Andreas Mikkelsen/Ola Fløene mussten allerdings Rückschläge hinnehmen. Latvala/Anttila waren als Dritte in den Tag gestartet, fingen sich jedoch ausgerechnet auf der 13. Wertungsprüfung, "Coiluna–Loelle" einen Reifenschaden ein und verloren beim Wechsel etwa 2:30 Minuten. Auf der 17. Sonderprüfung kam ein Aufhängungsschaden hinzu, ausgelöst durch einen Felsbrocken auf der Ideallinie. Latvala/Anttila reparierten ihr World Rally Car zwischen den Prüfungen provisorisch und kämpften sich bis zum Abendservice in Alghero vor. Sie verloren in der Summe etwa acht Minuten und fielen auf die sechste Position des Gesamtklassements zurück. Mikkelsen/Fløene erlebten zudem ein zu kurzes Comeback unter Rallye-2-Reglement. Ebenfalls auf der 13. Wertungsprüfung war für die Norweger mit einem weiteren Aufhängungsschaden vorzeitig Schluss. Die Volkswagen Paarung wird abermals unter Rallye-2-Reglement am Sonntag wieder ins Geschehen der Rallye Italien eingreifen.

Stimmen, 02. Tag Rallye Italien

"Das war ein sehr langer und anstrengender Tag im Cockpit, aber ich bin glücklich damit, wie er verlaufen ist", freute sich Weltmeister. Dennoch lief auch bei Ogier nicht alles reibungslos: "Am Vormittag hatte ich nur einen kleinen Fehler, als ich auf der 13. Prüfung in einer Spitzkehre beinahe das Auto abgewürgt habe, ansonsten lief es für Julien und mich nahezu perfekt. Mein Ziel war es, am Ende des Tages die Führung zu übernehmen und ich bin froh, dass es so eingetreten ist. Es war ein hartes Stück Arbeit, denn Hayden Paddon hat lange Zeit Paroli geboten. Zudem waren die Streckenbedingungen extrem hart, wodurch immer das Risiko eines Reifenschadens mitfuhr. Für den Schlusstag haben wir jetzt die Trümpfe in unserer Hand. Und wir wollen unsere Position bis ins Ziel verteidigen."

Jari-Matti Latvala war am Samstag vom Pech verfolgt, Foto: Sutton
Jari-Matti Latvala war am Samstag vom Pech verfolgt, Foto: Sutton

Teamkollege Latvala fasste seinen bitteren Samstags-Auftritt wie folgt zusammen: "Der Tag begann heute richtig gut – mit der Bestzeit auf der zwölften WP. Leider hat es mir nach einem Sprung in der folgenden Sonderprüfung den Reifen von der Felge gezogen. Durch den Reifenwechsel haben wir fast 2:30 Minuten verloren. Das war ein großer Rückschlag im Kampf um den Sieg. Am Nachmittag lag auf der WP ‚Monti die Alà‘ ein Stein mitten auf der Ideallinie. Ich konnte nicht mehr ausweichen und habe mir dabei den hinteren linken Dämpfer zerstört. Wir haben versucht, das Auto bestmöglich zu reparieren können von Glück sagen, dass wir uns aus eigener Kraft in den Servicepark gekämpft haben."

Mikkelsen haderte erwartungsgemäß mit seinem Horror-Wochenende, formulierte für den Sonntag jedoch noch einmal ehrgeizige Ziele: "Es sieht so aus, als wäre das hier nicht meine Rallye. Wir wollten heute bei unserer Rückkehr möglichst viele Kilometer sammeln und damit WP-Erfahrung für die kommenden Jahre. Doch daraus wurde nichts. Ausgerechnet auf der 13. Prüfung fühlte sich das Fahrverhalten des Autos schon einige Kurven seltsam an. Als ich eine Rechtskurve einlenken wollte, passierte erst nichts und wir sind eine Böschung heruntergerutscht. Wir müssen jetzt genau untersuchen, was passiert ist. Aber am Ziel für morgen hat sich nichts verändert: Wir wollen auf der Powerstage mächtig Gas geben und schauen, ob das reicht, noch ein, zwei Punkte zu sammeln. Die Startposition dafür ist nicht ideal – aber wir werden es definitiv versuchen."

Volkswagen Motorsport-Direktor Jost Capito zeigte sich angesichts der unterschiedlichen Schicksale seiner Piloten zwiegespalten: "Heute hat die gesamte Mannschaft einen enormen Kampfgeist gezeigt. Ogier hat im richtigen Moment den Druck erhöht und die Führung bravourös erobert – auch wenn wir uns gewünscht hätten, dass sein feines Duell mit Paddon weiter auf der Strecke ausgetragen worden wäre. Latvala hat heute das Pech förmlich angezogen, und ein Reifen- sowie später ein Aufhängungsschaden haben ihn viel Zeit gekostet. Aber er hat den Verlust mit maximaler Willenskraft in Grenzen gehalten und Platz sechs mit allen Kräften verteidigt. Hut ab. Mikkelsen musste seinen Plan, die WPs im Rallye-Tempo für die kommende Saison zu lernen, leider früh aufgeben, hat aber morgen auf der Powerstage die Chance, Punkte zu erkämpfen. Es war ein langer und ereignisreicher Tag für alle im Volkswagen Team – nun freuen wir uns auf das Finale am Sonntag und wollen den Sieg nach Hause bringen."