Ott Tänak kann nach dem Freitag in Mexiko ein neues Kapitel seiner Rennfahrer-Karriere aufschlagen. Der Este und sein Beifahrer Raigo Molder überlebten einen Horror-Crash während der ersten Prüfung unverletzt. Tänak bremste zu schnell in eine Senke hinein und beschädigte sich die vordere, rechte Radaufhängung. "Wir konnten das Auto dann nicht mehr um die nächste Linkskurve lenken und kamen über die Straßenbegrenzung hinaus", schilderte Tänak die Minuten vor seinem bisher schlimmsten und kuriosesten Unfall.

Was dann geschah, wird in die Geschichtsbücher der Rallye-Weltmeisterschaft eingehen. Tänak überschlug sich mehrfach und sein Fiesta rollte in ein Wasser-Reservoir. "Glücklicherweise landete das Auto auf den Rädern, aber das Wasser war so tief, dass das Auto wirklich schnell versank", schilderte Tänak die Geschehnisse. "Als ich das Wasser sah und wir uns überschlugen sagte ich Raigo, dass wir schnell sein müssen, aber das war alles. Ich schrie ihm das zu, kurz bevor wir im Wasser landeten."

Nur Sekunden, nachdem der Este und sein Beifahrer die Türen des Fiestas geöffnet hatten, versank das Auto gänzlich. Für Tänak war das Schlimmste damit aber nicht geschafft. "Ich hatte auch ein Problem mit meinem Funkkabel. Es löste sich nicht und zog mich unter Wasser. Glücklicherweise hatte ich genug Kraft, um es auszustecken", schilderte er. "Wenn du in einem See bist, am Rande deines Lebens, du darum kämpfst und diesen Kampf dann letztlich gewinnst, ist das ein unglaubliches Gefühl", fuhr Tänak fort. "Wir hatten wirklich Glück. Das war kein schöner Moment."

Alleine und von Wasser umgeben

Tänak und sein Beifahrer hatten keine andere Chance, als sich selbst aus dem Auto zu befreien. Bis heraneilende Zuschauer die beiden aus ihrem sinkenden Auto befreien hätten können, wären etliche Minuten vergangen. "Es interessierte mich nicht, wie hart es war. Ich musste nur rauskommen", erinnerte sich Tänak an die wohl schwierigsten Minuten seiner bisherigen Karriere. "Ich war wirklich am Limit. Wir waren allein. Es waren zwar Zuschauer da, aber sie waren viel zu weit weg und konnten uns nicht helfen."

Als der Este und sein Beifahrer sich schließlich aus dem sinkenden Fiesta befreit hatten, mussten sie noch mit Rennoverall und Helm ans Ufer schwimmen. "Wir mussten rund fünf oder sechs Meter schwimmen. Das war ein gutes Stück Arbeit mit den Helmen", erzählte Tänak. "Ich bin nicht sicher, ob ich ein guter Schwimmer bin, aber ich habe überlebt, also bin ich gut genug."

Der untergehende Ford Fiesta, Foto: Red Bull
Der untergehende Ford Fiesta, Foto: Red Bull

Quälende Ungewissheit

Als sich Tänak und sein Beifahrer schließlich das rettende Ufer erreicht hatten, galten die ersten Gedanken seinem Team M-Sport. "Es gab keine Chance, das Team zu erreichen", erklärte Tänak später. "Der Funk war weg und es gab dort, wo wir uns befangen, kaum Handyempfang." Aus diesem Grund scheiterten auch alle Versuche des Teams, Kontakt mit Tänak aufzunehmen.

Im Service Park und bei allen Beteiligten machte sich große Sorge breit. Keiner der passierenden Rallye-Piloten konnte das Auto oder die beiden Insassen erkennen. "Keiner im Team wusste für rund 20 Minuten, was mit mir passiert war. Das war - wie man sich vorstellen kann - eine große Sorge für alle im Servicepark", fügte der Este hinzu.

Ott Tänak und Raigo Molder auf dem Weg ans Ufer, Foto: Red Bull
Ott Tänak und Raigo Molder auf dem Weg ans Ufer, Foto: Red Bull

Gefühl der Leere

Mittlerweile sind Tänak und sein Beifahrer unbeschadet zurück im Hotel. Die Rallye will der Este - sofern möglich - aber nochmals in Angriff nehmen. "Ich hatte noch nie zuvor derartige Gefühle", gab er ehrlich zu. "Es ist ein Gefühl der Leere, aber das Beste ist, wieder ins Auto zu steigen."

M-Sport versucht nun, den Ford Fiesta RS WRC aus dem Wasser-Reservoir zu bergen und ihn über Nacht wieder fahrtauglich zu machen. "Es klingt wie ein verrückter Plan, aber sollte es auch nur irgendeine Chance geben, die Rallye nochmals zu starten, wird mein Team das möglich machen." Die Chance auf einen Restart unter Rally2 ist auch der Geistesgegenwart von Tänaks Beifahrer Molder zu verdanken. Er rettete den Aufschrieb aus dem sinkenden Auto und dieser wurde zwar nass, blieb ansonsten aber unbeschädigt.