FX Demaison ist der Vater des Polo R WRC erster und zweiter Generation, Dr. Donatus Wichelhaus ist der Kopf hinter vielen erfolgreichen Volkswagen Motoren - beispielsweise bei der Rallye Dakar, in der Formel 3 und in der Rallye-WM. Im Gespräch gewähren die beiden Techniker einen Einblick hinter die Kulissen der Entwicklung.
Der Polo R WRC ist das dominierendste Auto der
Rallye-WM-Geschichte. Was ist eigentlich das
Beste an ihm? Chassis? Oder Motor?
Demaison:
Da immer nur die Räder den Boden
berühren - kann es da der Motor sein ...? (lacht)
Dr. Wichelhaus: Und was treibt die Räder an? (lacht)
Demaison: Die ernsthafte Antwort ist natürlich: das Gesamtpaket. Chassis ist nichts ohne den Motor. Und umgekehrt. Und beides nichts ohne einen guten Fahrer.
Dr. Wichelhaus: Ganz klar - unser Erfolg beruht auf einer Teamleistung. Wir hatten in den vergangenen zwei Jahren das beste Chassis in der Rallye- WM. Es ist großartig, was 'FX' da geleistet hat und davor ziehe ich ganz tief den Hut. Und unser Motor war sicher auch nicht der schlechteste.
Gibt es ein Beispiel, warum die Zusammenarbeit
zwischen den Abteilungen so gut funktioniert?
Dr. Wichelhaus:
Das beste Beispiel sind unsere
Chassis-Motor-Meetings, in der die Schnittstellen
definiert werden. Die dauern nie länger als eine
halbe Stunde. Wir wissen, wie der andere tickt, und
sind ein seit Jahren gewachsenes Team, in das sich
neue Köpfe wie 'FX' perfekt integriert haben. Die
Motorenabteilung versteht sich als Dienstleister für
die Kollegen vom Fahrwerk, um die bestmögliche
Lösung für sie zur Verfügung zu stellen. Und gemeinsam verstehen wir uns als Dienstleister für Fahrer
und Beifahrer, um ein optimales Sportgerät zu liefern - für den bestmöglichen Erfolg.
Sechs WM-Titel in zwei Jahren - gab es überhaupt
einen Grund, den Polo R WRC weiterzuentwickeln?
Demaison:
Das ist eine sehr gute Frage, denn
genau die haben wir uns selbst natürlich bei vielen Details gestellt. Grundsätzlich gilt: Stillstand
ist im Motorsport Rückschritt. Unser Ziel bei der
Entwicklung war es, die Standfestigkeit zu erhalten und gleichzeitig den Fahrern und Ingenieuren
mehr Abstimmungsmöglichkeiten zu geben. Hier
und da hat uns das Reglement auch neue Lösungen
ermöglicht - beispielsweise das neue Getriebe.
Dr. Wichelhaus: Auf Motorseite ist natürlich immer mehr Leistung und bessere Fahrbarkeit gefragt. Aber da waren wir mit unserem ersten Versuch schon nahe am Optimum. Natürlich setzt man das Gelernte der vergangenen zwei Jahre um, weiß, welche Teile gut funktionieren, und lässt diese unverändert. Aber man möchte natürlich hier und da die Konstruktionen noch schöner und effizienter machen.
Schaut man sich vor einer Neu-Homologation jedes
Einzelteil an oder werden gewisse Komponenten
gar nicht erst in Frage gestellt?
Dr. Wichelhaus:
Viele Motorkomponenten sind
vom Reglement in Abmaßen und Gewicht vorgeschrieben - und wenn sie tadellos funktionieren,
dann ändert man sie natürlich nicht. Man setzt die
Kapazitäten dann dort ein, wo man am meisten
Potenzial für Verbesserungen sieht.
Demaison: Ein Entwicklungsprozess ist häufig auch eine Frage der Zeit. Früher oder später würde man jedes Detail, jede Schraube hinterfragen und eventuell neu entwickeln, wenn man nur könnte. Für die Homologation der zweiten Generation des Polo R WRC haben wir uns insgesamt etwa drei Viertel der Komponenten angesehen, überprüft - aber lange nicht alle verändert.
Das neue Schaltwippen-Getriebe ist die größte
Veränderung für die kommende Saison. Und hat
jeweils sowohl Auswirkungen in Sachen Chassis als
auch in Sachen Motor. Was bedeutete das für die
Entwicklung des Polo R WRC?
Demaison:
Das neue semi-automatische Getriebe
ist ein komplexes hydraulisches System. Es war
nötig, die Hydraulik entsprechend größer zu dimensionieren. Tatsächlich ist das komplette Getriebe
eine Neuentwicklung, die wir zusammen mit Xtrac
gemacht haben. Es gab viele Parameter zu berücksichtigen.
Dr. Wichelhaus: Zunächst einmal ist es dem Motor selbst mechanisch ziemlich egal, wie er geschaltet wird. Das neue Getriebe war deshalb vor allem für die Software-Applikation komplex. Auch hier sind vom Reglement enge Grenzen gesetzt, sodass es kaum Spielraum gab. Es war also die große Kunst, mit dem wenigen Erlaubten das Maximale an Schaltperformance herauszuholen. Und es hat ein paar Iterationen bedurft, bis wir Techniker, aber auch die Fahrer zufrieden waren. Schließlich muss das Getriebe auch zum jeweiligen Fahrstil passen.
Bei der Entwicklung des Polo R WRC erster Generation gab es einen intensiven Austausch mit den
Kollegen aus der Serienentwicklung des Polo. Was für eine Rolle hat die Zusammenarbeit bei Entwicklung des 2015er-Autos gespielt?
Dr. Wichelhaus:
Unser schärfstes Entwicklungsinstrument ist das Zentrallabor in Wolfsburg. Wenn
etwas bricht, reißt oder fehlerhaft ist - ohne die
Kollegen aus Wolfsburg würden wir oftmals im
Nebel stochern, was die tatsächlichen Gründe
angeht. Stattdessen wissen wir im Falle eines Falles in der Regel enorm schnell, was Sache ist. Dazu
kommen in der Motorenabteilung die Kollegen der
Forschung, die bei der Optimierung viel Hilfestellung geleistet haben. Es gibt in der Motorenentwicklung tatsächlich einen regen Austausch von der
Serie in den Motorsport, aber auch vom Motorsport zurück in die Serie. Volkswagen ist in den vergangenen Jahren zwischen Zentrale Wolfsburg und
Motorsport-Abteilung in Hannover eine sehr homogene Mannschaft geworden.
Demaison: Das Zentrallabor ist auch für uns in der Chassis-Entwicklung ein wahres Herzstück. Das stimmt. Unsere Zusammenarbeit mit Wolfsburg zielt ansonsten aber viel mehr auf die Rohkarosserie ab, für die unsere Wünsche in der Serienentwicklung berücksichtigt wurden. Dort gab es für das 2015er-Auto wenig Austausch, denn das Basisfahrzeug ist das gleiche. Doch wir sind bereits eingebunden in den kommenden Modellwechsel des Polo.
Der Polo R WRC hat bei seinem allerersten Start
bei der "Monte" 2013 gleich die erste Wertungsprüfung gewonnen. Wie sieht Ihre Prognose für die
2015er-Version aus?
Demaison:
Na, gewinnen ist immer das Ziel.
Natürlich hoffen wir, dass es wieder so ist und sich
auch im gleichen Maß weiter fortsetzt. Aber auch
die Konkurrenz hat bei der Entwicklung ihrer Autos
sicher nicht geschlafen. Die erste WP, die erste Rallye ist immer ein spannender Moment, wenn
man mit einem neuen Auto antritt.
Dr. Wichelhaus: Die erste WP 2013 war für uns eine Riesenerleichterung. Die erste Stage war gleich eine trockene Asphalt-WP. Und wenn der Motor eine Rolle spielt, dann auf trockenem Asphalt. Und wenn man die erste WP gleich gewinnt, weiß man, dass man nicht alles falsch gemacht haben kann. Auch wenn es vielleicht noch ein paar Schleifen, ein paar Korrekturen gebraucht hätte - wir haben geahnt, dass wir einen wettbewerbsfähigen Entwurf an den Start gebracht hatten. Und das hat sich später ja bewahrheitet. Wir hoffen für 2015 natürlich, dass es wieder so ist.
diese WRC Rallye Nachricht