Am Ende der Rallye Schweden stand überraschend der Name Karl Kruuda an der Spitze der WRC2-Wertung. Jari Ketomaa, Yuriy Protasov, Yazeed Al Rajhi - alles keine Unbekannten - reihten sich dahinter ein. Der junge Este konnte es selbst nicht glauben. Mit etwas mehr als 18 Sekunden Rückstand auf Ketomaa war er auf die letzte Prüfung gegangen - mit dem Ziel, Platz zwei abzusichern.

Als er Ketomaa im Ziel auf seinem Auto auf und ab hüpfen sah, war er sicher, der Finne habe gewonnen - ein Irrtum. Ketomaas Reifen waren derart abgenutzt, dass er nur noch durch die Prüfung rollen konnte. "Als sie es mir zwei oder drei Mal sagten, habe ich angefangen, es zu glauben", gestand Kruuda der offiziellen Webseite der WRC. "Ich habe noch nie zuvor ein richtiges Event gewonnen und deswegen bin ich sprachlos. Ich konnte es nicht glauben und auch nicht aussprechen, dass ich gewonnen hatte", schwärmte er.

Dabei hatte die Rallye am Donnerstag alles andere als gut begonnen. An seinem Ford Fiesta S2000 traten Probleme mit der Antriebswelle auf, das vordere Differential gab seinen Geist auf. Die Folgen waren ein Dreher und ein Zeitverlust von mehr als zwei Minuten "Das Hauptziel war, das Auto auf der Straße zu halten und für die Zukunft mehr Erfahrung zu sammeln", verdeutlichte Kruuda.

"Ich dachte, das Podium ist realistisch, aber wenn alles nach Plan laufen würde, dann war der Sieg eine Option. Ich wollte nicht anmaßend sein", unterstrich er. Dementsprechend strotzt er nach dem optimalen Schweden-Resultat auch nicht vor Selbstbewusstsein. Gefragt nach dem Gefühl, mit dem er in die restliche Saison geht, meinte Kruuda: "Eingeschüchtert. Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Das war erst das erste Event. Noch ist nichts zu Ende und wir müssen noch bis zum Saisonende sechs Events bestreiten. Daher sollten wir nicht zu weit nach vorne springen."

Werbung für Bakterien

Kruuda startet seit 2010 unregelmäßig in der WRC. Er debütierte in einem Suzuki Swift S1600 des Word Rally Team Estonia bei der Rallye Jordanien. In der Juniorenweltmeisterschaft erreichte er in Portugal und Deutschland Podestplätze und beendete die Saison als Vierter. Ende der Saison in Großbritannien ging er erstmals unter eigenem Namen an den Start. Derartige Auftritte wiederholte er bei Einzelevents in den folgenden Jahren, auch in Schweden trat er als Privatier an. Kruuda setzt meist auf den Skoda Fabia S2000 oder den Ford Fiesta S2000. 2013 bekam er die Chance, in Finnland und Deutschland einen Ford Fiesta R5 zu pilotieren.

Kruudas bunte Lackierung rührt von einer Erfindung her., Foto: Sutton
Kruudas bunte Lackierung rührt von einer Erfindung her., Foto: Sutton

Wenn er nicht gerade unter eigenem Namen unterwegs ist, startet Kruuda für MM Motorsport oder das ME3 Rally Team. ME3 steht für eine Entdeckung von zwei estnischen Wissenschaftlern, genauer gesagt probiotische Milchsäurebakterien, die Milchprodukten hinzugefügt werden. Damit lassen sich auch die abstrakten, farbenfrohen Lackierungen auf Kruudas Boliden erklären, wenn er unter dem Banner des ME3 Rally Teams fährt. Immer gleich ist dagegen die Schrift auf dem hinteren Fenster: Martin Järveoja sitzt bereits seit 2007, als das Duo in der estnischen Juniorenmeisterschaft an den Start ging, neben Kruuda. Zusammen bilden sie ein ziemlich junges Duo, Kruuda ist 21, Järveoja 26 Jahre alt.

Kruudas Vater Oliver ist in Estland ein bekannter Geschäftsmann, seine Mutter Ruta kam bei einem Hubschrauberabsturz im August 2005 ums Leben. Kruuda hat zwei Geschwister, Gerda und Gustav.