Das Saisonfinale der FIA-Langstreckenweltmeisterschaft WEC in Bahrain ist von einem Eklat überschattet worden. Nach dem 8-Stunden-Rennen im Wüstenstaat legte das Porsche GT Team einen Protest in Folge einer vorangegangenen Kollision zwischen dem Porsche 911 RSR mit der Startnummer #92 und dem #51 Ferrari 488 GTE ein.

Dieser wurde in der Nacht auf Sonntag von den Stewards abgelehnt, wodurch das Ferrari-Duo Alessandro Pier Guidi und James Calado die Weltmeisterschaft in der GTE-Pro-Klasse gewinnt, sofern Porsche keine Berufung gegen die Entscheidung einlegen wird. Diese WM-Vergabe in der WEC bleibt demnach vorläufig und wird am grünen Tisch statt auf der Rennstrecke entschieden.

Was war passiert? Im letzten Rennen der Saison duellierten sich in der Schlussphase Porsche-Werksfahrer Michael Christensen - der das Duo Neel Jani und Kevin Estre in der #92 unterstützte - und Ferrari-Fahrer Pier Guidi. Der Porsche führte das Rennen an und hätte damit nach Punkten den Titel geholt. Zwölf Minuten vor Schluss des achtstündigen Rennens kam es allerdings zu einer Kollision, die den 911er die Führung kostete.

Pier Guidi erwischte den klassenführenden Porsche während einer hektischen Situation, in die auch LMP2-Boliden involviert waren, am Heck. Christensen verlor die Kontrolle über das Auto und drehte sich von der Strecke. Die Rennleitung untersuchte den Vorfall und wies einen Platztausch der beiden Kontrahenten auf der Strecke an, wodurch der Porsche die Führung wieder übernommen hätte.

Dazu kam es allerdings nicht, als Christensen eine Runde nach der Ansage aus der Race Control die Boxengasse ansteuerte und wenige Liter Sprit nachtankte. Kurz zuvor hatte Pier Guidi mit seinem Ferrari etwas auf der Start/Ziel-Geraden verlangsamt. Als der Porsche abgebogen war, zog der Italiener das Tempo allerdings wieder an und behielt auch nach einem eigenen Tankstopp weiterhin knapp die Führung.

"Hier ist mein Arsch, Mann!"

Nach einem zwischenzeitlichen Vorsprung von rund 13 Sekunden, überquerte letztendlich Pier Guidi die Ziellinie 3,2 Sekunden vor Christensens Porsche. Während im Anschluss die Porsche-Crews auf dem Podium jubelten, zog sich das Porsche-Trio ohne Champagner respektive Rosenwasser-Dusche höchst angefressen vom Siegerpodest zurück.

Le-Mans-Sieger Jani ließ seinem Frust während der offiziellen Interviews freien Lauf und platzte ins Gespräch mit Guidi und Calado. Als der Rennsieger gerade seine Emotionen schildern wollte, kam Jani und zeigte ihm mit einer ironisch gemeinten Geste den Daumen nach oben. "Ich konnte nicht bremsen, ich konnte nichts machen", argumentierte Pier Guidi, als Jani auf sein eigenes Hinterteil zeigte und mit einem "Hier ist mein Arsch, Mann" verärgert wegstapfte.

Pier Guidi dann weiter am WEC-Mikro: "Ich verstehe, dass das nicht das Ende ist, das man eigentlich sehen will. Aber aus meiner Sicht konnte ich nichts machen. Der Prototyp kam an und hat so hart gebremst, das hatte ich überhaupt nicht erwartet. Dann hieß es, dass ich warten und ihm (Christensen; d. Red.) den Platz zurückgeben soll. Ich habe lange gewartet. Aber dann fuhr er an die Box und ich konnte nichts machen. Für sie tut es mir leid, aber ich konnte nichts machen."

Später sagte der Schweizer Jani: "Wir waren Meister bis acht Minuten vor Rennende und haben es dann verloren. Wenn uns jemand schön überholt, dann haben wir damit kein Problem und er ist der verdiente Sieger - aber nicht mit einem Rammstoß."

Porsche-Protest abgelehnt

Wie aus der Entscheidung der Stewards hervorging, protestierte das Porsche GT Team gegen die Kollision mit dem Argument, dass sie den Sportkommissaren nicht gemeldet worden sei und der Renndirektor die Entscheidung allein getroffen habe.

Die Ablehnung des Protests begründeten die Stewards wie folgt: "Tatsächlich wurden alle Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vorfall zwischen Fahrzeug 51 und 92 in Turn 14 den Rennkommissaren vom Renndirektor gemeldet, untersucht und von den Kommissaren in Übereinstimmung mit dem Renndirektor getroffen. Es wurde mündlich und mit Videobeweis gemeldet."

Kurioserweise erschien zwar die schriftliche Anweisung für den Platztausch im TV-Bild, von einer Rücknahme dieser Entscheidung, die während Christensens Boxenstopp an die Beteiligten kommuniziert worden sein soll, war auf dem Bildschirm und offenbar auch auf den Zeitenmonitoren allerdings nichts zu sehen.

"Ein trauriger Tag für Porsche Motorsport"

"Ein trauriger Tag für Porsche Motorsport", wurde Porsches neuer Motorsportchef Thomas Laudenbach in einer Pressemitteilung zitiert, die vor der Protest-Ablehnung verschickt worden war. "Unser Mitbewerber hat unser führendes Fahrzeug umgedreht und auf diese Weise gewonnen. Dass durch die Rennleitung zunächst eine Strafe ausgesprochen und dann wieder zurückgenommen wurde, können wir nicht nachvollziehen."

Alexander Stehlig, Porsches WEC-Einsatzleiter, ergänzte. "Wir können die Entscheidung der Rennleitung nicht verstehen. Zunächst hieß es, dass die beiden führenden Autos nach dem Kontakt die Plätze tauschen müssen - unser Porsche wäre also wieder an die Spitze vorgerückt. Wenig später zog die Rennleitung diese Ansage während eines Boxenstopps unserer Nummer 92 zurück. So konnten wir unsere Ziele trotz eines fairen und offenen Kampfes nicht erreichen. Darum haben wir Protest eingelegt."

Toyota feiert Sieg in WM-Titel

Der Eklat in der GTE-Pro-Klasse überschattete das Saisonfinale in Bahrain, in dem wenig überraschend Toyota einen weiteren Doppelsieg in der Hypercar-Klasse errang. Der Toyota GR010 Hybrid mit der Startnummer #8 (Brendon Hartley/Kazuki Nakajima/Sebastien Buemi) siegte vor dem Schwesterauto mit der #7.

Das Trio Mike Conway, Kamui Kobayashi und Jose Maria Lopez holte damit genügend Punkte für den Gewinn der Weltmeisterschaft. In der LMP2-Kategorie setzte sich WEC-Neueinsteiger WRT (Ferdinand Habsburg/Robin Frijns/Charles Milesi) mit zwei Bahrain-Siegen innerhalb einer Woche durch. Ferrari holte einen zweiten Titelgewinn in der GTE-Am-Kategorie durch das #83 AF Corse-Trio Nicklas Nielsen, Alessio Rovera und Francois Perrodo.