Die belgische Mannschaft WRT zählt seit Jahren zu den erfolgreichsten GT-Teams der Welt. Nach schier unzähligen Erfolgen unter anderem bei den wichtigsten 24-Stunden-Rennen in Spa und am Nürburgring kam es deshalb für Szenekenner nicht ganz so überraschend, dass WRT auch im Prototypen-Sport auf Anhieb überzeugen würde. Und das mit einem wahren Paukenschlag!

In der ersten vollen Saison mit LMP2-Boliden feierte die Truppe um Teamchef Vincent Vosse im August den Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans (Habsburg/Frijns/Milesi) und zwei Monate später sogar den Gesamtsieg in der European Le Mans Series. Der frühere Formel-1-Fahrer Robert Kubica machte den ELMS-Triumph mit seinen Teamkollegen Louis Deletraz und Yifei Ye sogar vorzeitig perfekt.

Und auch in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC winkt noch ein weiterer Titel: Nach dem Sieg am vergangenen Wochenende in Bahrain, führt WRT mit seinen Fahrern Ferdinand Habsburg, Robin Frijns und Charles Milesi die LMP2-Teamwertung an. Das Finale steigt am Samstag (06.11.) ebenfalls im Wüstenstaat, mit einem 8-Stunden-Rennen (live ab 11:40 Uhr bei RTL+ und zeitgleich nach dem GT-Masters-Rennen ab 17:00 Uhr auch bei RTL Nitro).

War bislang die GT-Szene das hauptsächliche Jagdgebiet von WRT - 2021 gelang mit Dries Vanthoor und Teammitbesitzer-Sohn Charles Weerts erneut der Gesamtsieg in der Fahrer- und Team-Meisterschaft in der GT World Challenge Europe - kam der Einstieg in den Prototypen-Sport nicht von ungefähr. Teamchef Vosse hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die neue LMDh-Kategorie ab 2023 ein interessantes Betätigungsfeld für WRT darstellt - vor allem wegen der bevorstehenden Hersteller-Flut.

WRT kämpft um den LMP2-Titel in der WEC 2021, Foto: LAT Images
WRT kämpft um den LMP2-Titel in der WEC 2021, Foto: LAT Images

WRT vor LMDh-Partnerschaft mit Audi?

Und es gilt schon fast als ein offenes Geheimnis unter Insidern, dass WRT mit dem langjährigen Partner Audi Sport ab 2023 in der neuen, gesamtsiegfähigen LMDh-Klasse zusammenspannen wird. In welchen Rennserien genau, steht angeblich noch nicht fest. Die Ingolstädter hatten zumindest einmal angekündigt, sowohl in der WEC als auch in der US-amerikanischen IMSA antreten zu wollen.

Die mögliche LMDh-Partnerschaft wollte Vosse im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com freilich nicht bestätigen. "Das werde ich nicht", sagte der frühere Rennfahrer. "Ich sage nur, dass wir seit zwölf Jahren eine starke Partnerschaft mit Audi haben. Wir haben zusammen viele Erfolge gefeiert. Ich stehe wegen unterschiedlicher Themen ständig im Austausch mit Audi."

Vosse vielsagend weiter: "Ich habe nie den Grund verheimlicht, warum wir LMP2 machen. Wir haben ein Auge auf die LMDh-Klasse geworfen. Uns gefällt diese Idee. Jetzt wollen wir uns auf die Karte bringen für jeden Hersteller, der in die neue Kategorie einsteigt."

Erfolgs-Teamchef: Vincent Vosse leitet die Geschicke von WRT, Foto: Patrick Hecq/Team WRT
Erfolgs-Teamchef: Vincent Vosse leitet die Geschicke von WRT, Foto: Patrick Hecq/Team WRT

WRT: Zweites Auto für WEC 2022

Während in der neugeschaffenen Hypercar-Klasse der WEC Toyota mangels echter Konkurrenz von einem Sieg zum nächsten eilt und sich bereits vorzeitig den Titel in der Hersteller-Wertung sichern konnte, hat sich die LMP2-Kategorie als echtes Schlachtfeld für Top-Teams und etablierte Rennfahrer gemausert.

WRT tritt dieses Jahr in der WEC bereits gegen zehn Teams, darunter die erfahrenen United Autosport um McLaren-Boss Zak Brown und JOTA, an. 2022 stößt mit AF Corse das Werksteam von Ferrari hinzu, sicherlich auch, um sich auf die bereits beschlossene Partnerschaft mit dem Autobauer aus Italien vorzubereiten, der 2023 mit einem Hypercar nach 50 Jahren in die gesamtsiegfähige Klasse der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans zurückkehrt.

Auch WRT hofft, 2022 noch eine Schippe drauflegen zu können. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com ist ein zweites LMP2-Auto für die WEC in Planung. "Unser Ziel ist, auch nächstes Jahr in der LMP2 zu sein", sagte Vosse. "Die WEC wäre das richtige Ziel mit zwei Autos. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch ELMS oder etwas anderes machen. Sehr wichtig war für mich, zu zeigen, dass wir nicht nur in der LMP2 erfolgreich sein können. Sondern, dass wir das Potenzial haben, in zwei unterschiedlichen Programmen gleichzeitig anzutreten und Erfolg zu haben."

Hier fährt Robin Frijns zum LMP2-Sieg bei den 24h Le Mans, Foto: LAT Images
Hier fährt Robin Frijns zum LMP2-Sieg bei den 24h Le Mans, Foto: LAT Images

WRT: Flörsch testet - Vorbereitung für Rast und Müller?

Welche Fahrer nächstes Jahr für WRT in Frage kommen, ist noch nicht bekannt. Es könnte deutschsprachig werden: Nachwuchspilotin Sophia Flörsch testet den LMP2 des Teams am Sonntag beim offiziellen Rookie-Test in Bahrain nach dem letzten Saisonrennen, das sie für das Richard Mille Racing Team an der Seite von Beitske Visser und Tatiana Calderon bestreitet.

Die beiden Audi-Werksfahrer Rene Rast und Nico Müller könnten zwei weitere Kandidaten sein, um sich auf das LMDh-Programm der Ingolstädter ab 2023 vorzubereiten. Der heute dreifache DTM-Champion Rast fuhr schon 2014 die 24 Stunden von Le Mans für Privatteam Sebastien Loeb Racing, bevor er 2015 in Audis Werks-LMP1 befördert wurde.

DTM-Rückkehrer Rast hat zwischen 2013 und 2019 zahlreiche GT3-Rennen für WRT bestritten, unter anderem siebenmal die 24 Stunden von Spa inklusive des Gesamtsieges 2014. Müller ist durch seine Spa-Einsätze für WRT zwischen 2015 bis 2019 sowie in diesem Jahr ebenfalls bestens mit der Truppe aus dem belgischen Baudours vertraut.

WRT: DTM-Rückkehr wohl kein Thema mehr

Neben den Engagements in der WEC, der ELMS und der GT World Challenge setzte WRT dieses Jahr zum zweiten Mal einen Audi R8 LMS GT3 im ADAC GT Masters ein. Eine Weile war nach Informationen von Motorsport-Magazin.com auch eine DTM-Rückkehr 2022 mit Audi ein Thema. Das soll sich inzwischen allerdings wegen zu vieler Terminüberschneidungen erledigt haben.

Vosse, der deutlich machte, dass trotz LMP2-Erfolgen der Fokus von WRT weiterhin auf dem GT-Sport liegen soll: "Ich würde niemals 'nie' sagen, das wäre dumm. Im Moment gibt es aber nichts, was mir das Gefühl gibt, dass wir nächstes Jahr in der DTM-Startaufstellung stehen."

Und weiter: "Was die DTM mit GT3-Autos erreicht hat, war auf einem sehr guten Level. Wir würden sehr gerne dort fahren, aber nur mit den passenden Möglichkeiten. Wenn wir die Gelegenheit bekämen, einen der Top-Fahrer - Vanthoor, Rast, van der Linde oder Frijns - zu bekommen, mit dem wir in der DTM um Siege kämpfen können, dann wäre ich sehr happy. Aber dafür braucht es die richtigen Möglichkeiten, und das sehe ich im Moment nicht."

WRT startete als Audi-Kundenteam 2019 und 2020 in der DTM, Foto: DTM
WRT startete als Audi-Kundenteam 2019 und 2020 in der DTM, Foto: DTM

Absolutes Erfolgs-Team WRT

Sicher ist unterdessen, dass WRT nach dieser herausfordernden Saison noch zwei Veranstaltungen mit dem Audi R8 LMS GT3 bevorstehen: die Saisonfinals des GT Masters auf dem Nürburgring am kommenden Wochenende sowie der Intercontinental GT Challenge Anfang Dezember im südafrikanischen Kyalami.

In beiden Meisterschaften reichte es für WRT diesmal nicht für Meisterschaftsgewinne, doch die Marschroute bleibt laut Vosse unverändert: "Unser Ziel ist es nicht, mit unseren Autos einfach nur rund um den Globus zu fahren. Unser Ziel ist, dort zu fahren, wo wir konkurrenzfähig sein können und eine Chance haben, unser Potenzial zu zeigen."

47 Meisterschaften im Verlauf eines Jahrzehnts, beginnend mit dem Triumph bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps im Jahr 2011, sprechen für sich. Ein weiterer Gesamtsieg beim Heimspiel in den belgischen Ardennen 2014, ein Gesamtsieg beim 24h-Rennen Nürburgring 2015 und weitere Siege in Bathurst, Dubai oder beim GT World Cup in Macau reihen sich neben unter anderem 17 (!) Blancpain/GT World Challenge-Titelgewinnen in unterschiedlichen Kategorien seit 2011 ein. "Ein ziemlich guter Schnitt, oder", lacht Vosse.