Die Zeit des Wartens ist vorbei, am Wochenende startet auch die Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC in die neue Saison. Nach dem Ausstieg von Audi konzentriert sich der Kampf in der Königsklasse LMP1 auf das Duell Porsche gegen Toyota. Die offiziellen Testfahrten am 01. und 02. April in Monza lieferten einen ersten Überblick über die Leistungsfähigkeit der beiden Hersteller. Wer ist der Favorit in Silverstone? Motorsport-Magazin.com liefert die Analyse vor dem Saisonstart.

WEC-Prolog in Monza: Zeiten und Longruns

Zum ersten Mal überhaupt fanden die Testfahrten der WEC in Monza statt, man erhoffte sich dadurch eine bessere Simulation des Highspeed-Kurses in Le Mans. Insgesamt fünf Sessions an zwei Tagen wurden abgehalten. Die absolute Bestzeit setzte Toyota-Pilot Nicolas Lapierre mit einer 1:30.547 Minuten. Auch die beiden weiteren schnellsten Runden gingen an Toyota. Die beste Porsche-Zeit, aufgestellt in der Nachtsession, war über eine Sekunde langsamer als die Hammer-Zeit von Lapierre.

Trailer: Der LMP1-Fight zwischen Porsche und Toyota in der WEC 2017 (00:57 Min.)

Bekanntermaßen ist im Langstreckensport jedoch nicht die Pace auf eine Runde entscheidend, sondern die Konstanz über eine möglichst lange Distanz. Und hier sieht das Ganze schon etwas anders aus. In den ersten beiden Sessions lagen der Porsche mit der #1 und der #8-Toyota etwa gleich auf, beide lieferten jeweils in beiden Sessions eine zweistellige Anzahl an Rundenzeiten, die unter 1:33 Minuten lagen. Die Schwesterautos konnten da nicht Schritt halten, besonders der zweite Toyota fiel deutlich ab.

Übersicht: Anzahl der Zeiten beim Prolog unter 1:33 Minuten

SessionPorsche #1Porsche #2Toyota #7Toyota #8
Session 1137211
Session 2138513
Session 429401313
Session 527201514
Gesamt82753551

In den letzten beiden Sessions am Sonntag gab Porsche die Pace bei den Long Runs deutlich an. Von den 213 Runden, die Porsche insgesamt in der vierten Session absolvierte, schafften sie es in 69 Umläufen unter die Marke von 1:33 Minuten. Toyota spulte 181 Runden ab, knackte die magische Marke aber nur in 26 Runden. Hierbei muss jedoch erwähnt werden, dass die Spritmengen und die geplante Länge der Stints unklar ist.

Nicht mehr ganz so deutlich, aber immer noch mit leichten Vorteilen für Porsche ging die fünfte Session über die Bühne. Bei 167 gefahrenen Runden blieb Porsche 47 Mal unter 1:33 Minuten, Toyota schaffte es in 134 Runden 29 Mal.

Toyota vs. Porsche: Rundenbilanz und Zuverlässigkeit

Porsche und Toyota begegneten sich bei der Rundenbilanz ziemlich auf Augenhöhe. Nach fünf Sessions stand Porsche bei 654 Runden und damit 3788 Kilometern, für die japanische Konkurrenz stand ein Pensum von 642 Runden und damit 3719 Kilometern zu Buche. Dabei gab es in den einzelnen Sessions kaum Ausreißer, die Nachtsession wurde von beiden Herstellern aufgrund der Regenfälle nur bedingt für Ausfahrten genutzt.

Dieses Pensum zeigt auch die Zuverlässigkeit der beiden Hersteller. Weder Toyota, noch Porsche klagten über gravierende Probleme. Doch bekanntermaßen sind Testfahrten und Rennen zwei verschiedene Paar Schuhe, ein noch so kleiner Defekt kann ein ganzes Rennen kosten. Toyota weiß das aus leidvoller Erfahrung.

Die Top-Speeds der LMP1-Werke

WEC 2017: Teaser zu den 6h von Silverstone (00:41 Min.)

Weniger für Silverstone, aber vor allem für den Saisonhöhepunkt in Le Mans sind die Topspeed-Werte entscheidend. Hier hatte Porsche die Nase deutlich gegenüber Toyota vorne. 319,5 km/h brachten die Zuffenhausener auf den Asphalt, Toyota musste sich mit 307,7 Stundenkilometern begnügen. Zum Vergleich: der Signatech-Alpine #36 als schnellster LMP2 brachte es auf 314 km/h.

Auch in Silverstone könnte das Kräfteverhältnis auf den Geraden ähnlich aussehen, denn bei Toyota setzt man auf das High-Downforce-Paket für den TS050 Hybrid. Porsche hingegen geht volles Risiko und stattet seinen überarbeiteten 919 Hybrid mit dem Paket für wenig Abtrieb aus, um weitere Daten für Le Mans zu sammeln. Gerade auf einem Kurs wie Silverstone mit seinen vielen Highspeed-Kurven schlägt das besonders ins Gewicht.

Das Fazit: Toyota mit Favoritenstellung für WEC-Lauf in Silverstone

Toyota geht als Favorit in das Rennen von Silverstone, Foto: Adrenal Media
Toyota geht als Favorit in das Rennen von Silverstone, Foto: Adrenal Media

Beide LMP1-Hersteller agieren auf Augenhöhe. Beim Prolog in Monza deutete sich bereits an, dass der Toyota von der reinen Pace her die Nase vorn haben könnte, über die Longruns jedoch Porsche stärker ist. Von der Zuverlässigkeit her schenken sich beide nichts. Dennoch geht Toyota als Favorit in den Saisonauftakt - weil man im Gegensatz zu Porsche mit High-Downforce-Paket unterwegs ist.

Gleichzeitig lastet damit aber auch der Druck des Siegen-Müssens auf Toyota. Wenn man es jetzt versäumt, in der WM einen Vorsprung auf Porsche herauszufahren, kommt das einer Vorentscheidung gleich. Denn Porsche bringt sein High-Downforce-Paket erst am Nürburgring und kann daher bis dahin noch relativ frei entwickeln, während Toyota mehr oder weniger die Hände gebunden sind.

Die Stimmen vor dem WEC-Auftakt 2017

Fritz Enzinger, Leiter LMP1 bei Porsche: "Die Mannschaft hat in den zurückliegenden Wochen und Monaten hervorragende Arbeit geleistet. Jetzt wird es Zeit, dass es endlich losgeht. Der Prolog hat gezeigt, dass der Konkurrenzkampf mit Toyota eine ganz harte Nuss wird. Wir erwarten in Silverstone einen sechsstündigen Sprint."

Porsches LMP1-Chefs Enzinger und Seidl wissen um die harte Aufgabe in Silverstone, Foto: Porsche
Porsches LMP1-Chefs Enzinger und Seidl wissen um die harte Aufgabe in Silverstone, Foto: Porsche

Andreas Seidl, Teamchef bei Porsche: "Bezüglich der Standfestigkeit waren wir sowohl mit unserem 30-Stunden-Test in Paul Ricard als auch beim Prolog in Monza zufrieden und fühlen uns für das erste Sechsstundenrennen gut vorbereitet. Bezüglich der Rundenzeiten wird Silverstone aber schwierig. Das Reglement erlaubt in diesem Jahr zur Kosteneinsparung nur noch zwei Aero-Kits pro Saison. Wir haben unsere Ressourcen so eingeteilt, dass wir bis zum dritten WM-Lauf den Fokus auf die Entwicklung und Erprobung der Le-Mans-Aerodynamik legen. Das bedeutet wenig Abtrieb zugunsten eines geringen Luftwiderstands und wird sich in England negativ auswirken. Nach dem 24-Stunden-Rennen im Juni werden wir den 919 für die weiteren WM-Läufe konsequent auf mehr Abtrieb umrüsten. Eine weitere neue Herausforderung ist das reduzierte Reifenkontingent. Zwei Tankfüllungen, also eine Fahrzeit von rund anderthalb Stunden, mit einem Satz Trockenreifen werden die Regel. Das verlangt feinfühliges Haushalten mit den Pneus."

Toshio Sato, Team-Präsident bei Toyota: "Der Start einer neuen WEC-Saison ist immer besonders aufregend und wir reisen mit großen Hoffnungen und Erwartungen nach Silverstone. Ich möchte dem Team für seine großen Anstrengungen über den Winter danken. Es war eine sehr intensive Phase für das gesamte Team, aber ich bin stolz auf unsere Vorbereitungen und wir haben alles getan, um rechtzeitig fertig zu werden. Nun werden wir sehen, wie wir im Vergleich mit Porsche abschneiden - wir werden bis ans Limit gehen, um ein starkes Ergebnis einzufahren."