Die LMP1-Kategorie steht vor einer ungewissen Zukunft. Audi ist weg, bisher ist noch kein neuer Hersteller in Sicht und die private Klasse ist auf ein Fahrzeug zusammen geschrumpft. Mit Ausnahme von Le Mans werden die WEC-Fans also nur noch fünf Autos in der Top-Prototypen-Klasse sehen. Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung - und die könnte ausgerechnet aus Amerika kommen. Motorsport-Magazin.com liefert einen Überblick über die aktuelle Situation.

Das LMP1-Dilemma: Technologie vs. Kosten

Die LMP1-Klasse gilt als jene Rennsport-Kategorie mit der fortschrittlichsten Technik. Klar, dass die Entwicklung von (Multi-)Hybrid-Systemen Millionenbeträge verschlingt. Millionenbeträge, die Audi nicht mehr aufwenden will oder darf. Konzernmutter Volkswagen muss ja bekanntlich im Zuge des Dieselskandals an allen Ecken und Enden sparen und zog dem Audi-Engagement daher den Stecker. Bei Audi kam allerdings zusätzlich zur Entwicklung des Hybrid-Antriebs noch die teure Diesel-Technologie dazu, mit der man seit 2006 alle LMP1-Boliden ausgerüstet hat. Porsche und Toyota hingegen setzten und setzen auf einen herkömmlichen Benziner.

Audi ist 2017 nicht mehr dabei, Foto: Audi
Audi ist 2017 nicht mehr dabei, Foto: Audi

Doch auch der Einsatz der Zuffenhausener ist mittel- bis langfristig nicht in Stein gemeißelt. Umso stärker müssen sich die Regelhüter von FIA und ACO um einen neuen Hersteller bemühen. Nach dem WEC-Finale im November in Bahrain unternahm man daher bereits erste Schritte: Zunächst wurden das aktuelle Hybrid-Reglement für zwei weitere Jahre, also bis Ende 2019, eingefroren. Später wurden für Neueinsteiger diverse Regel-Zugeständnisse verabschiedet, wie etwa unbegrenzte Testtage und mehr Windkanal-Zeit.

Doch ob das der anvisierten und geforderten Kostenreduktion zuträglich ist, bleibt abzuwarten. Im Gespräch mit Endurance-Info ist ACO-Sportdirektor Vincent Beaumesnil jedenfalls zuversichtlich: "Ich bleibe zuversichtlich, dass wir neue Technologien zu erschwinglichen Kosten haben werden. Die Gleichung ist nicht schwierig zu lösen." So einfach scheint das dann aber doch nicht zu sein.

Denn Peugeot ziert sich mit einem Bekenntnis zur LMP1-Klasse und BMW (deren Einstieg feststeht) sowie McLaren (die damit kokettieren) setzen lieber auf die GTE-Klasse. "Die Teams sind nicht aus Desinteresse ausgestiegen. Es wird trotzdem gut und schnell wieder vorangehen", lässt sich Beaumesnil seinen Optimismus jedoch nicht nehmen. Er setzt auf Dialog: "Man muss auf diejenigen hören, die schon da sind, und auf jene, die kommen wollen."

Aufbruchstimmung in der privaten LMP1-Klasse

Ginetta bietet ab 2018 Kundenfahrzeuge an, Foto: Ginetta
Ginetta bietet ab 2018 Kundenfahrzeuge an, Foto: Ginetta

Kommen wollen ist ein gutes Stichwort. Denn nach Jahren der Dürre vernimmt die private LMP1-Klasse wieder einen Silberstreif am Horizont. Zwar geht hier 2017 nur die ByKolles-Truppe mit dem privat aufgebauten CLM an den Start, doch für 2018 gibt es bereits erste Neueinsteiger. Die russische Mannschaft SMP Racing baut in Kooperation mit Dallara und ART Grand Prix einen LMP1-Boliden auf. Zudem bietet der britische Hersteller Ginetta LMP1-Kundenfahrzeuge an. Manor Racing hat bereits sein Interesse daran bekundet.

Die Weichen für diesen Aufschwung legte man 2016 in Le Mans. Dort verkündete man neue Regeln für die private LMP1-Klasse, um die Lücke zu den hybriden Werks-Autos zu schließen. "Die private LMP1-Klasse kommt jetzt so richtig ins Rollen und das gefällt mir. Wir müssen diese Autos in unmittelbare Nähe zu den hybriden LMP1 bringen, und das zu einem gedeckelten Budget für ein Privatteam. Zusätzliche Ausnahmeregelungen wurden ja bereits genehmigt", erklärt Beaumesnil weiter.

ACO: DPi-Fahrzeuge in der privaten LMP1-Klasse denkbar!

Daytona-Prototypen könnten demnächst in der LMP1-Klasse eingesetzt werden, Foto: Cadillac
Daytona-Prototypen könnten demnächst in der LMP1-Klasse eingesetzt werden, Foto: Cadillac

Dass die private LMP1-Klasse ungeachtet dessen noch weiter wachsen könnte, deutet Beaumesnil jetzt ebenfalls an. Sollte es nicht zum erwarteten Aufschwung kommen, könnte die Rettung ausgerechnet aus Amerika kommen und DPi heißen. Die neue Generation der Daytona-Prototypen feierte Ende Januar bei den 24h von Daytona eine viel beachtete Premiere. Was für einen Einsatz der Cadillacs, Mazdas und Nissans in Europa spricht: Sie alle basieren auf einem der brandneuen LMP2.

"Heute ist der Cadillac DPi ein Dallara P217 mit GM-Motor. Ich denke, man muss keinen Berg erklimmen, um damit in die private LMP1-Klasse zu gehen. Ein Dallara-Chassis mit Cadillac-Motor zu sehen ist nichts Unüberwindbares, solange das Auto von einem Privatteam eingesetzt wird ", so die überraschende Aussage von Beaumesnil. Die neuen Daytona-Prototypen könnten sich also in absehbarer Zeit als Notnagel für die LMP1-Klasse entpuppen.