Die FIA WEC betritt Neuland. Am kommenden Wochenende findet erstmals ein Lauf der Langstrecken-WM in Mexiko statt, wo das umgebaute Autodromo Hermanos Rodriguez unter die Räder genommen wird. Besonders eines stellt für Audi, Porsche und Toyota eine große Herausforderung dar, neben der Tatsache, dass die Strecke Neuland ist: Die extreme Höhenlage. Motorsport-Magazin.com fasst zusammen, wie sich die LMP1-Hersteller auf das fünfte Rennen der Saison 2016 einschießen:

Rückblick: Das LMP1-Kräfteverhältnis am Nürburgring

Beim letzten Rennen der FIA WEC 2016 drehte sich alles um das Duell Audi vs. Porsche um den Sieg. Die beiden Hersteller diktierten das Rennen und machten den Sieg unter sich aus. Am Ende nahm Porsche den größten Pokal mit nach Hause, während die beiden Audi auf das Podest fuhren. Toyota dagegen hatte am Nürburgring überhaupt nichts zu bestellen. Schon im Qualifying lag man über eine Sekunde hinter der direkten Konkurrenz zurück, und auch im Rennen sah es nicht besser aus. Nach einem unauffälligen Rennen kamen die beiden TS050 Hybrid auf den Plätzen fünf und sechs ins Ziel.

Audi vor den 6h von Mexiko 2016

Die Erfahrung in Mexiko könnte Audi in die Hände spielen. Fünf der sechs Piloten aus dem LMP1-Kader haben bereits Rennen auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez bestritten. André Lotterer fuhr hier während seiner ChampCar-Zeit, Marcel Fässler und Oliver Jarvis waren im Rahmen der A1GP-Serie schon in Mexiko zu Gast. Im Frühjahr starteten zudem Lucas Di Grassi und Loic Duval im Rahmen der Formel E in Mexiko. Alle Fahrer schwärmen unisono von der Atmosphäre, die die leidenschaftlichen Fans erzeugen: "Ich musste mir bei der Fahrerparade die Ohren zuhalten, so laut haben die Fans vor Begeisterung geschrien", erinnert sich André Lotterer.

Foto: Audi
Foto: Audi

Auf der anderen Seite stellt der Kurs wegen seiner Höhenlage die Ingenieure vor besondere Aufgaben. Der R18 muss speziell für die dünne Luft auf über 2.000 Metern über dem Meeresspiegel angepasst werden. Das beginnt bei der Aerodynamik, zieht sich weiter über den Antrieb und die Kühlung und endet bei der Motorelektronik. "Durch die Höhenlage fehlt entsprechend viel Abtrieb, der durch den Luftfluss erzeugt wird. Deshalb stellen wir alle aerodynamischen Hilfsmittel an der Karosserie auf maximalen Abtrieb ein", erklärt beispielsweise Audis Aerodynamik-Leiter Jan Monchaux.

Porsche vor den 6h von Mexiko 2016

Auch für vier der sechs Porsche-Fahrer ist der Kurs von Mexiko City Neuland. Lediglich Romain Dumas und Neel Jani fuhren hier in der Vergangenheit schon Rennen, allerdings noch auf der alten Streckenvariante. Daher gilt es, schnell das Layout zu verinnerlichen. "Wenn man zum ersten Mal auf einer Rennstrecke fährt, ist das Layout zwar schnell gelernt, aber es wirklich optimal zu lesen und in die perfekte Linie umzusetzen, dauert länger. Man muss schnell lernen, denn die Trainings teilen wir uns zu dritt. Sich erst im Rennen ans Limit heranzutasten, ist bei dieser Leistungsdichte keine Option", gibt Timo Bernhard daher zu Bedenken.

Foto: Porsche
Foto: Porsche

Natürlich hat auch Porsche ein Auge darauf geworfen, wie sehr sich die dünne Luft in Mexiko auf die Performance ihres LMP1-Boliden auswirkt. Romain Dumas weist jedoch darauf hin, dass Mexiko für alle Hersteller eine Reise ins Ungewisse wird: "Die Höhe wird eine große Herausforderung für den Motor, die Kühlung, das Abtriebsniveau und für uns Fahrer. Niemand hat bislang einen LMP1 auf 2.000 Meter über dem Meeresspiegel gefahren." Eines ist aber sicher: Auch Porsche kann auf die Unterstützung der frenetischen mexikanischen Rennsport-Fans zählen. "Ich habe den Eindruck, dass in Lateinamerika eine ganz besondere Liebe für Sportwagen herrscht. Ich war dort im vergangenen Dezember bei Eröffnungen von mehreren Porsche Zentren und ordentlich beeindruckt von der allgemeinen Begeisterung", so Mark Webber.

Toyota vor den 6h von Mexiko 2016

Zuletzt am Nürburgring kam Toyota unter die Räder und landete abgeschlagen auf Platz fünf und sechs. Obwohl bisher noch kein WEC-Rennen in Mexiko stattfand, lässt sich schon vor dem Start des Rennwochenendes festhalten, dass die Strecke dem TS050 Hybrid besser liegt als der Nürburgring. Grund hierfür ist das schnellere Streckenlayout. "Wir sollten konkurrenzfähiger sein als am Nürburgring, aber wir müssen abwarten und schauen, wo genau wir uns positionieren können", übt sich Kamui Kobayashi allerdings noch in spürbarer Zurückhaltung. Dennoch: Seit dem Nürburgring-Lauf arbeitete Toyota intensiv daran, in Mexiko wieder besser abzuschneiden.

Foto: Toyota
Foto: Toyota

Trotzdem wartet der Großteil an Arbeit erst in den Trainings auf das Team. "Vor allem dort werden wir viel zu tun bekommen, denn wir müssen ganz detailliert wissen, wie sich unser Auto auf dieser Strecke verhält. Ein ungewöhnlicher Faktor kommt in Mexiko hinzu, nämlich der Höhenunterschied, was die Fahrer zusätzlich beanspruchen wird", weiß Stéphane Sarrazin. Daher ist eine optimale Vorbereitung das A und O für den Erfolg in Lateinamerika. Erfahrung ist hier Trumpf, und Sebastien Buemi, Mike Conway und Sarrazin kennen das mexikanische Terrain bereits vom Formel-E-Rennen im vergangenen Winter. "Ich bin froh, dass ich dort schon Erfahrungen mit der Höhenlage sammeln konnte, das macht die Vorbereitung etwas einfacher", atmet Conway daher auf.

Die Aussagen der Verantwortlichen vor den 6h von Mexiko 2016

Dr. Wolfgang Ullrich, Motorsportchef Audi: "Wir erwarten, dass wir erneut wettbewerbsfähig sind. Zuletzt am Nürburgring haben wir es zweimal aufs Podium geschafft. Nur eine Gelbphase hat uns zeitlich ungünstig erwischt, sonst hätten wir um den Sieg gekämpft."

Andreas Seidl, Teamchef Porsche: "Bei der technischen Vorbereitung auf den Einsatz in Mexiko spielen eine ganze Reihe außergewöhnlicher Faktoren eine Rolle. Da ist zunächst die Höhenlage. Im Vergleich zu herkömmlichen Saugmotoren verlieren wir mit dem Turbo zwar weniger Leistung, aber die Kühlung ist in der dünneren, sauerstoffarmen Höhenluft ein Thema. Das gilt sowohl für die Antriebseinheit als auch für die Bremsen. Außerdem ist der Luftwiderstand geringer. Deshalb wird es schwierig, in den Kurven den Anpressdruck darzustellen, den man gerne hätte, aber auf der 1,2 Kilometer langen Geraden werden wir hohe Topspeeds sehen. Die Strecke hat einen hohen Volllastanteil, und das Grip-Level wird sich kontinuierlich nach oben verändern. Es sei denn, es regnet – und auch damit ist zu rechnen."

Toshio Sato, Team-Präsident Toyota: "In Mexiko wartet eine neue Herausforderung auf uns und alle anderen WEC-Teams. Vor allem aber freuen wir uns darauf unsere mexikanischen Fans zu treffen. Mit diesem Rennen haben wir Saison-Halbzeit erreicht, zugleich ist es der Auftakt zu den Übersee-Rennen. Wir wollen eine starke Leistung abliefern und ich bin sicher, das wir dafür auch gerüstet sind. Auch wenn wir unsere Variante mit extra hohem Abtrieb an den Start bringen, so erwarten wir wegen der dünnen Luft doch recht hohe Endgeschwindigkeiten. Wie haben unseren TS050 HYBRID noch nie bei solchen Höhenverhältnissen bewegt und die Strecke ist uns auch neu, da wartet bei den Trainings viel Arbeit auf das Team, damit das Auto optimal auf das Rennen vorbereitet ist."