Die Langstrecken-WM der FIA, die WEC, geht 2016 in ihre fünfte Saison und verspricht auch in diesem Jahr wieder viel Spannung. Der Kampf um die LMP1-Krone zwischen Porsche, Audi und Toyota ist in vollem Gange, zusätzlich dürfen sich die Fans mit Manor auf einen prominenten Neuzugang in der LMP2-Klasse sowie die werksseitige Rückkehr von Ford im GT-Bereich freuen. 2016 trägt die WEC neun Rennen aus. Zu den acht Austragungsorten aus 2015 gesellt sich in diesem Jahr Mexiko neu dazu. Der Startschuss erfolgt am kommenden Wochenende mit den 6h von Silverstone.

Das LMP1-Kräfteverhältnis beim WEC-Prolog

Beim Prolog am Osterwochenende 2016 hatte in der LMP1-Klasse ganz klar Porsche die Nase vorne. Die Zuffenhausener holten sich in jeder der fünf Sessions an den zwei Testtagen die Bestzeit, folgerichtig stand für sie am Ende die überlegene Bestzeit. Toyota lieferte sich mit Audi einen heißen Kampf um die Nummer 2 im LMP1-Kräfteverhältnis und konnte sich hier letztlich durchsetzen. Auch, weil bei Audi die Zuverlässigkeit des R18 zu wünschen übrig ließ. Dennoch gilt hier ebenso wie für jede andere Serie: Testresultate sind mit Vorsicht zu genießen. Die ganze Wahrheit zeigt sich erst am Samstag im Qualifying.

Audi vor den 6h von Silverstone

Die umfangreichen Regeländerungen, die zur Saison 2016 in Kraft treten, zwangen Audi vor der anstehenden Saison zu einem radikalen Schritt. Der neue R18 hat mit seinem Vorgänger aus der Saison praktisch nichts mehr gemeinsam. Aerodynamik, Monocoque und Aufhängungen wurden komplett überarbeitet. Durch die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Windkanalstunden und der zur Verfügung stehenden Energiemenge pro Runde (rund 7,5 Prozent weniger) stand bei Audi maximale Effizienz als oberste Prämisse bei der Entwicklung des neuen LMP1-Boliden.

Bei Audi ist kaum ein Bauteil noch mit dem Vorjahresauto gleich, Foto: Audi
Bei Audi ist kaum ein Bauteil noch mit dem Vorjahresauto gleich, Foto: Audi

Das Ergebnis: Ein R18, der nach Angaben von Audi trotz gekappter Energiemenge auf eine Systemleistung von rund 1000 PS kommt. Dies wurde vor allem durch intensive Entwicklungsarbeit an den Hybrid-Einheiten möglich, wodurch Audi auch den Schritt von der 4MJ- in die 6MJ-Klasse gegangen ist. Dass noch nicht alles reibungslos funktioniert, hat sich beim Prolog gezeigt. Ein technischer Defekt am Auto #7, der nicht behoben werden konnte, zwang die Audianer zu einem Chassis-Tausch am zweiten Tag.

Porsche vor den 6h von Silverstone

Porsche hat seinen 919 Hybrid über den Winter im Gegensatz zur Konkurrenz nicht radikal umgebaut. Evolution statt Revolution lautete hier das Credo. Dies zahlte sich für die Zuffenhausener aus. Trotz der einschneidenden Performance-Einbußen durch das neue Reglement erreichte man beim Prolog fast schon wieder die Zeiten des Vorjahres - eine beeindruckende Leistung, die zeigt, wie schnell die LMP1-Hersteller diese Einbußen wieder wettmachen.

In den drei Wochen zwischen Prolog und Auftakt arbeitete man im Werk zudem weiter an der Aerodynamik des 919 Hybrid, der in Silverstone mit dem High-Downforce-Paket ausgerüstet wird. Zusammen mit zwei, analog zu Audi und Toyota, auf maximale Effizienz getrimmten Hybrid-Systemen, hofft man bei Porsche, ein siegfähiges Paket geschnürt zu haben. Nach dem Prolog gilt Porsche zumindest schon mal als heißer Siegkandidat, den man erst einmal schlagen muss.

Toyota vor den 6h von Silverstone

Toyotas neuer Hybrid-LMP1, der TS050 Hybrid, feiert beim WEC-Rennen in Silverstone sein Renndebüt. Nachdem der alte Bolide von der Konkurrenz im Vorjahr förmlich gefressen wurde, erkannte man in Köln die Zeichen der Zeit und konzentrierte sich auf die Konstruktion eines völlig neuen Rennwagens mit neuem Motorenkonzept und neuen Hybrid-Einheiten. Anstelle eines 3,7-Liter-V8 Saugers wird der neue Toyota nun von einem 2,4-Liter-V6-Biturbo angetrieben. Die rückgewinnbare Energie wird außerdem nicht mehr über Super-Kondensatoren, sondern wie auch bei der Konkurrenz über Batterien gespeichert.

Das Ergebnis dieser konnte sich im Prolog sehen lassen: Toyota agierte sofort auf Augenhöhe mit Audi. Durch die Zuverlässigkeits-Probleme bei den vier Ringen etablierte sich Toyota als zweite Kraft beim Prolog. Ob man diesen Status halten kann, wird sich am Rennwochenende zeigen. Nachdem man in Le Castellet zunächst beide Aerodynamik-Varianten ausprobierte, legte man sich nun bei Toyota für den Auftakt auf das High-Downforce-Paket fest. Dadurch erhofft man sich, die Podest-Serie in Silverstone fortsetzen zu können. Bisher stand in jedem WEC-Lauf in Silverstone mindestens ein Toyota-Trio auf dem Podium, 2014 gewann man das Rennen sogar.

WEC Silverstone: Das LMP1-Kräfteverhältnis im Vorjahr

Silverstone erlebte 2015 ein packendes Rennen um den Sieg. Rad-an-Rad-Duelle zwischen Audi und Porsche, mit teils unfassbaren Überholmanövern, rissen die Zuschauer im Home of British motor racing von den Sitzen. Nach einer sechsstündigen Hatz über den ehemaligen Flugplatz der Royal Air Force trennte den siegreichen Audi #7 lediglich 4,6 Sekunden vom zweitplatzierten Porsche #18. Dass die Saison für Toyota nicht einfach werden würde, ließ sich schon an diesem Wochenende erahnen. Die Japaner wurden als amtierende Weltmeister von den riesigen Entwicklungssprüngen seitens Audis und Porsches überrascht und holten mit Platz drei eines von nur zwei Top-3-Ergebnissen 2015.

Die Aussagen der Verantwortlichen vor den 6h von Silverstone

Dr. Wolfgang Ullrich, Motorsportchef Audi: "In diesem Jahr sind die Karten neu gemischt. Alle Hersteller sind mit neuen Rennwagen am Start. Der Audi R18 hat mit seinem Vorgänger fast keine Schraube mehr gemeinsam. Noch kennt niemand die neuen Kräfteverhältnisse. Der Auftakt in Silverstone ist die erste Standortbestimmung."

Andreas Seidl, Teamchef Porsche: "Wir haben das Konzept des 919 beibehalten und konnten dank dieser Stabilität Weiterentwicklung im Detail betreiben. Durch Gewichtsreduzierung und Leistungssteigerung verschiedener Komponenten ist der 919 noch effizienter geworden. Fahrwerks- und Aerodynamikentwicklungen verbessern das Handling. Erstmals starten wir in Silverstone mit einem Aero-Paket, das den Hochgeschwindigkeitskurven mit viel Abtrieb Rechnung trägt. In den Vorjahren hatten wir mit Rücksicht auf Le Mans dafür keine Ressourcen. Seit dem Saisonfinale im November haben wir mit verschiedenen Ausbaustufen des 919 fast 23.000 Testkilometer zurückgelegt, teils als Ausdauer- und teils als Performancetests. Wir haben uns auch als Team über den Winter weiterentwickelt, sind bereit für den Saisonstart und gespannt darauf, wo wir im Vergleich zur Konkurrenz stehen."

Toshio Sato, Team Präsident Toyota: "Ich bin froh, dass die WEC-Saison endlich beginnt. Wir haben 2015 ein schwieriges Jahr durchlebt und seit dem letzten Saisonlauf des Vorjahres sehe ich dem Renndebüt unseres TS050 HYBRID ungeduldig entgegen. Es ist ein brandneues Auto, also erwarten wir noch Steigerungen in Sachen Leistung und Zuverlässigkeit. Aber ich glaube wir werden nun wieder ganz vorn mitmischen. Ein spannender Kampf wäre großartig für die WEC und die Fans, denn das Hauptaugenmerk dieser Rennserie liegt ja auf Innovationen und spannungsgeladenen Rennen. Unser TS050 HYBRID ist ganz gewiss innovativ, dank der harten Arbeit des gesamten Teams, sowohl in Köln als auch in Higashi-Fuji. Ich erwarte jedenfalls ein großartiges Rennen am kommenden Wochenende in Silverstone."