Die bestimmenden Sportwagenorganisationen FIA, ACO und IMSA haben die vier Chassiskonstrukteure für das umstrittene LMP2-Reglement, das ab der Saison 2017 gelten wird, offiziell bekannt gegeben. Neben Onroak (Ligier) und Oreca, deren Platz so gut wie sicher war, hat das Joint Venture Riley/Multimatic den amerikanischen Slot ergattert. Eine echte Überraschung ist der vierte Konstrukteur: Dallara wagt den Wiedereinstieg in die Sportwagenszene und hat ebenfalls den Zuschlag bekommen, während BR Engineering und Ginetta in die Röhre schauen. Dallara hatte zuletzt im Jahr 2000 mit dem SP1 einen LMP aufgelegt, der bis 2005 eingesetzt wurde.

Eine Reihe von Konstrukteuren hatte eine Bewerbung in Erwägung gezogen, einige aber wieder abgesagt - unter anderem HPD, weil die europäischen Regularien einen Einheitsmotor vorsehen und HPD nichts anderes als einen Honda-Motor zulassen würde. Die Auswahl der Hersteller erfolgte anhand folgender Kriterien:

  • Erfahrung und Reputation
  • Kapazitäten zur zuverlässigen Belieferung mit Ersatzteilen
  • Finanzielle Situation
  • Beabsichtigte Investitionen in das Programm
  • Qualität des Kundenservice
  • Sicherung des Supports auf allen Kontinenten
  • Qualität des Projekts und des Fahrzeugs
  • Maßnahmen zur Kostenreduktion

Pierre Fillon, der Präsident des ACO, sagt zu der Auswahl: "Der Automobile Club de l´Ouest ist stolz auf die Arbeit, die in die LMP2-Regularien für 2017 gesteckt worden sind, was in der Auswahl vier prestigeträchtiger Hersteller geführt hat. Unsere Priorität ist, die Fahrer und Teams, die in dieser Kategorie starten wollen, langfristig mit den besten Möglichkeiten und Lösungen für den Langstreckensport ausrüsten. Wir haben einen hochqualitativen Pool von Konstrukteuren ausgewählt, was das Interesse an dieser Klasse steigern wird."

Keine Überraschung: Oreca ist mit dem bereits für 2017 gültigen 05 dabei, Foto: Adrenal Media
Keine Überraschung: Oreca ist mit dem bereits für 2017 gültigen 05 dabei, Foto: Adrenal Media

Nachhaltiger Business Case oder Marktverzerrung?

Die neuen LMP2-Regeln mit vier Chassiskonstrukteuren und einem Standardmotor für alle Serien bis auf die USCC stießen auf gemischte Reaktionen im Fahrerlager und bei den Fans. Der ACO verbannt mit dieser Maßnahme in erster Linie Projekte wie den Strakka-Dome, bei dem ein Fahrzeug exklusiv für ein Team entwickelt und somit die Kostengrenze unterlaufen worden ist. Kritiker verspotteten die Regularien als eine "Lex Oreca", die betriebswirtschaftliche Fehler auf politischem Wege ausgleichen sollen. Strakka Racing oder auch SMP Racing mit dem BR01 bleibt künftig nur die Möglichkeit, in die LMP1 auf- oder ganz auszusteigen, sofern sie weiter eigene Projekte verfolgen.

ACO und FIA wollen mit der künstlichen Begrenzung des Marktes den vier Herstellern die Möglichkeit geben, wirtschaftlich zu arbeiten. Insbesondere Oreca hatte beklagt, dass unter den derzeitigen Regularien mit gedeckelten Kosten kein wirtschaftlicher Betrieb möglich sei. Durch die Begrenzung soll es jedem Hersteller möglich sein, eine größere Zahl von Fahrzeugen und Ersatzteilen verkaufen zu können. "Diese neuen Regularien werden zu konkurrenzfähigeren Fahrzeugen und einem effizienten, kostengedeckelten und durchführbaren ökonomischen Modell führen mit einem Markt für die Autos in Nordamerika, Europa und Asien und einem exzellenten Service für die Kunden", ergänzt Fillon

FIA-Präsident Jean Todt lobt insbesondere die Zusammenarbeit von ACO, FIA und IMSA, dank der die LMP2-Kategorie nun weltweit gültig ist: "Sie haben eine Zusammenführung der Sportwagen beschlossen, so dass dieselben Fahrzeuge und Autos auf beiden Seiten des Atlantiks fahren können. Das ist ein weiterer Beweis für die weiter laufenden Bemühungen der FIA, den Weg für einen nachhaltigeren Sport zu geringen Kosten zu ebnen. Die Sicherheit ist ebenfalls ein Kern der Bemühungen dieser neuen LMP2-Regularien gewesen; das gesamte Wissen, das wir aus den [2014er-] LMP1-Regeln gewonnen haben, wird dort integriert werden."

Lindsay Owen-Jones, der Präsident der Endurance Kommission in der FIA und ehemaliger CEO von L'Oreal, liegt besonders der finanzielle Aspekt am Herzen. So seien die neuen Regeln eine realistische Herangehensweise, die den Langstreckensport dynamischer und attraktiver machen werden. "Die Begrenzung auf vier Hersteller wird diesen helfen, einen größeren Return of Investment zu erwirtschaften, indem mehr Gelegenheit mit denselben Autos geschaffen und eine exzessive Fragmentierung des Marktes verhindert haben."

Angetrieben werden die neuen LMP2-Fahrzeuge von einem einheitlichen Motor mit etwa 600 PS. Hier sind der Hersteller und die Spezifikation des Triebwerks noch bestimmen. Klar ist bislang lediglich, dass es von einem unabhängigen Konstrukteur wie AER oder Judd stammen soll.

Vorbild für die US-LMP2: Die Daytona Prototypen mit Wiederekennungswert, Foto: Rolex
Vorbild für die US-LMP2: Die Daytona Prototypen mit Wiederekennungswert, Foto: Rolex

Sonderregelungen für die USCC

Die IMSA, die die Sporthoheit über die USCC hat, bekommt eine Reihe Sonderregelungen zugestanden: Das Chassis darf auch hier nur von den vier bestimmten Herstellern stammen, doch für die Werksteams gibt es weitreichende Ausnahmen bei Motor und der Karosserie: So dürfen in der USCC Bodykits verwendet werden, die an Straßenfahrzeuge erinnern. Ein aerodynamisches Wettrüsten wird aber verboten; die Kits müssen homologiert werden und eventuelle Vorteile werden sofort ausgeglichen. Nicht verändert werden dürfen Finne, Heckflügel und Cockpitkanzel. Bodykits dürfen nur in Kooperation mit dem Chassishersteller oder von diesem selbst entworfen werden.

Auch der Einheitsmotor gilt in den USA nicht. Stattdessen dürfen die Werksteams eigene Aggregate für die nordamerikanische Meisterschaft an den Start bringen. Diese reichen von Turbomotoren mit vier Zylindern bis hin zu Saugmotoren mit deren zehn. Die Parameter für die Motoren sind genau vorgegeben, zielen gerade bei den Saugmotoren aber auf GT3-Aggregate von Audi und Corvette ab. Die Leistung wird bei Saugmotoren über Restriktoren, bei Turbomotoren über den Ladedruck reguliert.

Parameter4 Zyl. Turbo6 Zyl. TurboV8 SaugV10 Saug
Max. Hubraum2,5l4,5l6,2l5,2l
Gewichttbatba150-180kg260kg
Länge535mmtba685mmtba
Breite370mmtba890mmtba
Höhe500mmtba752mmtba

Die LMP2-Boliden aus der USCC sollen auch in Le Mans und der ELMS rennen dürfen, allerdings dürfen sie dann das Bodykit nicht verwenden, sondern müssen auf das Standarddesign zurückgreifen. Die Motoren-Performance wird mittels BoP auf den europäischen Einheitsmotor angeglichen. Dieselmotoren sind in der USCC nicht mehr vorgesehen, weshalb Mazda bereits diese Saison auf Benzin umstellt.

IMSA-Präsident Scott Atherton kommentierte die Entscheidung so: "Das war der sorgfältigste und detaillierteste Auswahlprozess, den wir in diesem Sport jemals gesehen haben. Die Entscheidung war nicht leicht, weil es so viele qualifizierte Kandidaten gab. Das ist ein Schlüsselmoment, in dem wir die Weichen für den Sport in den USA und außerhalb stellen. Aber das ist nur der Anfang. Es gibt noch so viele wichtige Stopps auf dem Weg zu absolvieren, bis wir die Ehre haben, die neuen Fahrzeuge bei den 24 Stunden von Daytona 2017 einzuführen. Das hier ist in jedem Fall ein wichtiger Schritt nach vorn."