Im erst dritten Rennen als Ersatzfahrer könnte es für Kamui Kobayashi bereits ernst werden: Kazuki Nakajima liegt mit einem gebrochenen Wirbel im Krankenhaus und wird vermutlich auch in Le Mans ausfallen. Abgesehen von seiner Verletzung geht es Nakajima gut, doch die 24 Stunden von Le Mans werden wohl ohne den früheren Formel-1-Piloten stattfinden. Das Fahrerlager fragt sich: Was ist eigentlich passiert? Die Antwort war schnell gefunden, da die Onboard-Kamera schnell ausgewertet war: Es war ein schwerer Auffahrunfall.

Nakajima äußerte sich im Krankenhaus in Verviers: "Zunächst möchte ich mich bei Renndirektor Eduardo Freitas, seiner Sicherheitscrew und den Ärzten hier bedanken. Alle haben sich sehr gut um mich gekümmert." Er sei "unglaublich enttäuscht" und wolle so schnell wie möglich zurückkehren. Die Zeichen stehen jedoch darauf, dass das erst nach Le Mans der Fall sein wird. Zum Unfall konnte er nicht viel sagen: "Ich bin geradeaus gefahren und plötzlich war da ein Auto vor mir, ich hatte keine Zeit zum Reagieren." Der Toyota TS040 Hybrid bohrte sich mit unglaublicher Wucht in den Audi R18 e-tron quattro von Oliver Jarvis, der bei dem Unfall unverletzt blieb.

Äußerst kritisch sieht den Unfall Pascal Vasselon, sowohl was das Verhalten von Jarvis angeht, als auch Details in der Sitzposition. Er habe auf die Schwachstelle Rücken schon öfter hingewiesen. "Hier gibt es einige Fragezeichen", sagte er in einer eilig einberufenen Presserunde. "Wie kann ein Fahrer mit 160 km/h mitten auf der Ideallinie herumfahren, wenn andere an derselben Stelle mit 285 km/h ankommen? Der Aufprall geschah mit über 100 km/h Geschwindigkeitsunterschied!" Ein solcher Unfall ist in Spa nichts Neues; jedem Motorsportfan dürften noch die Bilder von berühmtesten Dreirad der Welt präsent sein, als Michael Schumacher anno 1998 David Coulthard beim Überrunden ins Heck krachte.

Toyota baute für Anthony Davidson und Sebastien Buemi ein völlig neues Auto auf, Foto: Toyota
Toyota baute für Anthony Davidson und Sebastien Buemi ein völlig neues Auto auf, Foto: Toyota

Rücklichter im Heckflügel bei Regen kaum sichtbar

Seitdem hat sich einiges getan, doch Vasselon sieht weiterhin Sicherheitslücken bei den LMP1-Boliden, obschon eine ganze Reihe schwerer Unfälle in Le Mans über die letzten Jahre vergleichsweise glimpflich ausging. Besonders ärgerlich sei, dass er darauf schon hingewiesen habe. "Wir haben diesen Punkt bereits mit FIA und ACO diskutiert: Die Sichtbarkeit der Regenlichter. Ein solcher Unfall hätte nämlich eigentlich nicht passieren dürfen." Vor einigen Jahren wurden die Heckleuchten in die Heckflügelplatten verlegt, mittlerweile sind sie dort sogar vorgeschrieben. Durch die aufgewirbelte Gischt aber sind sie schwer zu sehen.

Nakajimas Verletzungen sind dieselben, die sich auch Anthony Davidson bei seinem Horrorcrash in Le Mans 2012 zugezogen hatte. Die FIA und die Toyota Motorsport GmbH hatten seitdem eng zusammengebarbeitet. "Das Problem ist, dass sich die Wirbel bei einem Frontalaufprall nicht bewegen können", so der 52-Jährige. "Die gesamte Energie wird von der Wirbelsäule aufgenommen. Ein Faktor, der das noch verschlimmert, ist der Gurt, der sich beim Aufprall zusammenzieht. So wird die Wirbelsäule zwischen Sitz und Gurt eingeklemmt." Das Resultat sei stets dasselbe: Ein Bruch der Lendenwirbel. "Das ist ein generelles Problem, und Studien sind im Gange, wie man das lösen kann."

Da Nakajimas Verletzung erst heilen muss, stellt Toyota nun ein Programm für Kamui Kobayashi auf die Beine, um ihn für die 24-Stunden-Hatz fit zu kriegen. "Wir organisieren für ihn einen Test, damit er Kilometer sammeln kann", so Vasselon. "Er wird definitiv in Le Mans sein." Er und auch Teamdirektor Rob Leupen räumt Nakajima noch eine minimale Chance ein. "Aber Kazuki braucht ein Wunder, damit er in Le Mans fahren kann", so Leupen. "Wir holen Kamui jetzt so schnell wie möglich nach Europa. Er ist bereits informiert." Nach dem Unfall baute Toyota über Nacht ein neues Fahrzeug auf, mit dem Anthony Davidson und Sebastien Buemi sich auf P6 qualifizierten.