Vor einem Jahr noch die Neulinge, sind die Porsche-Mannen nun die Topfavoriten für den Saisonauftakt, zumindest wenn man nach den Testergebnissen geht. Porsche selbst hat alle Mühe, die Dominanz beim Prolog herunterzuspielen (gerade Toyota steht im Verdacht, Sandbagging betrieben zu haben). Doch nach fünf Bestzeiten in ebenso vielen Sessions ist klar, dass das Porsche Team um die Favoritenrolle nicht mehr herumkommt. Mit dem runderneuerten 919 Hybrid hat die Mannschaft rund um Fritz Enzinger nicht nur ein Effizienzwunder hingestellt, sondern auch den Hybrid-Olymp erklommen: Als erster Hersteller geht Porsche in die 8MJ-Kategorie.

Trotz der geringeren Durchflussmenge, die die höchste Hybridklasse mit sich bringt, bringt es der V4-Motor weiterhin auf über 500 PS. Deutlichstes optisches Erkennungsmerkmal ist die Abgasführung, die nun wie bei Toyota über einen Auspuff pro Zylinderbank statt ein Zentralrohr erfolgt. Auch die Frontpartie ist stark überarbeitet worden. Porsche zog alle Register beim neuen Fahrzeug und optimierte insbesondere die Nutzung der Reifen; hier bestand im Vorjahr noch ein Defizit. Weniger Sprit pro Runde bedeutet auch eine höhere Reichweite, denn die Tankgröße ist in allen Hybridklassen gleich.

Bunte Truppe: In Le Mans geht Porsche mit drei verschiedenen Designs an den Start, Foto: Porsche Motorsport
Bunte Truppe: In Le Mans geht Porsche mit drei verschiedenen Designs an den Start, Foto: Porsche Motorsport

Gesteigerte Erwartungshaltung

2014 war die Steigerung nicht zu übersehen; nahezu bei jedem Rennen verbesserte sich das Porsche Team Stück für Stück. Bis Le Mans war man schon gleichauf mit Audi, litt im Rennen jedoch unter Zuverlässigkeitsproblemen, die im ersten Jahr zu erwarten waren. In der zweiten Saisonhälfte etablierten sich die 919er als zweite Kraft hinter Toyota, in Bahrain sahen erstmals beide Fahrzeuge das Podium, in Brasilien war man gleichauf mit den Japanern und holt den ersten Sieg. Somit sind schon Ziele, die eigentlich erst im zweiten Jahr anstanden, bereits im ersten erreicht worden.

Damit ist natürlich auch die Erwartungshaltung für die Saison 2015 gestiegen. Über den Winter wurde fleißig abgespeckt: Obwohl mehr Batterien verbaut worden sind, ist das Fahrzeug insgesamt leichter geworden. Porsche ging mit seinem Programm wesentlich offener um als Audi und Toyota und ließ die Öffentlichkeit am Testprogramm teilhaben. Als womöglich einziger Hersteller ließ man die Katze auf dem Paul Ricard HTTT aus dem Sack: Um vier Sekunden war Romain Dumas schneller als das Vorjahresfahrzeug.

Porsche ist das einzige LMP1-Team, das keine Änderungen am Fahrerkader vorgenommen hat: Weiterhin werden Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb ein Team bilden und Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley im zweiten Fahrzeug sitzen. In Spa und Le Mans wird zudem ein dritter 919 Hybrid mit Nico Hülkenberg, Nick Tandy und Earl Bamber an den Start gehen. Ein Engagement von Fernando Alonso scheiterte am Widerstand von Honda.

Hausaufgaben wurden gemacht

Eingespielt: Die Fahrerpaarungen blieben dieselben, Foto: Porsche
Eingespielt: Die Fahrerpaarungen blieben dieselben, Foto: Porsche

Die Ankündigungen von Porsche waren klar und deutlich: Man werde 2015 nicht mehr defensiv agieren wie noch im Vorjahr, sondern das Heft in die Hand nehmen. Anders als bei Nissan sind das keine Marketing-Floskeln, sondern alles, was Porsche bislang kommuniziert hat, hatte Hand und Fuß. Jeder weiß um den enormen Schritt, den die 2015er-Ausbaustufe des 919 Hybrid darstellt. Aber auch die Gegner haben Fortschritte gemacht. Porsche sah bei den Testfahrten dominant aus, bei den Longruns aber herrschte Parität. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob Porsche bei den Longruns geblufft hat oder nicht.

Die starke Frühform verführt natürlich zu hohen Erwartungen: Le-Mans-Sieg und WM-Titel erscheinen momentan als absolut realistische Ziele. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass diese Projekt erst in der zweiten Saison steckt. Einen Erfahrungsschatz wie das Audi Sport Team Joest kann Porsche nicht vorweisen, und gerade in Le Mans kann Erfahrung von unschätzbarem Wert sein. Daran kann das Porsche Team natürlich wenig machen, aber in den Punkten, an denen sie etwas ändern können, haben sie, wie es aussieht, alles richtig gemacht.

Technische Daten Porsche 919 Hybrid

Einsatzteam: Porsche Team
Länge: 4650mm
Breite: 1900mm
Höhe: 1050mm
Motor: 2.0l Mono-Turbo, Benzin-Direkteinspritzung
Getriebe: 7-Gang sequenziell
Energierückgewinnung: 1x ERS-K, 1x ERS-H
Energiespeicher: Batterien
Systemleistung: 1000 PS
Hybridklasse: 8MJ