Die Fußstapfen sind enorm, in die sich Oliver Jarvis als neuer Werksfahrer bei Audi begibt: Er muss den großen Tom Kristensen beerben, den erfolgreichsten Le-Mans-Piloten aller Zeiten. Dennoch ist es für den früheren DTM-Piloten die wohl größte Chance seiner Karriere. Nach zwei Jahren auf der Ersatzbank und sporadischen Einsätzen im dritten Audi in Spa und Le Mans sowie einer weiteren Beschäftigung in der japanischen Super GT gehört er nun zur ersten Garde in Audis Vorzeigeprogramm.

"Ich muss ein paar Fußstapfen füllen, und einige Leute sagen, dass man sie nicht füllen kann", so der 30-Jährige gegenüber Sportscar365. Alles was ich hoffe ist, dass ich zeigen kann, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben, mich zu befördern und dass ich diese Wahl rechtfertigen kann." Daher will er sich auch lieber auf die positive Seite des zweischneidigen Schwerts konzentrieren: "Seit ich das erste Mal einen Fuß in den LMP1-Boliden gesetzt habe, war der Traum, in der Position zu sein, in der ich jetzt bin. Um eine Weltmeisterschaft zu kämpfen, ist wirklich sehr speziell."

Jarvis musste sich intern gegen Marco Bonanomi und Filipe Albuquerque durchsetzen. Deshalb fühlt er sich bereit, mit dem Druck umzugehen, den das Engagement als Nachfolger des erfolgreichsten Sportwagen-Piloten aller Zeiten mit sich bringt: "Auf diesem Niveau herrscht immer ein enormer Druck. Da kommt es auch nicht mehr drauf an, wer deine Teamkollegen sind und wen du ersetzt. Wenn du auf diesem Level Rennen fährst, hast du immer Druck. Das ist ein ernsthafter Werkseinsatz und Audi tritt an, um zu gewinnen." Ohnehin käme der größte Druck von ihm selbst.

Der Abstecher in die Super GT war für Oliver Jarvis von wenig Erfolg gekrönt, Foto: Super GT
Der Abstecher in die Super GT war für Oliver Jarvis von wenig Erfolg gekrönt, Foto: Super GT

Schwieriges Jahr in der Super GT

2014 war Jarvis der Mann der zwei Werke. Für die zwei WEC-Rennen in Spa und Le Mans war er im LMP1-Audi unterwegs, den Rest der Saison bestritt er in Japan für das Lexus Team SARD, wo er eine schwierige Saison erlebte. "Das Problem ist, dass die Leute gar nicht realisieren, wie kompetitiv die Super GT eigentlich ist", rechtfertigt sich der Engländer, der mit seinem japanischen Teamkollegen Hiroaki Ishiura im Lexus RC F in der Meisterschaft auf den 13. Rang fuhr. "Es gibt dort einige Weltklassefahrer und es ist eine der schwierigsten Meisterschaften, die ich je gefahren bin." Jarvis fuhr immerhin schon in der DTM, die als äußerst hart umkämpft gilt.

In der abgelaufenen Saison musste Audi feststellen, dass nach dem Sieg in Austin plötzlich die Konkurrenzfähigkeit vollständig abhanden kam. Der 30-Jährige ist sich der Lage bewusst: "Es wird ein großer Kraftakt über den Winter. Audi steht niemals still, aber das gilt auch für unsere Mitbewerber. Wir müssen also nicht nur unser Defizit aufholen, sondern einen noch größeren Schritt machen, weil unsere Konkurrenten sich ja auch verbessern." Und diese Schritte werden nicht gerade klein sein. Wechsel der Hybridklassen und komplett neue Fahrzeuge werden für 2015 erwartet.

Mit Tom Kristensen hat Jarvis nach seiner Berufung in den Vollzeit-Kader noch genug Kontakt, denn der Routinier wird künftig für das Fitnesslevel der Audi-Fahrer verantwortlich sein. "Ich bin sehr glücklich, dass er den Absprung wagt, während er noch ganz oben steht. Er hat den richtigen Zeitpunkt gefunden. Ich muss mich bei ihm bedanken, denn er weiß, wie viel es mir bedeutet, diese Chance zu erhalten. Ich habe ihn am Tag meiner Berufung getroffen und er hat mir ein Lächeln geschenkt", schloss er ab.