Letzten Dezember hast du deine erste Berührung mit dem LMP1-Fahrzeug gehabt. Hättest du erwartet, nach der ersten Saison drei Podiumsplätze und Führungsrunden in Le Mans auf der Habenseite zu haben?
Mark Webber: Nach dem ersten Vortest war ich recht nervös, wie sich die Saison für uns ausgehen würde, vor allem in Sachen Performance. Porsche ist ein solch großer Name und die Leute erwarten von uns so viel in der LMP1-Kategorie, in der wir so viel Erfolg hatten. Wir lagen zu Beginn der Saison leicht hinten, was sich in Silverstone bei Auto Nummer 14 und in Spa an meinem Fahrzeug zeigte, aber wir haben gelernt und uns verbessert und schließlich die Podiumsplätze am Ende der Saison eingefahren, was eine tolle Belohnung war.

Was Le Mans betrifft, hatten wir niemals angedacht, ein Fahrzeug in Führung zu haben; weniger als vier Stunden vor dem Ende mit der Startnummer 20 auszufallen war ein tiefer Fall, aber wir haben eine Riesenmenge als Team dadurch gelernt. Fünf Podiumsplätze und einen Sieg in unserer Rückkehrsaison zu holen war ein großartiger Erfolg. Insgesamt war unsere Rückkehr erfolgreich und wir können sicherlich mit erhobenen Hauptes aus der Saison gehen.

Wie schwierig war es, sich auf die Sportwagen einzuschießen, nachdem du so lange Formel-1-Routine hattest und was machst du aus der Situation, dir das Auto mit zwei weiteren Fahrern teilen zu müssen?
Mark Webber: In den ersten Monaten war es für mich eine große Umstellung und eine komplett neue Erfahrung, um ehrlich zu sein. Die letzten 15 Jahre lang hatte ich ein Fahrzeug für mich allein, damit war es schon eine gewisse Herausforderung, die Bedürfnisse der anderen beiden Fahrer mit einzukalkulieren. Ich habe meine Zeit in der Formel 1 als Individualsportler definitiv genossen, aber in dieser Phase meiner Karriere hat es mir große Freude bereitet, komplett offen mit meinen Teamkollegen und den Ingenieuren umzugehen, um unser kollektives Wissen zu erweitern.

Der Horrorcrash am Ende der Saison ging glimpflich aus, Foto: Youtube
Der Horrorcrash am Ende der Saison ging glimpflich aus, Foto: Youtube

Wenn mehr als ein Fahrer im Auto sitzt bedeutet das, dass man bei gewissen Dingen Kompromisse eingehen muss im Cockpit wie bei der Positionierung von Sitz und Pedalen sowie in gewissen Aspekten des Setups. Das ist etwas, worauf ich mich einschießen musste. Aber wie auch immer, es hat mich überrascht, dass es mir so viel Freude gemacht hat, mir das Cockpit mit Brendon Hartley und Timo Bernhard zu teilen.

Rückblickend kann man sagen, dass ich eine Menge gelernt habe und jetzt 100 Prozent komfortabel in meinem neuen Job bin. Dadurch, dass wir gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen sind, bin ich auch mit Timo und Brendon näher zusammengerückt und der Team Spirit, den wir über das Jahr aufgebaut haben, ist außerordentlich.

Wie sehr unterscheidet sich die Arbeit in einem WEC-Team von derjenigen in einem Formel-1-Team?
Mark Webber: Die Atmosphäre in einem LMP1-Team ist der größte Unterschied, da jede Seite der Garage gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet. Die Kommunikation zwischen beiden Fahrzeugen ist sehr offen und es gibt einen regen Austausch zwischen Ingenieuren und Fahrern; es ist schön, wieder in einer echten Teamatmosphäre zu arbeiten.

Die Rivalität im Team, die man aus der Formel 1 kennt, ist hier quasi nicht existent, weil der Start eines solchen Wettbewerbs nicht dem Hersteller bei seinem Ziel hilft, beide Fahrzeuge an die Spitze zu bringen. Ich denke aber, dass nächstes Jahr eine etwas größere freundschaftliche Rivalität bei Porsche herrschen wird, wie man es von Audi und Toyota kennt. Dort kämpfen die Fahrer etwas härter gegeneinander, aber sie tun es mit Respekt und nicht so, dass es zu Lasten des gemeinsamen Ziels gehen würde.

Zwischen den Herstellern auch ein gesundes Maß an Respekt, was eine nette Abwechslung im Vergleich zur Formel-1-Boxengasse ist. Als unsere Mechaniker die Startnummer 14 gegen Ende wieder zurück auf die Strecke schickten, haben die anderen Teams applaudiert, als das Fahrzeug die Ziellinie überquert hat. Das war ein echtes Highlight für mich. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, ein Fahrzeug nach Hause zu bringen und wie viel Anstrengung in dieses Rennen gesteckt wird. Es ist emotional, alle sind müde und es ist ein sehr zermürbendes Rennen. Deshalb war es sehr bewegend, eine solche Reaktion eines Mitbewerbers zu sehen.

Bitterer Ausfall in LE Mans kurz vor Schluss, Foto: Speedpictures
Bitterer Ausfall in LE Mans kurz vor Schluss, Foto: Speedpictures

Genießt du es ,ein Dach über dem Kopf zu haben und wieder in einem Fahrzeug mit bedeckten Reifen zu fahren?
Mark Webber: Diese Fahrzeuge sind eine große Freude zu fahren, keine Frage. Der Speed ist hoch und der Schlüssel ist die Konstanz. Jeder Sportler mag es, gefordert zu werden, wenn Konstanz gefordert ist. Als Fahrer muss man sehr vielseitig sein, um sich auf verschiedene Umstände einzustellen, sei es, das Auto morgens um drei fährt oder wenn sich der Plan ändert und man plötzlich einen Dreifachstint fahren muss.

Ich denke, das durch das Reglement vorgegebene Gewicht schränkt die Rundenzeit etwas ein, aber wenn man sich unsere Performance im Vergleich zur Formel 1 beispielsweise in Brasilien waren, dann ist es noch immer sehr beeindruckend, wie schnell diese Fahrzeuge sind. Ich denke, wir wären ein konkurrenzfähiges Mittelfeldteam in der Formel 1, wenn man sich anschaut, wie selten wir stoppen. Das beweist, wo die Hersteller mittlerweile stehen.

Deine Fans müssen ebenfalls an ihrer Ausdauer arbeiten, um dir einem stundenlangen Rennen zu folgen...
Mark Webber: Keine Frage, ein 24-Stunden-Rennen komplett zu verfolgen ist sehr anstrengend. Verschiedene Rennen in verschiedenen Kategorien und es kann für die Fans schwierig sein, die Strategien der Teams zu verstehen. Das Bild entwickelt sich bis zum Ende des Rennens, aber ich verstehe, dass nicht jeder die Zeit oder Lust dazu hat, sich das alles anzusehen. Fürs nächste Jahr wollen die WEC-Organisatoren und Hersteller die Fans die Fans dazu ermuntern, mehr vom Rennen anzuschauen, indem sie die Teams dazu anregen, ein bisschen offener damit zu sein, was geschieht, ohne dabei die Karten zu sehr offenzulegen. Das sollte es etwas leichter machen, dem Rennen zu folgen.

Zu Beginn der Saison gab es noch kleinere Kinderkrankheiten, Foto: FIA WEC
Zu Beginn der Saison gab es noch kleinere Kinderkrankheiten, Foto: FIA WEC

Andererseits hatten wir aber auch einige Rennen mit vollen Rängen, wie etwa Brasilien. Ich weiß nicht, ob es an Emerson Fittipaldi lag, aber es war toll zu sehen, wie leidenschaftlich sie sich für jede Art Motorsport begeistern.

Die Serie geht definitiv in die richtige Richtung und viele großartige Fahrer sehen das. Und wir haben schon Legenden wie den jetzt zurückgetretenen Tom Kristensen und schnelle Piloten wie Andre Lotterer oder Loic Duval. Dieses Jahr haben Anthony Davidson und Sebastien Buemi die Weltmeisterschaft gewonnen, und nächstes Jahr haben wir Formel-1-Fahrer wie Nico Hülkenberg wieder zurück in Le Mans. Es ist jetzt ein sehr hohes Niveau.

Du hast jetzt erst einmal Pause, bevor es im Februar zu den Testfahrten geht. Was liegt an?
Mark Webber: Meine Familie kommt aus Australien und wir werden in Großbritannien eine relaxte Ferienzeit verbringen, bevor es wieder nach Australien geht. Wir haben eine kleine, zwanglose Party mit unseren Freunden, auf die ich mich sehr freue. Und dann ist es natürlich Zeit für Strand und Sonne!