Ein Le-Mans-Sieg deckt normalerweise alles zu. Und so kann Audi die Saison 2014, die ein fast völliger Fehlschlag war, doch noch als Erfolg verbuchen. Zu wenig Topspeed, zu wenig Hybridleistung. Oder doch eine ungerechte Einstufung? Die letzten Verfechter der Dieseltechnologie wurden über weite Strecken der Saison nicht nur von Toyota vorgeführt, sondern auch von Neuzugang Porsche unter Druck gesetzt. Da es keinen Dieselkonkurrenten gibt, ist es schwer zu sagen, ob die Equivalence of Technology für die Technologien (nicht zu verwechseln mit Balance of Performance, bei der ganze Autos angeglichen werden) Schuld daran ist, dass Audi bis zu zwei Sekunden pro Runde fehlte.

Das Audi Sport Team Joest ist ein Meister darin, aus einem eigentlich langsameren Fahrzeug bessere Resultate herauszuholen als eigentlich möglich. Es sei nur einmal an den fabelhaften Le-Mans-Sieg von 2008 erinnert. Doch diese Taktik wird zunehmend schwerer, da es nicht mehr nur einen Konkurrenten wie zu Peugeot-Zeiten, sondern mehrere Gegner gibt. In Le Mans ging es noch einmal auf: Porsche war noch nicht aussortiert, Toyota fiel mit Technikproblemen aus und Audi war auch von der eigenen Performance her in Le Mans weit besser aussortiert als in den restlichen WEC-Rennen.

Der Sieg in Austin war noch beeindruckender als der in Le Mans, Foto: Adrenal Media
Der Sieg in Austin war noch beeindruckender als der in Le Mans, Foto: Adrenal Media

In Le Mans konkurrenzfähig, sonst nicht

Abseits der langen Geraden von Le Mans, wo Audi auch dieses Jahr wieder ein ganz eigenes Low-Downforce-Fahrzeug einsetzte, hatte Audi ein Speed-Problem. Die R18 waren im High-Downforce-Trimm auf der Geraden einfach zu langsam und konnten nur in langgezogenen, schnellen Kurven Zeit gutmachen. Beim Saisonauftakt in Silverstone trat das Topspeed-Problem noch nicht zu Tage und aufgrund der zahlreichen langen Kurven war das Joest-Team sogar konkurrenzfähig, beging dann aber einen ganz seltenen Strategiefehler, als der Regen kam. Auf Slicks segelten beide R18 von der Strecke - ein solcher Fauxpas passierte dem Joest-Team in der WEC noch nie.

Dafür machten sie es in Austin wieder gut: Als der Himmel abermals seine Schleusen öffnete, verzockte sich Toyota und auch ein Porsche segelte von der Strecke; Marcel Fässler, Andre Lotterer und Benoit Treluyer rangen den waidwunden zweiten 919 im Schlussspurt nieder und übernahmen zwischenzeitlich sogar die WM-Führung. Man schien endgültig in der Saison angekommen zu sein. Doch die Realität biss gnadenlos zu: In den drei Asien-Rennen jedoch war Audi meilenweit von Toyota weg, und auch Porsche hatte sich zwischenzeitlich an den Ingolstädtern vorbeigearbeitet.

Schon beim zweiten Rennen in Spa-Francorchamps bahnte sich das Speed-Drama bereits an, doch das zwischenzeitliche Hoch mit den zwei Siegen durch Fässler/Lotterer/Treluyer machte das zwischenzeitlich vergessen, bevor die Realität wieder bitter zubiss. Erst beim Saisonfinale in Brasilien waren die Audi wieder konkurrenzfähig und konnten in der Höhenluft das Tempo der Spitze mitgehen. Zuvor hatte Audi noch einmal beide Chassis ausgetauscht.

Der Le-Mans-Sieg rettete Audis Saison, Foto: Sutton
Der Le-Mans-Sieg rettete Audis Saison, Foto: Sutton

Fehlersuche: Klassenwahl oder EoT?

Doch das Speed-Manko brachte Unruhe ins Team. Gute Leute verließen Audi, hinzu gesellten sich Spekulationen um einen Wechsel der vier Ringe in die Formel 1. Audi dementierte zwar auf der Stelle, doch angesichts der Verpflichtung von immer mehr F1-Personal wollen diese Gerüchte nicht verschwinden. Audi suchte derweil nach Gründen für die fehlende Konkurrenzfähigkeit: So habe der ACO bei der wissenschaftlichen Einstufung des Diesel andere Parameter verwendet als Audi sie errechnet hatte.

Andererseits war es auch die Wahl auf die 2MJ-Klasse, die die fehlende Beschleunigung mit erklärt - Audis eigene Wahl. Doch die endgültigen zugewiesenen Energiemengen pro Runde wurden erst nach dieser Wahl bekannt gegeben und Audi schaute in die Röhre. "Verzockt", hieß es in der Fachpresse. Die Hybridklasse kann Audi über den Winter wechseln, doch es steht lediglich ein Aufstieg auf vier Megajoule zur Debatte. Sollten Toyota und/oder Porsche auf acht gehen, würde das Defizit bestehen bleiben. Die EoT hingegen ist bis einschließlich Le Mans 2015 festgeschrieben.

Fataler Strategiefehler beim Saisonauftakt, Foto: Audi
Fataler Strategiefehler beim Saisonauftakt, Foto: Audi

Fahrerisch war Audi top aufgestellt. Als Aushängeschild präsentierte sich Andre Lotterer, dessen Fünffachstint in Le Mans eine Menge Fachleute beeindruckte. Natürlich aber stand fahrerseitig Tom Kristensen bei Audi im Mittelpunkt, der seine außergewöhnliche Karriere am Ende der Saison beendete. Wäre an seinem Audi R18 e-tron quattro in Le Mans nicht der Turbo kaputt gegangen, hätte er wohl seinen zehnten Le-Mans-Sieg gelandet. Seine Teamkollegen Loic Duval und Lucas di Grassi waren oft die Pacemacher bei Audi, Lotterers Teamkollegen Marcel Fässler und Benoit Treluyer seit Jahren eine Bank.

2014 ging noch einmal durch den Sieg in Le Mans für Audi gut, doch im kommenden Jahr gesellt sich ein weiterer Hersteller hinzu, womit es noch einmal unwahrscheinlicher wird, dass ein langsameres Fahrzeug das Rennen gewinnen kann, von der Weltmeisterschaft ganz zu schweigen. Jeder im Joest-Team weiß, dass das Speed-Defizit verschwinden muss. An den finanziellen Mitteln soll es nicht liegen. Audi wird alles geben, um 2015 noch einmal zu zeigen, wer die Herren im Langstrecken-Hause sind.