In den letzten Jahren immer ein Garant für volle Starterfelder in der Langstrecken-Weltmeisterschaft, hatte die LMP2-Kategorie heuer ein mächtiges quantitatives Problem: Ganze vier Fahrzeuge nahmen regelmäßig an den sechs Stunden dauernden Rennen teil. Was war passiert? In erster Linie sorgten diverse Fahrer-Ratings für den Teilnehmerschwund. Einige gute Amateurfahrer wurden auf "Gold" hochgestuft, wodurch es schwierig wurde, die nötigen Amateure zu finden. Andere Teams fuhren lieber in der ELMS um Gesamtsiege, statt in der WEC zweite Geige zu spielen. Und letztlich sorgte das Strakka-Debakel für einen Totalausfall, von der Peinlichkeit Millennium Racing einmal ganz zu schweigen.

Späte Befriedigung: Sergey Zlobin (r.), hier mit Maurizio Mediani, konnte eine offene Rechnung mit Roman Rusinov begleichen, Foto: Adrenal Media
Späte Befriedigung: Sergey Zlobin (r.), hier mit Maurizio Mediani, konnte eine offene Rechnung mit Roman Rusinov begleichen, Foto: Adrenal Media

Eindrucksvolles Ligier-Debüt

Was bleibt damit aus der Saison 2014 hängen? Da wäre zunächst einmal das Debüt des Ligier JS P2, der eine neue Generation von LMP2-Fahrzeugen einläutet. Eindrucksvoll war es: Die 24 Stunden von Le Mans als Debüt auszuwählen zeugt bereits von einem hohen Selbstbewusstsein, doch es wurde gerechtfertigt: 23 Stunden lang hielt das brandneue Coupe die Spitze, erst in der letzten Stunde verhinderten Kinderkrankheiten die Sensation, doch Rang zwei war noch immer ein fantastisches Ergebnis für ein brandneues Auto.

Ein Abziehbild dieser Situation zeigte sich auch in der Weltmeisterschaft: Vom reinen Speed her hätte das von Oak Racing betreute Team G-Drive Racing den Titel wohl im Rückwärtsgang eingefahren. Vier Siege und sieben Pole Positions aus acht Rennen sprechen eine deutliche Sprache. Doch die P2-Kategorie verdeutlichte, dass bei allen sprichwörtlichen 6- oder 24-Stunden-Sprintrennen noch immer Langstreckenrennen gefahren werden, bei denen das Ankommen im Vordergrund steht. Am Ende sorgte ein Bremsdefekt am G-Drive-Ligier für die Meisterschaftsentscheidung im letzten Rennen zu Ungunsten der dominierenden Fahrerpaarung, der Konkurrent schied einmal weniger aus und holte den Titel.

G-Drive Racing musste erfahren, dass im Langstreckensport nicht immer der Schnellste gewinnt, Foto: Adrenal Media
G-Drive Racing musste erfahren, dass im Langstreckensport nicht immer der Schnellste gewinnt, Foto: Adrenal Media

Das Jahr stand im Zeichen eine David-gegen-Goliath-Kampfes, wenn auch von der physischen Statur her die Rollen umgedreht gewesen sein mögen: Das dominante, von Onroak Automotive direkt unterstützte G-Drive-Team rund um Roman Rusinov, der sich mit dem LMP-Neuling Julien Canal und LMP2-Ass Olivier Pla verstärkte. Das Trio avancierte zur dominanten Fahrerpaarung. Auf der anderen Seite stand aufgrund von Personalrochaden während der Saison einzig Sergey Zlobin im Kunde-Oreca, bei den meisten Rennen verstärkt von Ex-Peugeot-Werksfahrer Nicolas Minassian und Maurizio Mediani.

ELMS-Teams blamieren WEC-Rennställe in Le Mans

Entscheidend war, das Sergey Zlobin in Le Mans die Zielflagge als einziger WEC-Pilot in der LMP2 sah. Das gab ihm 50 Punkte, die den Titel zu seinen Gunsten entschieden. Dennoch wurden die WEC-Teams in Le Mans tüchtig von den ELMS-Startern abgeledert: Zlobin mag zwar die volle Punktzahl für den WEC-Klassensieg erhalten haben, war dabei aber nur Zwölfter in der Klasse mit 53 Runden Rückstand auf den Klassensieger und vorletztes Fahrzeug in der Gesamtwertung. Dennoch dürfte der Titelgewinn ihm eine persönliche Befriedigung gegeben haben: Als er 2002 kurz davor stand, für Minardi Formel 1 zu fahren, soll es Rusinov gewesen sein, der den Deal zum Platzen gebracht hat. Zumindest diese Rechnung sollte nun beglichen sein.

KCMG sorgte nicht nur auf der Strecke für Aufsehen, Foto: Speedpictures
KCMG sorgte nicht nur auf der Strecke für Aufsehen, Foto: Speedpictures

Als Aufsteiger der Saison ist wohl das kleine in Hong Kong ansässige Team der KC Motorsports Group (KCMG) auszumachen: Mit drei Klassensiegen setzten die bislang kaum bekannten Matthew Howson, Richard Bradley und Alexandre Imperatori einige Duftmarken. Auf dem Fuji Speedway brachte Imperatori Olivier Pla im klar schnelleren Ligier rundenlang zur Verzweiflung, indem er jeden Angriff abblockte. Der große Absteiger dagegen war Strakka Racing: Der Dome S103 fuhr kein einziges Rennen. Die gesamte Saison über konnte das Fahrzeug trotz zahlreicher Testfahrten nicht die nötige Starterlaubnis erlangen.

2014 wird wohl als eine der schwächsten LMP2-Saisons in die WEC-Geschichte werden, doch für das kommende Jahr stehen die Zeichen besser: Aktuell gibt es nach den revidierten Fahrer-Ratings und der LMP2-Krise in der USCC mehr Interessenten als überhaupt Startplätze vorhanden sind.