Zugegeben, das hat gesessen: Toyota hat auf dem Fuji Speedway beide Audi-Siege der Saisonmitte mit Nachdruck relativiert. Die Riesendominanz in Japan macht das verlorene Le-Mans-Rennen noch bitterer, zeigt aber deutlich, über wen die Weltmeisterschaft in diesem Jahr gehen wird. Audi muss sich von einem Riesenschock erholen. Große Änderungen an der Hackordnung sind jedoch nicht mehr zu erwarten, da die Zeit für Entwicklungen seit Austin sehr knapp geworden ist. Für das Wochenende ist trockenes Wetter vorhergesagt, doch bis in den Freitag hinein kann es zu Regenschauern kommen.

Ohne Probleme ist der Sieg fast sicher

Fuji hat gezeigt: Eigentlich kann sich Toyota nur mehr selbst schlagen. Doch dies hat man nun bereits zweimal im Laufe dieser Saison bewerkstelligt. Den Hauptschuldigen hat Toyota Racing daher nun endgültig kaltgestellt: Nicolas Lapierre wird diese Saison gar nicht mehr antreten, so dass es den ehemaligen F1-Piloten Sebastien Buemi und Anthony Davidson nun alleine obliegt, den WM-Titel unter Dach und Fach zu bringen. Stolze 29 Punkte beträgt der Vorsprung in der Fahrerwertung auf das Audi-Trio Fässler/Lotterer/Treluyer.

Toyota hatte in Japan gegenüber Audi klar die Oberhand, Foto: Toyota
Toyota hatte in Japan gegenüber Audi klar die Oberhand, Foto: Toyota

Damit kann man sich theoretisch sogar einen Ausfall leisten, doch bei noch 78 zu vergebenen Punkten ist dies keine Option. Kazuki Nakajima, Stephane Sarrazin und Alex Wurz werden wieder Schützenhilfe spielen, da sie selbst keinerlei WM-Chancen mehr haben. Toyota hat noch eine Rechnung mit Shanghai zu begleichen: Nach dem überlegenen Sieg im Jahre 2012 diktierten die TS030 Hybrid im Vorjahr das Geschehen, fielen aber durch Aufhängungsprobleme und einen Reifenschaden aus beziehungsweise hinter Audi zurück. Auch in diesem Jahr muss die Konkurrenz wohl auf solche Fehltritte hoffen, den in Punkto Grundspeed ist Toyota wohl nicht mehr zu schlagen.

Harter Wettbewerb zwischen den Konzernschwestern

Porsche hat sich in Fuji klar als zweite Kraft etabliert. Im Qualifying sind die 919 Hybrid mittlerweile in der Lage, das Tempo der Toyota TS040 Hybrid mitzugehen. Die Zuverlässigkeitsprobleme sind noch immer nicht vollständig aussortiert, doch die Fehlerquote sinkt mit jedem Rennen. Sowohl Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb als auch Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley sind zumindest für eine Pole Position gut. Es ist auch wahrscheinlich, dass das Porsche Team, das in der WM-Wertung nicht mehr viel holen kann, in den letzten Rennen bereits Komponenten für das 2015er-Auto testet.

Audi und Porsche müssen auf Fehler von Toyota hoffen - oder auf Regen, Foto: Audi
Audi und Porsche müssen auf Fehler von Toyota hoffen - oder auf Regen, Foto: Audi

Die größte Frage wird jedoch sein: Kommt Audi aus dem Tal der Tränen wieder heraus? Nach den zwei Siegen in Le Mans und Austin schlug auf dem Fuji Speedway der Blitz ein: Zweimal überrundet, viel zu wenig Topspeed und keine Doppelstints. Urplötzlich war das längst vergessene Spa-Syndrom wieder zurück. Audi wiegelte ab: Es sei die Streckencharakteristik mit einer langen Geraden und vielen engen Kurven gewesen, die dem R18 e-tron quattro nicht gelegen habe. Der Shanghai International Circuit bietet einige schnelle Kurven, die dem Audi mehr liegen sollten. Aber eine lange Gerade gibt es auch hier, ebenso wie in Bahrain und Sao Paulo.

Ein radikaler Turnaround muss in China her, sonst fährt der WM-Zug in Toyota-Geschwindigkeit davon. In den Vorjahren waren jene in Shanghai vom Speed her klar überlegen. Solange keine außergewöhnlichen Umstände in Form von Regenschauern die Strecke heimsucht, werden Marcel Fässler, Andre Lotterer und Benoit Treluyer schwer kämpfen müssen, um ihre WM-Chancen aufrecht zu erhalten. Selbst wenn Toyota stolpern sollte, ist Porsche mittlerweile zum Gegner auf Augenhöhe geworden. In der Markenwertung liegt Audi nur acht Punkte hinter Toyota. Daher ist es wichtig, dass auch das Weltmeisterauto mit Lucas di Grassi, Loic Duval und Tom Kristensen ordentlich Punkte sammelt.

Lotus gelingt der Kraftakt

Stark: Lotus wird in Shanghai starten, Foto: Adrenal Media
Stark: Lotus wird in Shanghai starten, Foto: Adrenal Media

Es wurde bereits über ein mögliches Saisonende spekuliert, doch das Lotus-Team zeigt, dass es das WEC-Engagement ernst nimmt. Zum zweiten Mal nach der Getriebe-Saga in Austin ist eine Glanzleistung geglückt: Der CLM P1/01 bereit, den Kampf gegen die Rebellion R-One aufzunehmen. Diese haben in den letzten beiden Rennen mit einigen Problemen zu kämpfen gehabt, aber den Titel in der Wertung für private LMP1-Teams sicher. Das gilt sowohl für das Team selbst in der Teamwertung, als auch für Nicolas Prost, Nick Heidfeld und Mathias Beche in der Fahrerwertung. Lotus glänzte unterdessen in Fuji mit hohen Topspeeds, strauchelte aber beim mechanischen Grip. In Shanghai zählt dazu die Aerodynamik - ein Gebiet, auf dem sich der CLM noch beweisen muss.

In der LMP2-Kategorie verstärkt Extreme Speed Motorsports abermals mit diesmal zwei Fahrzeugen Saison das Feld; gemeinsam mit Asien-Morgan von Oak Racing ist das Feld mit sieben Fahrzeugen bereits wieder auf 2013-Niveau angekommen, wenn auch nur für dieses eine Rennen. Sergey Zlobin hat in der Fahrerwertung die Hälfte seines Vorsprungs eingebüßt; Roman Rusinov, Olivier Pla und Julien Canal können bei 16 Punkten Rückstand nun aus eigener Kraft den Titel für G-Drive Racing holen. Zu beachten gilt es auch den KCMG-Oreca bei dessen Heimspiel.

Vilander und Bruni vor Titelgewinn

Die erste Entscheidung der Saison in einer vollwertigen Klasse kann in Shanghai fallen: Gimmi Bruni und Toni Vilander reisen mit 49,5 Punkten Vorsprung nach Shanghai, womit sie nur noch 2,5 Punkte mehr holen müssen als der Zweiplatzierte Fred Makowiecki. Die Chancen dafür stehen gut: Porsche ist bei den GTs wiedermal mit den uralten Sorgen ins Hintertreffen geraten: Zu hoher Reifenverschleiß auf der Hinterachse wegen des Heckmotors im 911er. Auch in Shanghai sieht es nicht wesentlich rosiger aus, gilt der Kurs als eher reifenfressend.

Bruni und Vilander können in Shanghai den GT-Weltcup erfolgreich verteidigen, Foto: Adrenal Media
Bruni und Vilander können in Shanghai den GT-Weltcup erfolgreich verteidigen, Foto: Adrenal Media

Die stärkste Konkurrenz dürfte im Rennen für AF Corse also von Aston Martin kommen. Zwar ist hier der Zug im Weltcup für GT-Fahrer längst abgefahren, doch Stefan Mücke und Darren Turner werden versuchen, das in Fuji zurückgekehrte Pech schnell hinter sich zu lassen und an den Sieg von Austin anzuknüpfen. Noch immer gilt der V8 Vantage als das vom Papier her schnellste Fahrzeug bei der jetzigen Balance of Performance.

Auch in der GTE-Am kann die Entscheidung fallen, Foto: Speedpictures
Auch in der GTE-Am kann die Entscheidung fallen, Foto: Speedpictures

Auch in der GTE Am kann es eine Entscheidung geben: David Heinemeier Hansson und Kristian Poulsen, die in Shanghai wieder von Richie Stanaway statt Nicki Thiim verstärkt werden, können den GTE-Am-Titel holen, sofern sie 13 Punkte mehr holen als ihre Verfolger aus dem eigenen Rennstall, Paul Dalla Lana, Pedro Lamy und Christoffer Nygaard. Das Feld der Amateure ist stark geschrumpft: Nur fünf Fahrzeuge sind nach dem Doppelrückzug von AF Corse vertreten. Hinter den Kulissen ist zu vernehmen, dass das Ferrari-Team nicht mit den Einstufungen der dominierenden Aston-Martin-Fahrer einverstanden ist.

Wieder einmal früh aufstehen

Fans des Langstreckensports dürften diese Strapazen mittlerweile gewohnt sein: Zum dritten Mal in Folge gilt es, den Schlafrhythmus umzustellen. Zwei Trainingssitzungen am Freitag um 3:45 und 8:30 Uhr folgen am Samstag das dritte freie Training um 2:30 Uhr und das Qualifying um 6:20 Uhr. Das Rennen startet am Sonntagmorgen um 4 Uhr deutscher Zeit und geht wie üblich über sechs Stunden.